Interview

We are the wine

Ein Artikel von W. Kaltzin | 10.12.2018 - 10:47
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Verantwortlich für jährlich 1,5 Mio. Flaschen: Erich Scheiblhofer

Wer regelmäßig Radio und die Wetternachrichten hört, dem wird der Ort Andau ein Begriff sein. Andau als Hitzepol und Sonnenfenster Österreichs lässt sich des ­Öfteren vernehmen. Die Gemeinde in der „burgenländischen Puszta“ hat sich zum prosperierenden Weinort entwickelt, trotz seiner Lage fernab von Durchzugsrouten und nahen ­Ballungsräumen.
Mit den Betrieben Winzerkeller ­Andau, Weingut Schwarz, Reeh und Klein setzen einige Andauer Betriebe Akzente bei den Konsumenten. Seit vielen Jahren gilt das Weingut Scheibl­hofer als Aushängeschild der 2.300-Seelen-Gemeinde und weist in vie­lerlei Hinsicht eine besondere und ­rasante Entwicklung auf.

Weinguts-Leiter Erich Scheiblhofer gibt Antworten

Betriebsentwicklung
Johann Scheiblhofer hat das Weingut in den 1980er Jahren aufgebaut und mit dem Wein Big John einen sehr bekannten Marken-Wein geschaffen. Wo steht das Weingut heute, wenn man sich die nackten Zahlen wie ­Rebfläche und Produktionszahlen ­ansieht?

Erich Scheiblhofer: Wir füllen heute ca. 1,5 Millionen Flaschen pro Jahrgang. 85 Hektar Weingartenfläche bewirtschaften wir davon selbst, den Rest an Trauben kaufen wir von ­unseren Traubenlieferanten zu, mit denen wir bereits jahrelang zusammenarbeiten.

Größenwachstum
Läuft ein Betrieb, der deutlich mehr als 100ha verarbeitet, nicht Gefahr, sich in Richtung Industriebetrieb mit wenig Persönlichkeit zu ent­wickeln?

ES: Wenn man unser Weingut im inter­nationalen Vergleich betrachtet, gehören wir nach wie vor zu den Kleinbetrieben. Weinmachen ist bei uns nach wie vor Chefsache. Das stellt auch sicher, dass die Persönlichkeit in den Weinen des Hauses definitiv erhalten bleibt.

Hotspot im Seewinkel
Die Gemeinde Andau gilt als Hotspot für bemerkenswerte Betriebe. Während man von anderen Gemeinden im Seewinkel gefühlt eher wenig hört, sorgen Andauer Winzer regel­mäßig für Akzente im Weinbusiness. Woran liegt das?

ES: In Andau wurde in den letzten Jahren überzeugt konsequent und vor allem ohne Angst auf die Bedürfnisse des Weinmarktes zugearbeitet.

Bester Arbeitgeber
Einmal jährlich küren Mitarbeiter die besten Arbeitgeber des Landes. An dieser Benchmarkstudie haben 2017 in Summe 39.000 Mitarbeiter Feedback gegeben und damit einen sogenannten Vertrauensindex ermittelt. Unter den 44 ausgezeichneten Unternehmen befand sich das Weingut Scheiblhofer. Woran liegt es, dass Ihre Mitarbeiter überdurchschnittlich zufrieden sind?

ES: Einer der wichtigsten Werte bei uns im Unternehmen ist die Freude am Tun. Dies ist mir selbst genauso wichtig wie auch meinen Mitarbeitern. Umso mehr bin ich darauf stolz, dass diese unabhängige Untersuchung bestätigt hat, dass sich alle bei uns wohlfühlen.

We are the wine
Mitarbeiter als Botschafter des ­Betriebes – ziert deshalb der Spruch „We are the wine“ die Startseite der Homepage?

ES: Ja, das war der Hintergrund.

Social Media
Offensichtlich findet das Weingut auch bei den Konsumenten besonderen Anklang. Aktuellen Zahlen zufolge haben Sie im Gebiet Neusiedlersee mit über 7.400 die wahrscheinlich meisten Facebook-Fans. Mit wie viel Aufwand bespielen Sie Facebook? Gibt es auch andere Betätigungs­felder?

ES: Wir nutzen Social Media aktiv relativ wenig. Dadurch, dass wir aber an 360 Tagen im Jahr von 8 bis 18 Uhr das Erlebnis Wein hautnah erlebbar machen und unseren Besuchern schon fast wandertagartig unser gesamtes Betriebsgelände zeigen, geschieht im Bereich Social Media sehr viel passiv.

Digitalisierung
Der Betrieb Scheiblhofer hat 2017 als erstes Weingut die Auszeichnung „Leitbetrieb Austria“ erhalten. Welche Herausforderung und Chancen ­sehen Sie in der Digitalisierung?

ES: Die Digitalisierung bietet unzählige Chancen, denn sie ist auch längst in der Kellertechnik angekommen. Moderne Filteranlagen verschicken E-Mails, um über den Fortschritt zu informieren und das Handy er­möglicht die Steuerung zahlreicher Maschinen.

Nachhaltigkeitszertifizierung
Seit dem Jahr 2017 hat das Weingut die Zertifizierung „Nachhaltig Aus­tria“ errungen. Was waren die Beweggründe für diesen Schritt?

ES: Nachhaltigkeit ist zu unserem wichtigsten Thema geworden. Deshalb produzieren wir dank unserer Photovoltaik-Anlage mittlerweile energieautark, setzen auf detaillierte Wetteranalysen statt prophylaktischer Spritzungen und verzichten etwa auf freiwilliger Basis gänzlich auf Glyphosat.

