LEITARTIKEL  03-2022

Alkohol unter Druck

Ein Artikel von CR Prof. DI Josef Glatt, MBA | 08.03.2022 - 11:24
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Der Weinbauverband unterstützt Maßnahmen zur Eindämmung von Krebsrisiko, jedoch muss eine Regelung mit Augenmaß erfolgen. Das Bild zeigt eine Gesundheitswarnung in Kalifornien

Bis dato unterscheiden sich die Kennzeichnungsvorschriften von alkoholischen Getränken und Lebensmittel. Im Gegensatz zu den Lebensmitteln müssen Nährwertangaben und Zutaten bei alkoholischen Getränken nicht angegeben werden, da die zentrale Botschaft an den Konsumenten die Höhe des Alkoholgehaltes war.

Bereits bei der ersten Evaluierung dieser Vorschriften war die Mehrheit der Mitgliedsstaaten bzw. EU-Abgeordneten der Meinung, dass der Konsument das Recht hat, auch bei alkoholischen Getränken diese Angaben zu erfahren. Daher werden die Angaben des Nährwertes (Kaloriengehalt) sowie die Zutaten eines alkoholischen Getränkes ab Ende 2023 auf dem Etikett vorgeschrieben. Alternativ können die Zutaten auch Off-Label auf einer eigenen Homepage angegeben werden. Für die Bierindustrie mit ihren Abfülleinheiten wohl kein Problem, für die vielfach kleinstrukturierte Weinwirtschaft aber sehr wohl. Ein Schritt der wohl gut gemeint sein soll, aber am Ende wieder zu mehr Industrialisierung des Sektors führt. Weg von einer kleinbetrieblichen, individuellen Weinwirtschaft, die in den Regionen den ländlichen Raum und ihre dazugehörige Kultur erhält.

Ein zweites Beispiel: Die derzeitige EU-Kommission in Person der Gesundheitskommissarin Kyriakides hat sich das lobenswerte Ziel gesetzt, den hohen Anteil an Krebserkrankungen in Europa zu bekämpfen (BECA-Bericht). Ein Teil dieses Vorhabensberichtes zielt auch auf die Zurückdrängung von missbräuchlichen bzw. übermäßigen Alkoholkonsums ab, der ebenfalls mitverantwortlich für viele Krebserkrankungen sei.

Aufgrund der Behandlung des Themas in einem Sonderausschuss des Europäischen Parlaments lag dem Plenum des Europäischen Parlaments dann ein Abstimmungstext vor, wonach jeglicher, auch moderater Alkohol- und damit Weinkonsum in Hinblick auf die Krebsgefahr relevant sei und daher zurückgedrängt werden müsse. Das hieße, ein Glas Wein zum Essen erhöht bereits die Gefahr, eine Krebserkrankung zu erleiden. Deshalb wäre es notwendig, die Steuern auf alkoholische Getränke zu erhöhen und die Etiketten mit Warnhinweisen ähnlich zu Tabakprodukten zu versehen. Durch massive Anstrengungen der Europäischen Weinwirtschaft konnte bei der Abstimmung im Plenum des Europäischen Parlaments die ursprüngliche Formulierung der „Zurückdrängung von übermäßigen bzw. missbräuchlichen Alkoholkonsum“ beibehalten werden.

Im Wesentlichen soll der Konsument auf den Etiketten auf einen moderaten, verantwortungsvollen Umgang mit Alkohol hingewiesen werden. Die ständigen Diskussionen zum Thema Alkohol sind insofern ärgerlich, als sich gerade die Europäische Weinwirtschaft eine Selbstverpflichtung auferlegt hat und mit der Kampagne „Wine in moderation“ den Konsumenten zu verantwortungsbewusstem, genussorientiertem Weinkonsum hinführen will. Es ist eine Informationsplattform, auf dem die Konsumenten über den richtigen Umgang mit Wein informiert werden und auf die Gefahr eines übermäßigen Alkoholkonsums hingewiesen werden. Zudem werden aber auch die unterschiedlichen weinkulturellen Aspekte in den Weinbauregionen aufgezeigt sowie der übergeordnete gesellschaftliche Aspekt der Weinkultur als europäisches kulturelles Erbe.

CR Prof. DI Josef Glatt, MBA