Weinbau – Fachartikel

Die Namenshistorie des Blaufränkisch

Ein Artikel von Ing. Johannes Friedberger | 28.07.2022 - 15:54
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Vor allem der niederösterreichische Wanderlehrer und Privatdozent der BOKU Hermann Goethe dürfte als Vorsitzender der Ampelographischen Kommission bei der Sitzung 1875 in Colmar hauptverantwortlich gewesen sein, dass der Blaufränkisch seinen heutigen Namen erhielt. In seinem Atlas der Traubensorten findet sich eine Abbildung der Rebsorte (Quelle: H. u. R. Goethe: Atlas der für den Weinbau Deutschlands und Oesterreichs werthvollsten Traubensorten. Wien, 1873. Im Besitz der HBLA u. BA für Wein- u. Obstbau Klosterneuburg)

Die Namensgebung des Blaufränkisch geht auf die Internationale Ampelographische Kommission zurück, die 1873 bei der Wiener Weltausstellung gegründet wurde. Sie beschloss, dass für Rebsorten jener Name als Hauptname anerkannt werden soll, welchen die Sorte in ihrer Heimat oder am Ort ihrer größten Verbreitung führt. Alle anderen Namen sollten dagegen Synonyme sein. In der 2. Jahreshauptversammlung dieser Kommission in Colmar 1875 wurde der Hauptname „Blaufränkisch“ gewählt. Dazu ist folgender Eintrag zu finden: „Blaufränkisch, blau, Keltertraube. Niederösterreich (Vöslau). Für ihre Verbreitung war besonders Robert Schlumberger, Weingroßhändler und Weingutsbesitzer in Vöslau, tätig. Da derselbe ebenso wenig wie die Werke von Single und Dornfeld die Benennung ‚Limberger‘ genügend erklären, begründen können, so wurde von der internationalen ampelographischen Kommission die in der Heimat dieser Sorte gebräuchliche Bezeichnung „Blaufränkische“ als Hauptname angenommen.“

Die Wahl auf den Namen Blaufränkisch könnte auf den Vorsitzenden der Kommission zurückzuführen sein: Hermann Goethe war Landeswanderlehrer in Niederösterreich, später Direktor der Weinbauschule Marburg und Privatdozent an der Universität für Bodenkultur. In beiden Gegenden war Blaufränkisch der Hauptname und Goethe wählte diesen Namen schon zuvor für seinen Atlas der Traubensorten. Sein Bruder Rudolf Goethe unterstützte ihn wohl in der Kommission, der zu dieser Zeit Rebschulbesitzer in Stuttgart war.

Mit der Namensgebung waren allerdings nicht alle Länder zufrieden. Vor allem die französischen Ampelographen hatten Einwände. So ist in der großen französischen Ampelographie von Viala und Vermorel (1901 – 1910) nachzulesen, dass die Bezeichnung Blaufränkisch, die aufgrund der Mehrheit der deutschen Mitglieder stammte, wegen der ungewissen Herkunft dieser Sorte nicht annehmbar sei. Der Name Limberger scheint ihnen, um Verwechslungen aus dem Weg zu gehen, besser geeignet. Den Namen Lemberger erwähnen sie als Synonym. Sie waren nicht damit einverstanden, dass diese Sorte Blaufränkisch heißen sollte, da sie eindeutig nicht aus Frankreich stammte. Dies kann als ein Vorgehen gesehen werden, wie es heute im Sinne des Herkunftsschutzes (wie bei Champagner) verstanden wird.

Begriffserklärung Fränkisch/Frentsch

In der Arbeit von Krämer (2006) wird sehr genau auf die Namensgebung von Fränkisch eingegangen: „Zwar kann die Etymologie von frentsch/fränkisch nicht völlig geklärt werden, doch sind mehrere versprechende Deutungsansätze vorhanden. Am erhellendsten ist die Erklärung, dass es sich um in Frankenreich kultivierte, das heißt fränkische im Sinne von im Rheingebiet heimische, edle Reben handelte.“ Der Begriff Edeltrauben ist schon bei den Römern zu finden und wird später in französischen Quellen zu ­vinum nobile und gentil. Der blanc gentil war ein Synonym für Weißen/Gelben Traminer. Der Rote Traminer hieß unter anderem Rothedel. Später wurde der Begriff auch für andere Sorten verwendet, wie dem Gutedel oder auch für die Burgundersorten.

