NAMENSGESCHICHTE DER ROTWEIN-SORTEN

Rotweine in der österreichischen Monarchie

Ein Artikel von Ing. Johannes Friedberger | 22.06.2022 - 09:23
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Namensgebende Importsorten, Kreuzungseltern und Wanderbewegungen von Blauem Portugieser und Blaufränkisch

Rotweinsorten waren zwar schon im Mittelalter im Gebiet des heutigen Österreichs vorhanden, sie spielten jedoch kaum eine Rolle. Viele Rotweinrebstöcke wurden nur an Häusern oder in Gärten gezogen, um sie als Speisetrauben selbst zu genießen oder in Städten als Tafeltrauben zu verkaufen. Daher wurden die Rotweinsorten auch nur ganz allgemein als Schwarze bezeichnet. Erst mit der Zeit erhielten sie differenziertere Namen: nach der Farbe (Frühschwarze, Spätschwarze, Schlehenschwarze, Krähentraube, Abendrot), nach der Form (Geisdutten, Zapfner, Kleinschwarze oder Grobschwarze) oder nach dem Geschmack (Schmeckende, Muskateller, Süßschwarze und weitere).

Generell sind die blauen Sorten aufgrund ihrer ähnlichen Farbe ampelographisch schwieriger zu unterscheiden als die Weißweinsorten. Dies ist auch in den ampelographischen Werken des 19. Jh. zu erkennen und von Autoren vermerkt. Teilweise bekamen folglich die blauen Sorten Namen nach der Herkunft der Rebsorte. Die wichtigste Rebsortengruppe waren dabei die Burgunder-Sorten. Oftmals übertrug sich mangels vorhandener tauglicher Namen die Bezeichnung „Burgunder“ auch auf andere Rotweinsorten. So sind z.B. bei Burger 1837 vier Burgundersorten aufgezählt.

Rotwein hatte zu Monarchie-Zeiten vor allem in den umliegenden Ländern (Westungarn, Untersteiermark, Südtirol) mehr Bedeutung und wurde auch von dort eingeführt. Das ist schon im 16. Jh. anhand der Weinsortennennungen im österreichischen Weinbuch von Johann Rasch zu erkennen. Jedoch gab es auch in Österreich kleinere Rotweininseln, die Wein unter anderem an den Kaiserhof lieferten. Hierzu zählten etwa:

  • Vöslauer: auch Badner; inkl. Pfaffstätten, Sooß, Gainfarn, Siebenhirten. Blauer Portugieser, Blaufränkisch, etwas Blauer Burgunder
  • Limberger: auch Retzer; Blaufränkisch, Gänsfüßer, (Portugieser?). 1516/17 in einer Kremser Kammeramtsrechnung als „roter Retzer Wein“ erwähnt.
  • Matzner: Blauer Portugieser, Blaufränkisch
  • Pollauer: Mähren, um Nikolsburg, Feldsberg. Blauer Zierfandler. Die südmährische Weinbaugegend dürfte verstärkt mit Rebsorten aus der Thermenregion bepflanzt worden sein – vor allem durch die Fürsten von Liechtenstein.
  • Mailberger (später genannt)
  • Ödenburger (später genannt)
  • Eisenburger: östlich des Eisenberges; vermutlich Kadarka, Kauka blau und später Blaufränkisch
  • Nach der Reblaus-Katastrophe auch weitere wie Ruster.

Schon 1113 schenkte Leopold III. dem Stift Klosterneuburg Weingärten in Baden. Viel Wein aus der Badner Gegend wurde damals weithin verfrachtet. In Vöslau befand sich vor dem Thermalbad ein Felsenkeller mit einem Fassungsraum von 5.000 hl, der früher ein Zehentkeller war. Unter dem Felsblock entspringt die Vöslauer Therme, wodurch der Keller eine konstant erwärmte Temperatur hat, die für den Rotweinausbau von besonderem Vorteil war.

Die weinbaulichen Urkunden über Gumpoldskirchen reichen ebenfalls weit zurück. Die Babenberger zählten Gumpoldskirchen schon im 11. Jh. zu ihrem Privatbesitz. Die Weingärten von Pfaffstätten wurden laut Schams (1835) fast zur Gänze von den Zisterziensern von Heiligenkreuz bewirtschaftet. Diese sollen darauf geachtet haben, dass die von alters her erprobten und gedeihlichen Sorten (namentlich Heunisch und Österreichisch Weiß) vorherrschend blieben. Gleichzeitig führten sie Anbauversuche mit neuen Rebsorten durch. Es fiel ihm zudem auf, dass es dort, wie sonst kaum wo, reinsortige Abschnitte in Weinbergen gab. Die Weingärten sollen in dieser Gegend vorbildlich und sorgfältig gepflegt worden sein. Während des Dreißigjährigen Krieges und der Türkenbelagerung 1683 wurden jedoch viele Weingärten in der Thermenregion verwüstet.

