Corona-Zeiten

Weinbaupraxis und Rückkehr aus Neuseeland

Ein Artikel von Lukas Rohrer | 05.05.2020 - 09:47
Rohrer_NZE_Weinpresse.jpg

Die Weinpressen am neuseeländischen Weingut Seifried Estate waren eine Spur größer als zuhause… © L. Rohrer

Bei der Anreise nach Neuseeland Ende Februar waren die Einschränkungen noch kaum zu spüren. Das Land der Kiwis hatte bei der Ankunft am 5. März 2020 weniger als zehn Corona-Fälle zu verzeichnen. Beim Arbeitsstart am Weingut Seifried Estate drehte sich alles nur um die anstehende Lese und der 22-Jährige Praktikant arbeitete in den Weingärten.
Nach wenigen Tagen begann einerseits in Neuseeland die Lese, andererseits wurde in Europa das öffentliche Leben eingestellt. Die Neuseeländer „am anderen Ende der Welt“ beobachteten die Lage und fühlten sich nicht betroffen. Der Jungwinzer kam beim Pressen in der Kellerarbeit zum Einsatz und unternahm Wochenendausflüge.

Ab Mitte März ging es dann aber Schlag auf Schlag. Die lange gebuchten Heimflüge über Australien und China wurden nacheinander von den Fluglinien ersatzlos gestrichen. Der Aufruf des Außenministers Schallenberg erreichte den Boku-Studenten: „Wir rufen dazu auf, nach Österreich zurückzukehren, solange noch Rückreisemöglichkeiten bestehen.“ Der junge Weinbauer setzte auf Abwarten und meldete sich vorerst nicht.

Rohrer_NZE_Lesemaschinen.jpg

In der Corona-Krise erfolgte die Ernte mit drei Lesemaschinen © L. Rohrer

Weinlese im Schicht-Betrieb
Auch in Neuseeland kam es zu Steigerungen bei den bestätigten Corona-Fällen und so wurden auch hier strenge Ausgangsbeschränkungen verhängt. Mittlerweile mit etwas Unbehagen arbeitete Lukas bei der nun schon voll laufenden Weinlese weiter. Diese wurde auf Zwei-Schicht-Betrieb von frühmorgens bis spätabends umgestellt, da man fürchtete, dass wegen Corona die Arbeitskräfte abgezogen werden oder es zu einem vollständigen Stillstand kommen könnte.
Es stand fest, dass mit dem Ende der Weinlese alle Arbeitskräfte das Weingut verlassen mussten. Der Österreicher erkundigte sich deshalb nach Arbeitsmöglichkeiten – Kiwi-Ernte oder Milchviehbetrieb waren die aussichtsreichsten Ideen. Bei den anderen Alternativen – „Reisen“ bzw. „auf eigene Faust Heimkehren“ – schien die Gefahr zu groß, dass man irgendwo „strandete“. Er registrierte sich auch bei der österreichischen Botschaft.

Emotionsgeladener Heimflug
Nach zwei Wochen kündigte das Außenministerium in Zusammenarbeit mit Austrian Airlines für Gründonnerstag einen Heimflug aus Neuseeland an. Am Dienstag in der Karwoche konnte „Seifried Estate“ die Weinlese abschließen und man sagte zu, während der Ausgangssperre – und dem Fehlen von öffentlichen Verkehrsmitteln – Lukas zum Flughafen zu bringen. Er konnte sich für den Flug anmelden und mit zwei Binnenflügen kam er zum AUA-Abflugort.

Die Heimreise war perfekt organisiert und sehr von Emotionen geprägt. Die Crew machte Selfies am neuseeländischen Flughafen, weil die Austrian Airlines noch nie dort waren. Die erste Durchsage des Piloten nach Schließen der Türen lautete: „Sie befinden sich hiermit auf österreichischem Hoheitsgebiet. Willkommen daheim!“ Alle applaudierten, die fast 300 Passagiere und die Crew waren eine Gemeinschaft. Beim Abflug von Auckland wurde „I am from Austria“ gespielt und mitgesungen.
Nach 28 Stunden im Flieger – aufgrund der Corona-Bestimmungen durfte das Flugzeug bei den Zwischenlandungen nicht verlassen werden – erreichte die bis auf den letzten Platz gefüllte Boeing den Flughafen Wien. Das Aussteigen war noch mühsam, weil nur 20 Personen gleichzeitig das Flugzeug verlassen durften. Lukas Rohrer wartete von der letzten Reihe aus eine lange Stunde – dann war seine spektakuläre Reise zu Ende.

Der Autor
Lukas Rohrer, Weinbaufacharbeiter und Winzer in Schalladorf, Niederösterreich. E-Mail: lukas@rohrer.or.at