„Eine andere Möglichkeit wäre, einen Zusammenhang mit der über die Jahrhunderte hinweg in der Champagne und in Lothringen gebräuchlichen Rebsortenbezeichnung co de France, cep francais, francois blanc oder francois zu sehen. Es waren stets Reben, die edle Weißweine lieferten, die als vins francais vor allem in Richtung Norden verschifft wurden.“ Dieser Eintrag ist insofern von Bedeutung, weil in der österreichischen ampelographischen Literatur die Fränkische Rebe von Carl von Lothringen nach Österreich gebracht worden sein soll. Es soll sich dabei um eine Burgunderrebe gehandelt haben.

„Eine dritte und letzte Erklärung soll nicht unerwähnt bleiben. Franc im Sinne von frei, wild war im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit die französische Bezeichnung für eine wilde Rebe. Es ist im Zusammenhang mit dem Traminer als Wildrebenabkömmling sicher kein sinnloser Versuch, das Synonym frentsch/fränkisch hiermit begründen zu wollen.“

Benennung von Rebsorten

Die Herkunft und auch die Namensgebung des Blaufränkisch wurden schon in mehreren Werken erforscht. Hierzu zählen vor allem die Arbeiten von Willhelm Bauer (DER WINZER 1992/7), Richard Hachenbecher („Auf den Spuren des Lembergers“, 2000) sowie Robert Schlumberger (1937), Christine Krämer (2006), Jancis Robinson (2012), Ferdinand Regner (mehrfache Publikationen), Erika Maul (2016) und viele mehr. Während man bei der genetischen Abstammungsforschung mittlerweile fündig wurde, sind die genauere Herkunft selbst und die Namensherkunft weiterhin ungelöst. Bezüglich der Namensgeschichte sollen die folgenden Zeilen neue Anregungen und Erkenntnisse aufzeigen.

Grundsätzlich gilt auch bei den blauen Sorten, dass die ältesten Namen jene sind, die das Aussehen, den Geschmack oder eine andere Eigenschaft beschreiben (siehe Friedberger DER WINZER 2021/10). Beim Blaufränkisch sind dies wahrscheinlich Namen wie „Schwarzgrober“, im 19. Jh. auch „Frühschwarzer“, später auch in Mähren und im nördlichen Weinviertel „Spätschwarzer“ und „Schwarzer“. Teilweise wurde er auch als „Schwarzer Muskateller“ bezeichnet, obwohl er keinen Muskatellergeschmack besitzt. Dies war wohl auch auf die nicht bedeutsame Produktion von Rotwein in Österreich zurückzuführen. Diese Namen waren jedoch für die Weinwirtschaft unbrauchbar, weshalb Winzer und Fachleute wohl auf der Suche nach geeigneteren Namen waren.

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Der Blaufränkisch, in Deutschland als Lemberger sowie in Ungarn als Kékfrankos bekannt, ist eine der bedeutendsten Rotweinsorten Österreichs. Über seine Herkunft gibt es mehrere Arbeiten, die ersten Nachweise auf österreichischem Gebiet reichen ins 18. Jh. zurück © ÖWM / WSNA

Gleicher Name für mehrere Sorten

Mit der Etablierung von Rotweininseln in Österreich nahmen die Rebsorten Namen aus diesen Gegenden an. Auch Ableitungen von anderen Rebsortennamen kamen häufig vor, etwa im Falle des Blauen Burgunders. Mit seiner Ankunft im österreichischen Raum dürften gleich mehrere heimische Sorten mit diesem Namen belegt worden sein. Der Blaufränkisch wurde etwa auch Großburgunder genannt. Vor allem in Westungarn und im Burgenland wurde er noch bis ins 20. Jh. so bezeichnet. Bei Helbling 1777 ist bei den Synonymen der Name Morillon noir ordinaire zu finden.

Burger wählte 1837 für die Rebsorte Blaufränkisch den Namen Catonia burgundica und erwähnt, dass sie in Ödenburg Burgunder heißt. Er reihte sie unter den mittel- bis spätreifen Sorten mit schwarzen, größeren Beeren ein. In der Beschreibung nennt er allerdings das Synonym Frühschwarze, weil ihre Traube eine der zuerst reifenden ist, jedoch ca. 14 Tage später als Blauer Portugieser. Dies mag ein wenig verwundern, jedoch ist zu bedenken, dass damals einige noch deutlich spätreifendere blaue Sorten vorhanden waren, die wahrscheinlich aus südlicheren Gegenden wie dem Balkangebiet stammten. Als weiteres Synonym nennt Burger in der Umgebung von Baden die „Mährische“ und um Gumpoldskirchen die „Schwarze Fränkische“ oder „Fränkische“. Dieser Name ist auch schon 1777 bei Helbling zu finden. Helbling beschrieb allerdings nur die Gegend von Wien bis etwa Pfaffstätten. Baden und Vöslau sind nicht mehr dabei, daher ist kein Hinweis auf die Mährische oder die Rebsorte Blauer Portugieser zu finden, die vor allem um Vöslau/Baden ihren Ausgangspunkt zu haben schien.