AUSBREITUNG DER ROTWEINSORTEN

Zu einer Umstellung von Weißwein- auf Rotweinsorten dürfte es während der Reblaus-Katastrophe gekommen sein. So berichtet der k.k. Weinbauinspektor Kurmann 1880, dass aufgrund der fortschreitenden Reblaus-Invasion vermehrt Rotweinsorten in Gegenden angebaut werden, wo vorher kein Rotwein wuchs. Dies erwähnt er insbesondere beim Blauen Portugieser, der infolge „seiner reichen Bewurzelung am längsten der Reblaus widersteht“. Blauer Portugieser wurde meist gemeinsam mit Blaufränkisch angebaut. Schröer meldete noch 1889 für die Weingegend Neusiedlersee 130.000 hl Weißwein und nur 6.000 bis 7.000 hl Rotwein (nur 5 % Rotweinanteil). Für Rust ist anzumerken, dass Schams bereits um 1835 von Kalkproblemen mit Chlorose-Erscheinungen berichtete, die die Ruster durch Versuchsanpflanzungen von Rotweinrebsorten wie Burgunder und Portugieser besser in den Griff bekamen. Schams zählte den Blaufränkisch wohl noch zur Burgunder-Gruppe.

1924 ist jedoch bei Arthold zu lesen, dass im Ruster Gebiet mittlerweile der Blaufränkisch eine außerordentliche Rolle spielt. Dort bildet er mit über 60 % den Hauptsatz, inzwischen wohl mehrheitlich veredelt. Es wird daraus ein besonderer Rotweintypus erzeugt – der „Gleichgepreßte“ –, ein prachtvoller Wein mit rubinroter Farbe und feinem, an Rosinen erinnerndem Bukett. Dieser Weintypus könnte aufgrund guter Erfahrungen von Schlumberger aus Vöslau abstammen, der dort ein Musterweingut führte. Er verstand es, aus Rotweintrauben (vorzüglich Blauer Portugieser) einen Blanc de Noir zu keltern, der als Sektgrundwein diente. 

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Der Gänsfüßer ist nach heutigen DNA-Rebsortenanalysen eine der Urstammsorten (Großelternteil) der autochthonen österreichischen Rotweinsorten Blaufränkisch und Blauer Portugieser. Typisch ist sein tief eingeschnittenes Blatt mit starken Blattadern, das Ähnlichkeiten mit einem Gänsefuß hat. Sein starker baumartiger Wuchs wurde genutzt, indem er als Wandspalierrebe gepflanzt wurde. Sein Laub ist glänzend, glatt und daher schön anzusehen Quelle: V. u. C. Kreuzer, Untersteiermark, zwischen 1840 und 1850. Im Auftrag der k.k. Landwirtschaftsgesellschaft der Steiermark fertigten die Brüder Kreuzer ca. 125 Rebsortenbilder an, die der Ampelographie von Trummer 1841 und 1855 beigelegt werden sollten (via Wikimedia Commons)

HISTORISCHE NENNUNGEN ÖSTERREICHISCHER ROTWEINE

In Zeiten der Monarchie wurde der rote Wein eher nach der Abstammung als nach der Sorte bezeichnet. Erst bei Helbling (1777) wurden das erste Mal mehrere Rotweinsorten aus der Gegend um Wien und der Thermenregion aufgezählt und auch beschrieben. Hier ist zum ersten Mal eine blaue Sorte mit dem Namen „Fränkische“ erwähnt, die zum Teil unserem heutigen Blaufränkisch entspricht.

In einem übersetzten Werk von Chaptal (1804) ist zu lesen, dass in Niederösterreich hauptsächlich Weißwein wächst, Rotwein wird nicht geschätzt. Für NÖ wird nur ein Ort erwähnt, wo „ziemlich guter Rotwein wächst“, nämlich Limberg (bei Retz). Die Gegend um Limberg war vor der Reblaus-Invasion ein bedeutendes Rotweingebiet. Auch Blumenbach erwähnt 1835, dass die Einwohner von Limberg „guten rothen Wein bauen“.

