Leitartikel 09-2020

Weinlese in Corona-Zeiten

Ein Artikel von CR Prof. DI Josef Glatt, MBA | 07.09.2020 - 14:48
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Spätere Lese 2020 – erstmals mit dem neuen Hektarhöchstertrag
von 10.000 kg

Neben den Schwierigkeiten am Markt waren zum Berichtszeitpunkt auch die Modalitäten für die Erntehelfer noch etwas unsicher. Nach der derzeitig gültigen Verordnung dürfte es mit den Erntehelfern keine großen bürokratischen Schwierigkeiten geben, speziell aus den Nichtrisikoländern wie Tschechien, der Slowakei, Slowenien oder Polen. Personen mit einer Pendlerbescheinigung haben auch aus den Risikoländern kein großes Problem bei der regelmäßigen Einreise. Das Gleiche gilt für den Sonderfall Ungarn (aktuelle Berichterstattung u.a. auf www.der-winzer.at). Bei Unklarheiten besteht die Möglichkeit, sich beim jeweiligen Koordinator für Einreise-bestimmungen in der jeweiligen Landeslandwirtschaftskammer zu informieren.

Spätere Ernte 2020

Faktum ist, dass die heurige Weinlese später als in den letzten Jahren stattfindet. Die Niederschlagssituation ist in den meisten Gebieten mehr als ausreichend, punktuell gab es immer wieder auch Hagel. Zu hoffen ist auf einen trockenen Herbst, um die Gefahr der Fäulnis hintanzuhalten und eine volle Ausreifung der Trauben zu ermöglichen. Grundsätzlich ist die spätere Reifeentwicklung im Vergleich zu den Vorjahren ja durchaus positiv, da durch die kühleren Nächte während der Reife ein höheres Säureniveau erhalten werden kann, was in den vergangenen Jahren bei vielen Sorten in vielen Gebieten nicht immer gewährleistet war. Trotzdem wurde im Hinblick auf die säurearmen Frühsorten auch heuer wieder die Möglichkeit einer Säuerung grundsätzlich zugelassen.

Neu ist heuer auch, dass durch die Umstellung der Weinbaukataster auf INVEKOS eine geänderte Bezugsgröße bei der Fläche erstmalig schlagend wird. Damit gilt erstmalig für die heurige Weinernte der im Weingesetz neu festgesetzte Hektarhöchstertrag von 10.000 kg/ha. Die Erträge in den Gebieten scheinen sehr unterschiedlich zu sein, in Summe wird eine dem Verbrauch entsprechende Weinmenge erwartet.

Kostendeckende Traubenpreise

Befürchtungen gibt es bei vielen Winzern, was die zu erwarteten Traubenpreise betrifft. Auf der einen Seite gibt es den geregelten Traubenmarkt mit Vertragsweinbau und dem Winzergenossenschaftswesen, wo auch heuer wieder Traubenpreise bis zu 70 Cent pro kg und auch deutlich mehr zu erwarten sind. Auf der anderen Seite wurden im Bereich des freien Traubenmarktes bereits schon wieder Traubenpreise von unter 50 Cent/kg kolportiert. Dabei sind Traubenpreise von 50 Cent das absolute Minimum für eine kostendeckende Traubenproduktion. Es wäre im heurigen schwierigen Jahr absolut unverständlich, wenn unter diesem Einstandspreis eingekauft werden würde. Winzer, die ihren Aufwand nicht abgegolten sehen, werden über kurz oder lang die Produktion einstellen. Weinwirtschaftsbetriebe, die vom Handel mit Trauben und Wein leben, müssten aber an der Sicherstellung ausreichender Rohware interessiert sein. Das ist eine wirtschaftliche Binsenweisheit.

CR Prof. DI Josef Glatt, MBA