14742782646770.jpg

Seit 50 Jahren verfügt die Steiermark in Haidegg (Stadtrand Graz) über eine eigene Versuchsanlage für den Obst- und Weinbau

50 Jahre Versuchsstation Haidegg

Ein Artikel von red. | 24.09.2016 - 08:09

„Haidegg“ gilt als Synonym für Innovation in der steirischen Obst- und Weinbauwirtschaft. Der Bogen an Aufgaben, der das beschleunigte Innovationsgeschehen im Obst- und Weinbau, in der Obstverarbeitung und Keller­wirtschaft sowie in der Lagerungstechnik abbildet, ist heute weit gespannt. Aktuell befinden sich rund 300 Obstsorten in Überprüfung und 30 Rebsorten werden auf Herz und Nieren getestet.

Die Anfänge

Im Jahr 1966 setzte man die Idee von einer eigenen Versuchsobstanlage in der Steiermark, welche die Bauern auf wissenschaftlicher Seite in der ­alltäglichen Arbeit unterstützt, in die Tat um. Mit dem Aufbau wurde der Leiter der Landwirtschaftlichen Fachschule Haidegg, Franz Strempfl, beauftragt. Man startete auf eigenen Versuchsflächen mit den Obstsorten Apfel, Pfirsich, Kirsche und Holunder.

Anfang der 1970er Jahre wurde das Sortiment auf neu gepachteten Versuchsflächen in Hitzendorf und Hofstätten bei Gleisdorf um Birnen, Mostobst, Ribisel und Zwetschken ­erweitert.

Weinbau-Forschung Haidegg

Im Jahr 1974 wurde die Versuchs­tätigkeit im Weinbau aufgenommen – mit einer Schilchertypen-Sichtung in Hitzendorf. Das Ziel, für den steirischen Weinbau gesundes und typisches Vermehrungsgut zu sichern, führte zu einer Ausweitung der Forschungen. Versuchsserien zur Sektherstellung zeigten schon 1979, dass steirischer Welschriesling und Schilcher als Grundwein für die Sektherstellung hervorragend geeignet sind. 
  Die Beobachtungen über die 22 gefundenen Blauer-Wildbacher-Selektionen wurden 1980 publiziert und für den Schilcher „brachen neue Zeiten an“. 
  1982 war das Jahr für den Bereich Weinbau. Die ersten Versuchspflanzungen nahm man in Glanz an der Weinstraße vor. 62 Welschriesling-, 12 Muskatsylvaner- (Sauvignon blanc) und 11 Muskateller-Selektionen wurden auf der Unterlage Kober 5BB ausgepflanzt. 
  Der neue Weinkeller wurde 1983 fertiggestellt und die ersten vollautomatischen Wetterstationen in Betrieb genommen. In Glanz kam es zur Neupflanzung von 29 Rebenneuzüchtungen. Klone der Sorten Weißburgunder, Ruländer, Rheinriesling, Traminer, Welschriesling, Sylvaner und Müller-Thurgau kamen 1987 hinzu. 
  Am 23. Mai 1993 übernahm Wolfgang Renner das Amt des Weinbau­referenten. Seine Hauptaufgaben in der Arbeitsplatzbeschreibung lauteten wie folgt: Selektionszüchtung, Weinbau- und Kellerwirtschaftsver­suche. 
  Nach dem EU-Beitritt Österreichs 1995 wurde der Fachbereich Weinbau wurde mit dem Vollzug des Rebenverkehrsgesetzes beauftragt. Nach der Zusammenführung der drei Versuchseinrichtungen des Landes zum Landwirtschaftlichen Versuchszentrum 1996 übernahm Leonhard Steinbauer die Leitung von Haidegg. 

Im neuen Jahrtausend

Im Jahr 2001 entstand die Vorstufenanlage bei Rebklonen in Hitzendorf. Dort wurden 2.150 Elitestöcke der Sorten Welschriesling, Blauer Wildbacher, Sauvignon blanc, Weißburgunder, Morillon, Traminer und Muskateller unter Hagelnetzen ausgepflanzt, damit den steirischen Rebschulen Elitematerial für die Erstellung von Basisanlagen zur Verfügung stehen konnte. 
  Die Mikrovinifikation wurde 2003 mit 60 automatisierten Kühlstellen neu ausgestattet. Speziell für den Ausbau der verschiedenen Rebklone war diese Investition von großer Bedeutung, da dadurch die Qualität der mikro­vinifizierten Weine nochmals gesteigert werden konnte. Bei einer Versuchsweinverkostung am LFZ Klosterneuburg waren die Haidegger Versuchsweine in jeder Serie positiv aufgefallen. 
  Die ersten neun Haidegger Rebklone der Sorten Blauer Wildbacher, Sauvignon blanc und Welschriesling sind 2005 amtlich anerkannt worden. Im Jahr 2007 wurde die Versuchsstation Obst- und Weinbau Haidegg als ­Versuchseinrichtung gem. § 5 des Pflanzenschutzmittelgesetzes 1997 anerkannt und war von nun an in der Lage, GEP-Pflanzenschutzversuche (GEP = Gute Experimentelle Praxis) durchzuführen. 

Erfolgsgeschichte Haidegger Rebklone

Bereits 22 Haidegger Rebklone wurden 2011 im amtlichen Rebsorten­verzeichnis aufgelistet. Im Jahr 2013 wurden für die GEP-Versuchstätigkeit im Weinbau Versuchsquartiere mit den Sorten Müller-Thurgau und Sämling 88 angelegt. Auf Grund der klimatischen Bedingungen in der Steiermark sollen vor allem Versuche zur Botrytis- und Peronosporabekämpfung durchgeführt werden. Nun waren bereits 24 Haidegger Rebklone der steirischen Hauptsorten amtlich anerkannt. 
  Ein Versuchswein aus der Mikro­vinifikation des Jahrgangs 2013, der Sorte Muscaris, gewann den internationalen PIWI-Preis (PIWI = pilzwiderstandsfähige Rebsorten) in Freiburg in Deutschland. 
  Die Haidegger Rebklone waren immer stärker nachgefragt und im Jahr 2014 wurden 328.800 Augen abge­geben. Auf dem Dach des Obstlagers wurde eine Photovoltaikanlage installiert, deren produzierte Energie zu 95% am Standort verbraucht wird. In der Saison 2015/2016 gab es einen neuen Rekord bei der Edelreiser­abgabe im Weinbau: 420.870 Augen! 

Zum Schluss

Insgesamt hat die Landeseinrichtung heute 15 Mitarbeiter. Leonhard Steinbauer, der Haidegg seit 1996 leitet, betont: „Stolz sind wir auf unseren Genpool. Schon von Beginn an wurde großer Wert auf die Erhaltung alter steirischer Apfel- und Birnensorten gelegt. Für die Zukunft würde ich mir wünschen, dass sich die Menschen wieder mehr mit ihrer Ernährung beschäftigten. Frischobst wird immer und überall empfohlen, aber der Trend geht leider hin zu Smoothies, die oft mit frischem Obst nicht mehr viel zu tun haben.“
  Das 50-Jahr-Jubiläum wurde am 17. September im Rahmen eines Fes­tes mit Fachvortrag gefeiert.