Neusiedlersee DAC
Das Weinbaugebiet Neusiedlersee setzt beim gebietstypischen Wein auf den Zweigelt. Während man in anderen Regionen auf mehrere Sorten setzt, fokussiert man lediglich auf eine rote Sorte in diesem großen ­Gebiet. Sind Sie mit der Entwicklung zufrieden?

ES: Zweigelt ist eine enorm viel­seitige Rotweinsorte, die sich auf unterschiedlichste Art und Weise ausbauen lässt. Weiters ist sie auch als Partner in Cuvées perfekt geeignet und bietet daher unzählige Möglichkeiten.

100-Punkte-Wein
Das Magazin Falstaff hatte heuer sämtliche bis dato abgefüllte „Batonnage“-Weine der Jahrgänge 2001 bis 2015 gegen diverse Premiers Crus aus Bordeaux antreten lassen. Die Degustation der internatio-nalen Jury endete mit einer Sensation: Erstmals in der österreichischen Rotweingeschichte gab es einen 100-Punkte-Wein, den Batonnage 2015.
Aber auch auf den Folgeplätzen ­landeten die Batonnage-Weine mit Höchst-Punktezahlen noch vor den Premiers Crus. Angesichts des 100-Punkte-Weines vom Jahrgang 2015 geht unter, dass ein kühler, verreg­neter Jahrgang wie 2001 nach 17 Jahren auch noch beachtliche 95 Punkte erhielt oder der 2014er Jahrgang ebenso unglaubliche 96 Punkte. Wie kam es zu diesem Wein?

ES: Die Geburtsstunde des heutigen Kultweines war eine laue Sommernacht im Jahr 2001, in der ich mich gemeinsam mit meinen Freunden Markus Alternburger, Florian Gayer, Gerhard Kracher und Christian Tschida zu einer ausgedehnten Verkostungsnacht traf. Zu später Stunde kam uns die Idee, gemeinsam einen Wein zu kreieren, der den Weinmarkt aufwirbeln sollte. Wie diese unglaublichen Bewertungen verdeutlichen, scheint uns das gelungen zu sein.

Besonderheiten des Batonnage
Welche Technik steckt hinter dem Wein Batonnage?

ES: Für den Batonnage werden am Tag vor der Lese jene sechs Hektar Weingärten, die für den Wein in Frage kommen, besichtigt und nur höchst reife bis minimal überreife Trauben für den Topwein selektiert. Die Blaufränkisch- und Cabernet-Sauvignon-Trauben kommen dabei vom Leithaberg in Jois, der Merlot stammt aus Andaus Toplagen. Pro Jahr werden maximal zwölf Fässer dieses Weines vinifiziert, wobei Kaltmazeration und doppelter Ausbau in neuen franzö­sischen Barriques (zweimal je acht Monate) zur Anwendung kommen.

Weinkritiker
Besonders im Rotweinbereich feiert das Weingut Scheiblhofer laufend Prämie­rungserfolge. Nicht jeder Wein­kritiker ist aber von der üppigen Rotweinstilistik des Hauses mit deut­lichen Holzeinflüssen begeistert. Wie gehen Sie mit dieser Kritik um?

ES: Wir verfolgen keine Trends. Mit dem Ausbau unserer Weine in Barriques sind wir mittlerweile vom Modernisten zum Traditionsbetrieb geworden. Und solange uns unsere Weine selbst schmecken, stehen wir auch vollends hinter ihnen.

Events
Mit dem Bau der Eventhalle „The Hall of Legends“ hat sich das Weingut auch zum Veranstalter entwickelt. Welches Ausmaß und welche Bedeutung haben mittlerweile die zahl­reichen Events am Weingut erreicht?

ES: Die Zahl der Anfragen für unsere Hall of Legends steigt stetig, da sie ein einzigartiges Ambiente bietet und auch für jede Art von Veranstaltung adaptiert werden kann. Vom ­locker lässigen Business-Event bis hin zum gesetzten Gala Dinner ist hier alles möglich. Die Bedeutung ist somit mittlerweile sehr groß, auch wenn sie natürlich noch nicht an die Weinproduktion heranreicht. Im Durchschnitt finden zwei bis drei ­Veranstaltungen pro Woche statt, wobei wir klassische Hochzeiten und Geburtstagsfeiern derzeit nicht anbieten, da die Frequenz an Veranstaltungen sonst zu hoch wäre.

Weinhotel
Im Jahr 2019 soll das Weingut ­wieder zur Baustelle mutieren. Ziel ist ein Wein-Wellness-Hotel. Welche ­Dimensionen werden hier angestrebt? Was ist der Hintergrund?

ES: Wir planen ein Wein-Wellness-Resort mit 100 Zimmern, das 2021 ­eröffnet werden soll. Dabei nehmen wir Maß an unterschiedlichen internationalen Größen, um ein in Österreich einzigartiges Hotelprojekt umzusetzen, dass sowohl die Bereiche Business, Wein als auch Familie anspricht.

Ziele
Wohin soll die Reise des Weinguts langfristig gehen? Wird weiteres Wachstum angestrebt?

ES: Ein Plan ist immer so lange gut, bis der nächste kommt. Aktuell beschäftigt uns natürlich das Hotelprojekt und was danach kommen wird, wird sich zeigen. 

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Ein Weingut als Veranstalter: durchschnittlich ein bis zwei Events pro Woche – Tendenz steigend

Weingut Scheiblhofer

Ort: Andau im Seewinkel, Bezirk Neusiedl am See

Fläche: 85ha Eigenfläche, Zukauf 100+ ha

Betriebsfläche: 10.000 m2

Flaschenproduktion: 1,5 Mio./Jahr

Mitarbeiter: 55

Öffnungszeiten: täglich von 8 bis 18 Uhr

www.scheiblhofer.at