Burger orientiert sich bei der ampelographischen Beschreibung stark an Helbling und bei den örtlichen Bezeichnungen und Vorkommen an Schams. Manchmal sind in Burgers Ausführungen Fehler bei der Übernahme dieser beiden Autorentexte zu beobachten. Schams (1835) bezeichnet eine Rebsorte als Schwarzfränkische in der Gegend von Baden/Vöslau. Dabei handelt es sich wohl um unseren heutigen Blaufränkisch. Weiters erwähnt er bei der Beschreibung des echten Blauen Burgunders das Synonym Fränkische. Es dürfte also zwei blaue Sorten mit der Bezeichnung Fränkische gegeben haben. Es hat den Anschein, dass Burger beide Beschreibungen zusammengefasst hat.

Benennung des Blaufränkisch

Burger übernimmt Helblings Rebsortenbeschreibungen fast immer kritiklos. Helbling beschreibt die Sorte „Fränkische“ als eine der frühreifesten, gleich nach den Burgundern. „In diesem Jahr konnte man davon schon zu Maria Geburt am 8. September süße Trauben essen.“ Es soll aufgrund der Stärke und Dauer der beste rote Wein um Wien sein. 1779 schreibt Helbling in einer Ergänzung: „Des Herzogs Karls von Lothringen königliche Hoheit haben außer Gumpoldskirchen auf einer mittägigen Anhöhe am sogenannten Veigelgraben einen mit dieser vortrefflichen Art ausgesetzten Weinberg welcher zur Zeit der Traubenreifung eingeschlossen und jedes Jahr beinahe um vierzehn Tage später, als in den umliegenden Weingärten abgelesen wird.“ Es gibt in der Literatur Unstimmigkeiten, ob es sich hier um den Türkensieger von 1683 Karl V. Leopold (genannt der Herzog ohne Herzogtum, 1643 – 1690) handelt oder wahrscheinlicher um seinen Enkel, Maria Theresias „liebsten Schwager“ Karl Alexander von Lothringen und Bar (Bruder von Kaiser Franz I., 1712 – 1780). Jedenfalls geht aus der Literatur hervor, dass nicht der ganze Weingarten, sondern nur der obere Teil, mit dieser „Fränkischen“-Traube bepflanzt ist. Höchstwahrscheinlich war es eine Echte Blaue Burgundersorte.

Der untere, kleinere Teil dieses Weingartens in Gumpoldskirchen dürfte jedoch mit einer anderen Sorte, dem heutigen Blaufränkisch, bepflanzt worden sein. Helbling (1777) könnte vor allem die Sorte des oberen Teils beschrieben haben. Burger (1837) dürfte Helblings Beschreibung teilweise übernommen haben, die aber aufgrund der ungenauen Beschreibung auch ganz gut für den Blaufränkisch passte. Die Reifezeit gibt er zwar auch als früh an, aber er ordnet die Sorte zumindest in der Gruppe der Mittelreifen (Spätreifen) ein. Da der obere Teil mit Echtem Blauen Burgunder bepflanzt war, ist nachvollziehbar, dass der Blaufränkisch vom unteren Teil auch mit dem Synonym Großburgunder versehen wurde. Der Sortenname Fränkische wurde anscheinend von der Herkunft der oberen Rebsorte einfach auf den ganzen Weingarten und somit auch auf den unteren Teil übertragen worden sein. Es besteht auch die Möglichkeit, dass der Name des Weines dieses ganzen Weingartens von Karl von Lothringen auf die Rebsorte übertragen wurde. Der Wein dieser Lage war sicher von höherer Reife bzw. Qualität, da die Trauben (siehe Helbling 1777) 14 Tage länger am Stock hingen und zum Schutz eingezäunt wurden. Dieser Wein hatte etwas Edles, Elitäres, da der Weingarten durch den Schwager von Maria Theresia angelegt wurde. Es war daher für die umliegenden Winzer der Thermenregion wohl ehrenwert, diese Sorten selbst anzubauen.

