LEITARTIKEL 01-2020    

Sechs Fragen zum Jahreswechsel

Ein Artikel von DI Walter Kaltzin | 13.01.2020 - 15:43
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Vertreter des Österreichischen Weinbauverbands überbringen gemeinsam mit ÖWM-Chef  Chris Yorke und der Weinkönigin Tatjana I. Weihnachtswünsche an den Präsidenten der Landwirtschaftskammer Österreich, Josef Moosbrugger © LKÖ Magdalena Hofer

Walter Kaltzin: In der Zwischenzeit sind die Koalitionsverhandlungen von ÖVP und Grünen zu einem Ende gekommen. Was halten Sie vom beschlossenen Koalitionsübereinkommen?

Johannes Schmuckenschlager: Das Regierungsprogramm mit dem Titel „Verantwortung für Österreich“ enthält zentrale Punkte von aktuellen und zukünftigen gesellschaftspolitischen Themen, vom Umwelt- und Klimaschutz bis hin zur restriktiven Sicherheitspolitik. Auch die Agrarpolitik hat einen starken Fokus im Regierungsprogramm gefunden. Themen wie die dreijährige Gewinnglättung oder die geplante Streichung der Sektsteuer zeigen, dass es möglich war, keine neuen Belastungen, sondern weitere Entlastungen zu vereinbaren. Auch der wesentlichen Forderung nach einem Landwirtschaftsministerium wurde Rechnung getragen. Mit der aktuellen Regierungszusammenarbeit von ÖVP und Grünen haben wir auch eine hohe internationale positive Aufmerksamkeit erreicht.

 

Auf EU-Ebene hat sich quasi schon eine Regierung, die EU-Kommission, gebildet und erste Signale nach außen gegeben. Welche Auswirkungen könnte es für Österreichs Landwirtschaft bzw. die Wein-Branche geben?

Johannes Schmuckenschlager: Die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat mit dem von ihr präsentierten „Green Deal“ neue Ziele der EU vorgegeben. Diese Maßnahmen zur Beeinflussung des Klimawandels werden sich selbstverständlich auch im Agrar-Kapitel und in den Programmen der kommenden Gemeinsamen Agrarpolitik wiederfinden. Österreich kann hier speziell mit seinen ÖPUL- und Bioprogrammen schon einiges vorweisen. Im Weinbau haben wir ja auch mit dem Nachhaltigkeitsprogramm wegweisend Pionierarbeit geleistet. Eines ist aber klar: Mehr Leistung braucht auch mehr Mittel. Betriebswirtschaftlich sind schon heute viele Betriebe einer hohen Belastung ausgesetzt, das darf man nicht außer Acht lassen.

 

Nach Jahren mit einigen sehr kleinen Ernten und teilweiser Unterversorgung hat sich der Markt in Österreich gedreht. Eine sehr große Ernte 2018 sorgte dafür, dass sich die Lager wieder kräftig gefüllt haben. Zudem dürfte der Konsum abnehmende Tendenzen zeigen. Mit einem Wort: Der Druck am Markt steigt. Wie kann sich ein einzelner Winzer heutzutage noch am Markt behaupten?

Johannes Schmuckenschlager: Momentan zeigen die Fassweinpreise wieder deutlich nach oben. Und unsere mahnenden Worte Richtung Weinhandel – schon zur Lesezeit – bestätigen sich nun. Es war eine absolute Sauerei für den Spitzenjahrgang 2019, so niedrige Traubenpreise zu bezahlen. Leider haben wir am freien Traubenmarkt eine sehr ungünstige Aufkäufersituation. Das hat in den vergangenen zwei Jahren dazu geführt, dass sehr verantwortungslos gehandelt wurde. Man kann hier nur zu noch mehr Kooperationen aufrufen. Der Druck am Markt stieg schon in den vergangenen Jahren. Und wir bemerken immer stärker, dass wir auch bei den Exportmärkten diversifizieren müssen. Die Devise lautet: Kernmärkte stärken und neue Märkte erschließen. Der österreichische Wein ist international ein absolut konkurrenzfähiges Produkt.

 

Der österreichische Biomarkt wächst seit Jahren kontinuierlich und macht vor dem Wein nicht Halt. Mit dem Klimawandel wächst gerade eine Konsumenten-Generation heran, für die der Schutz von Umwelt und Klima hohe Priorität hat. Wie sollte die Weinbaubranche darauf reagieren?

Johannes Schmuckenschlager: Gott sei Dank haben unsere Winzer ein -gutes Gefühl für die Konsumenten und Marktentwicklungen. Mit den Bio-programmen konnte man in den vergangenen Jahren deutlich punkten. Wir müssen nur darauf achten, dass wir uns nicht im Wettbewerb der Produktionsvorgaben und Konventionen permanent übertrumpfen möchten und am Ende des Tages an den Grenzen der natürlichen biophysikalischen Möglichkeiten scheitern. Mit unserem Programm der Nachhaltigkeit (Nachhaltig Austria) haben wir ein Modul geschaffen, um auch den steigenden Kundenansprüchen in der Gesamtbetrachtung der Nachhaltigkeit in der Weinproduktion eine Antwort zu geben. Es erfreut sich immer stärkerer Nachfrage der Importeure aus dem Ausland und erfährt gleichzeitig immer stärkere Akzeptanz innerhalb der heimischen Betriebe. Da darf die österreichische Weinbranche sehr stolz sein, dass wir selbst dieses System entwickelt haben und nun den Erfolg ernten.

 

Mit Chris Yorke tritt ein neuer ÖWM-Chef in die Fußstapfen von Willi Klinger. Welche Erwartungen gibt seitens des Weinbauverbands?

Johannes Schmuckenschlager: Zunächst einmal gilt es, Willi Klinger zu danken. Er war der längst dienende Geschäftsführer der ÖWM. Chris Yorke hat eine hohe Verantwortung übernommen, es gilt, die Marketinggelder der Weinbranche und der öffentlichen Hand strategisch richtig einzusetzen. Wir freuen uns sehr auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Das Team wurde ja auch mit Christian Zechmeister verstärkt, um den wichtigen Kontakt zu den einzelnen Weinbauregionen zu vertiefen. Chris Yorke hat unser volles Vertrauen und ich bin fest davon überzeugt, dass wir die erfolgreiche Geschichte des österreichischen Weins mit ihm weiterentwickeln werden.

 

Auf EU-Ebene werden immer mehr Wirkstoffen und damit Pflanzenschutzmitteln die Zulassungen entzogen – einige heimische Branchen sind davon stark betroffen. Eine Entwicklung auf dem Rücken der Landwirte?

Johannes Schmuckenschlager: Es
ist nicht nur eine bedenkliche Entwicklung auf dem Rücken der Landwirte, es ist in vielen Bereichen viel mehr eine Entwicklung, die ohne Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse stattfindet. Natürlich versucht man, mit Sortenweiterentwicklung gegenzusteuern. Und hier darf man den Züchtern gerade im Bereich der PIWIs zu den Erfolgen gratulieren. Es ist aber eine große Gefahr zu glauben, dass wir ohne Pflanzenschutz auskommen werden – egal, ob wir biologisch oder konventionell arbeiten. Zum Beispiel lassen Programme der EU zur Reduktion von Kupferpräparaten ohne entsprechende Zulassung von Alternativen eine Lücke entstehen, die uns in der Zukunft noch Probleme bereiten werden. Nur durch eine Vielzahl von Wirkstoffen lassen sich Resistenzen und eine Einschränkung der Biodiversität verhindern.

Die Winzer-Redaktion dankt für das Gespräch!