Schams berichtet 1835 über die Gegend der Thermenregion: „Der Vöslauer rothe Wein ist ein Erzeugnis neuester Zeit und wird immer theurer verkauft als der weiße. Obwohl da auch viel weißer Wein erzeugt wird, so bringt doch die Umgebung von Vöslau bis Baden hin mehr rothe Weine. Der blaue Burgunder und die blaue Portugiesische sind jene vorzugsweise geschätzten Gattungen, aus welchen der dasige rothe Wein gemacht wird. Doch besondere Aufmerksamkeit widmen die dasigen Winzer der blauen Portugiesischen, indem sie selbe so viel als möglich vermehren, in der Ueberzeugung, sie reife auch früher und sei immer tragbarer, als die Burgunder. Man hätte keine glücklichere Wahl in den blauen Traubensorten treffen können …

Der heutige Pinot Noir oder Blauer Burgunder spielte nach Burger in Österreich damals noch kaum eine Rolle. Er kommt eher in Gärten vor, seltener in Weingärten. Etwa ließ Graf Moritz von Fries, der reichste Mann der Monarchie und Sohn von Johann von Fries (Importeur von Reben aus Portugal im Jahre 1770/1772), im Jahre 1812 einen Weingarten mit Pinot Noir (auch Weißer Traminer) in Vöslau anlegen. Generell galt es im Adel als schick, botanische oder vinophile Sammlungen zu besitzen. In Österreich waren es sehr oft Blaue Burgunderreben, denn im Weißweinland Österreich galt es wohl im Adel als besonders exquisit, einen Blauen Burgunderrotwein zu kredenzen. Meistens konnten sich fremdländische Sorten (anderer Klimazonen) nicht bewähren und die alten, eingesessenen Sorten setzten sich durch. Was aber manchmal geblieben ist, sind die fremden Sortennamen bzw. deren Herkunftsname. 

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Das Blatt des Blauen Kölner sticht vor allem durch oftmalige Buchtenzähne hervor. Diese Sorte wurde auch Wandcolumelia genannt und als Spalierrebe gepflanzt. Sie gilt als überaus reichtragend. Der älteste dokumentierte Rebstock der Welt, an einer Hausmauer in Marburg, ist ein Blauer Kölner. Die HBLA Klosterneuburg besitzt Abkömmlinge dieser Rebe Quelle: V. u. C. Kreuzer, Untersteiermark, zwischen 1840 und 1850. Im Auftrag der k.k. Landwirtschaftsgesellschaft der Steiermark fertigten die Brüder Kreuzer ca. 125 Rebsortenbilder an, die der Ampelographie von Trummer 1841 und 1855 beigelegt werden sollten (via Wikimedia Commons)

GÄNSFÜSSER UND BLAUER KÖLNER

Eine der ältesten Rotweinsorten für den deutschsprachigen Raum ist die Rebsorte Gänsfüßer. Diese wurde nach dem Aussehen des Blattes, einem Gänsefuß ähnlich, benannt. Sie wurde schon bei Hieronymus Bock (1539) in Deutschland und bei Johann Rasch (1580) im Österreichischen Weinbuch erwähnt. So schreibt Johann Rasch: „Die Gänsfüß sind zu Essen gut, doch getrunken macht er noch mehr mut.“ Der Gänsfüßer besitzt einen sehr starken, fast baumartigen Wuchs und wurde deshalb oft an Häuserwänden gepflanzt. Später geriet der Gänsfüßer aufgrund seiner minderen Weinqualität in Verruf und wurde nicht mehr gepflanzt oder sogar verboten. Der Gänsfüßer ist nach den heutigen DNA-Rebsortenanalysen von Regner und anderen Genetikern eine der Urstammsorten (Großelternteil) der autochthonen österreichischen Rotweinsorten Blaufränkisch und Blauer Portugieser.

Eine weitere Sorte, die sehr viel an Wänden und in Gärten gezogen wurde, war die von Burger (1837) bezeichnete Wandcolumelia-Traube – in Österreich meist allgemein als (Ordinäre) Schwarze oder in Gumpoldskirchen als Grob-Schwarze bezeichnet. Sie wurde aber nicht nur als Spalierrebe, sondern auch recht häufig als Tafel- und Keltertraube verwendet. Hierbei handelte es sich wohl um die Rebsorte Blauer Kölner (Name stammt möglicherweise vom ungarischen Kökeny = Schlehe ab) – in Niederösterreich Scheibkern (Schaibkürn, von urspr. ung. Scheukurn; ung. Kurn = Horn), in Deutschland Scheuchner genannt. Die älteste noch lebende dokumentierte Rebe der Welt ist ebenfalls ein Blauer Kölner und steht an einer Hauswand in Marburg. Diese spätreifenden und stark tragenden Sorten dürften Überbleibsel aus der klimatisch wärmeren Phase der römischen Zeit oder des Spätmittelalters sein, als „südländischere“ Sorten in nördlichere Regionen wanderten.

Anmerkung der Redaktion: Das Werk „Historia Franconia“ von Johannes Friedberger umfasst mehr als 70 Seiten. Der Autor stellt erfreulicherweise das Originalmanuskript dem Weinbauverband frei zur Verfügung. Sie finden es hier.

Der Autor

Ing. Johannes Friedberger, Fachlehrer HBLA und BA für Wein- und Obstbau Klosterneuburg sowie Winzer in Bisamberg

E-Mail: johannes.friedberger@weinobst.at