Historische Nennungen des Blaufränkisch

Die erste korrekte Nennung der Rebsorte Blaufränkisch dürfte vom bekannten österreichischen Botaniker Freiherr von Jaquin aus dem Jahr 1828 stammen. Dieser nannte für den Badner Rotwein die Rebsorte „Blaue Fränkler“ bzw. „Blauen Fränkischen“ und dazu eindeutig getrennt vom „Original Burgunder“.

Der österreichische Ampelograph Trummer unternahm immer wieder ampelographische Reisen und hinterfragte viele Einträge. Zudem widmet er sich speziell den in der Thermenregion vorkommenden Rebsorten. Er hat den Blaufränkisch daher sehr wahrscheinlich vor Ort besichtigt. Er beschreibt ihn als „ziemlich früh reifend“, zwar später als der Blauer Portugieser und der Blaue Clevner (=Burgunder), jedoch wird er noch in mittelmäßigen Gegenden vollkommen reif. Aus Trummers ampelographischen Reisen nach Deutschland ist auch beleget, dass der Blaufränkisch in Deutschland ursprünglich nicht beheimatet war, sondern aus Österreich importiert wurde. In der Steiermark erwähnt er den Blaufränkisch nur sehr vereinzelt in einem Nachtrag 1855. Auch hier stammen die Reben wahrscheinlich aus Importen aus Niederösterreich. Es kann für den Blaufränkisch als Hauptdomestizierungs-Gegend der Bereich Thermenregion und später Burgenland, Westungarn angenommen werden.

Trummer war, wie viele andere Ampelographen und Weinbaufachmänner, von den Rebsorten Blaufränkisch und Blauer Portugieser begeistert. Beide Sorten zählten in der Mitte des 19. Jh. zu den vielversprechendsten neuen Rotweinsorten von der Steiermark, Burgenland, Ungarn, Mähren, Deutschland, sogar bis nach Frankreich. So schrieb Trummer über den Blaufränkisch 1855: „Diese Traubensorte, welche bis jetzt nur in Österreich (damit war vor allem Niederösterreich gemeint) im Großen cultiviert wird, verdient allseitig, wo man rothen Wein erzeugen wünscht, gebaut zu werden, umso mehr, da der Stock sehr fruchtbar ist, mit jedem Boden vorlieb nimmt, und einen guten Wein liefert, somit durchaus nichts zu wünschen übrig läßt.“

Es gibt auch andere Hinweise zur Bezeichnung Fränkische von Baumgartner (1856). Er war Bürgermeister von Gumpoldskirchen, geachteter Weinfachmann und Rebschulbesitzer. In seinen Ausführungen ist herauszulesen, dass um Gumpoldskirchen die Rebsorten Gutedel ebenfalls Fränkische hießen. Der Blaue Gutedel hieß Blauer Fränkischer. Baumgartner arbeitete zudem mit Schlumberger zusammen und beide waren stark am Rebenaustausch mit Bronner in Württemberg beteiligt. Sie exportierten vor allem die Rebsorten Blauer Portugieser und Blaufränkisch nach Deutschland und der Weiße Burgunder wurde verstärkt nach Österreich importiert. Schlumberger schrieb 1937, dass die Rebschulen von Schlumberger und Baumgartner aberhunderttausende von Schnittreben und Würzlingen in die ganze Welt versandten. Bei diesen großen Versendungen handelte es sich praktisch nur um Blauer Portugieser, Limberger (Blaufränkisch), Rotgipfler und Spätrot. Die Württembergische Weinverbesserungs-Gesellschaft hatte im 19. Jh. einen wesentlichen Beitrag zur Verbreitung der Blaufränkischrebe geleistet.

Anmerkung der Redaktion: Das Werk „Historia Franconia“ von Johannes Friedberger umfasst mehr als 70 Seiten. Der Autor stellt erfreulicherweise das Originalmanuskript dem Weinbauverband frei zur Verfügung. Sie finden es hier.

Zu Teil 1 "Rotweine in der österreichischen Monarchie"

Der Autor

Ing. Johannes Friedberger, Fachlehrer HBLA und BA für Wein- und Obstbau Klosterneuburg sowie Winzer in Bisamberg
E-Mail: johannes.friedberger@weinobst.at