SEKTHERSTELLUNG UND SEKTPYRAMIDE

Worauf es beim Spitzensekt ankommt

Ein Artikel von DI Walter Kaltzin | 01.10.2019 - 09:32

Mit der Nordautobahn A5 geht es von Wien zügig in den Norden des Weinviertels. Noch bevor es die Verlängerung der Autobahn gab, stellte Poysdorf ein Nadelöhr und einen Stau-Hotspot dar. Heute ist Ruhe in die Stadt eingekehrt. Anfangs zu viel Ruhe, die sich in einer geringeren Kundenfrequenz niederschlug, berichtete Bürgermeister Thomas Grießl bei der Begrüßung der Journalistenrunde. Die Situation habe sich im Bereich des Tourismus aber gebessert: „Egal, ob Kellergassenführungen, Traktorrundfahrten, Wein- und Sektausstellungen oder Weingartenwanderungen, bei allen Angeboten verzeichnen wir einen Besucheranstieg mit zweistelligen Zuwachsraten“, erklärte Susanne Derler, Geschäftsführerin des Poysdorfer Tourismusbüros „Vino Versum“.

Die Entwicklung sei auch im örtlichen Weinmarkt spürbar, Leiter René Willmann dazu: „Mittlerweile profitieren wir verstärkt vom Tourismus.“ In der Vinothek, die Themenbars bietet, kann man die besten Weine von 30 Winzern aus Poysdorf verkosten und zu Ab-Hof-Preisen erwerben. Poysdorf gilt als Sekthauptstadt Österreichs, schließlich stammen etwa drei Viertel der Grundweine der österreichischen Sekthersteller aus dem nordöstlichen Weinviertel. Vergleiche mit der Champagne sind hier durchaus erwünscht.

Kellergassen und Sekt

Im Beisein von Sektbotschafter und Gault&Millau-Herausgeber Karl Hohenlohe sowie der Spitze des Österreichischen Sektkomitees ging es per Traktor und Anhänger vorbei an vielen Kellergassen nach Kleinhadersdorf, einem Ortsteil von Poysdorf. In den Rieden eines Chardonnay-Weingartens übernahm Winzer und Sektmacher Max Riegelhofer vom gleichnamigen Weingut die fachlichen Ausführungen. Die leichte Nordlage hier sei kein Nachteil bei der Produktion des Sektgrundweins, der für eine Große Reserve vorgesehen sei. Ganz im Gegenteil: Ziel sei ein ausgewogenes Zucker-Säure-Verhältnis, wobei es heutzutage besonders wichtig wäre, die Säure und den pH-Wert im Auge zu behalten. Ertragsreduktion, freigestellte Trauben zur Gesunderhaltung, eine Begrünung, damit die Rebe mehr in die Tiefe gehe und zur besseren Befahrbarkeit (Pflanzenschutz), sind der Standard auf dem Level der Großen Reserve.

Weitere Details zur Verarbeitung brachte Stefan Obritzhauser, Kellermeister der Sektkellerei Schlumberger, näher. Die angepeilte Reife von rund 17°KMW führe zu einem Alkoholgehalt von knapp über 11%Vol., nach der zweiten Gärung liege man bei 12,3 bis 12,5%Vol. Maischestandzeit gebe es nur in schwächeren Jahren, der Biologische Säureabbau sei mittlerweile fast schon zum Standard geworden. Vorgaben für die Große Reserve: Handlese, niedrige Schütthöhe in den Leseboxen, maximale Ausbeute beim (Ganztrauben-)Pressen mit der Korb- oder Pneumatikpresse (Drehen verboten!) von 50% und mindestens 30 Monate Lagerung auf der Hefe.

Dass die Grundweine von Schlumberger eine perfekte Basis für die traditionelle Flaschengärung bieten, liegt auch an einer schonenden Verarbeitung der Trauben. Max Riegelhofer, der für Schlumberger viele der Grundweine produziert, hat in große Kühlaggregate investiert, die für rasche Abkühlung der Moste sorgen. Damit könne der Schwefeleinsatz deutlich minimiert werden. Die Verarbeitungsanlagen sind auf dem letzten technischen Stand, die Produktion läuft nach einem zertifizierten Prozess.

Sektpyramide bestiegen

Den Abschluss der Sekttour bot eine kleine Querschnittsverkostung in der Sektwelt Riegelhofer. Hier präsentierte Mag. Benedikt Zacherl, Geschäftsführer des Sektkomitees, zur degustatorischen Vertiefung thematisch gruppierte Sekte entlang der Österreichischen Sektpyramide (Klassik, Reserve, Große Reserve). Der Fokus lag dabei auf Herstellern im näheren Radius von Poysdorf, wie Graf Hardegg, Christina Hugl, Kattus, Schlumberger und Weingut Zuschmann-Schöffmann. Es offenbarten sich durchaus Unterschiede im Ausbaustil (Sorten, Hefeausprägung, Holzeinsatz etc.) wie auch in der Preisgestaltung.

Fazit

So wie der österreichische Wein hat auch der heimische Sekt in jüngster Zeit einen beachtlichen Niveauschub erfahren. „Österreichs Produzenten erzeugen heute Sekt in einer solchen Qualität, die vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre“, betonte Herbert Jagersberger, Vorsitzender des Österreichischen Sektkomitees sowie Vorstand der Sektkellerei Schlumberger. Die Produktion habe sich grundlegend verändert. Im Gegensatz zu früher gäbe es Produktionsverträge mit vielen Vorgaben und laufenden Vorort-Kontrollen. Sogar der Erntetermin wird kurzfristig vorgeschrieben.

Derzeit widmen sich in Österreich mehr als 100 Betriebe der Herstellung von Sekt und Schaumwein. Mehr als 2.000 Betriebe sind als Lieferanten der Rohstoffe Trauben oder Most tätig. Die wirtschaftliche Bedeutung des Sektors unterstreichen noch weitere Kennzahlen: 2018 wurden in Österreich im Handel und in der Gastronomie rund 22 Mio. Flaschen Sekt aus inländischer Erzeugung verkauft. Die österreichische Sektbranche erzielt einen Jahresumsatz von rund 55 Mio. Euro und sichert damit rund 1.300 Arbeitsplätze. Der Wermutstropfen: Einen Dämpfer versetzte der Branche die Wiedereinführung der Sektsteuer im Jahr 2014, nachdem sie 2005 abgeschafft wurde und Frizzante-Produkte ausgenommen sind. Die Sektsteuer trifft vor allem das untere Preissegment und wird in der Branche als massiv wettbewerbsverzerrend angesehen.

Noch eine letzte Besonderheit in Zahlen gegossen: Vom Tag des österreichischen Sekts am 22. Oktober bis zum Jahresende werden üblicherweise 45% der Jahresmenge an Sekt konsumiert. #