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Trotz Badewetter folgten zahlreiche Winzer der Einladung des LFZ zur 3. Hefetagung in Klosterneuburg

Jedem Wein seine Hefe

Ein Artikel von Rea Maria Hall | 09.09.2011 - 09:11
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Trotz Badewetter folgten zahlreiche Winzer der Einladung des LFZ zur 3. Hefetagung in Klosterneuburg

Obwohl Weinhefen in der Natur überall dort auftreten, wo auch Zuckerlösungen vorkommen, bedarf die Auswahl und Aufzucht der richtigen Hefe – egal ob Reinzucht- oder Wildhefe – großer Sorgfalt, denn die kleinen Helfer sind nicht nur sensibel, sondern sind, abhängig von den Gärbedingungen, stets für oft unerfreuliche Überraschungen gut. Getragen wird das durch die Tatsache, dass zahlreiche Wirkungsweisen der Hefen noch gar nicht erforscht wurden. Wenig Wunder, dass sowohl in heimischen als auch internationalen Forschungslabors die Räder auf Hochtouren laufen um weitere Geheimnisse der Hefen zu lüften. Über den aktuellen Stand der Wissenschaft informierten zahlreiche Experten von namhaften Firmen wie Erbslöh, Wissenschafter des LFZ Klosterneuburg sowie internationale Gäste, die am 25. August unter der Leitung von Dr. Karin Mandl über die Bühne ging. Neben der Präsentation der neuesten Erkenntnisse aus den Bereichen Biochemie und Genetik gaben einige der insgesamt 20 Vortragenden auch wertvolle Tipps für die Praxis oder informierten über mögliche zukünftige Potenziale, die der Einsatz spezifischer Hefen mit sich bringen.

Die Highlights im Überblick

Hefestress: Wann stellt die Hefe ihre Vermehrung ein?
Stressbedingungen können die Vermehrung der Hefe, also ihre Tätigkeit stark beeinflussen, was natürlich auch das Endprodukt, den Wein, maßgeblich beeinflussen kann. Doch nicht alle Hefen haben die selben, optimalen Lebensbedingungen, weshalb im Keller auch Individualität gefragt ist. In einem Versuch teste Elisabeth Rathbauer von der Universität von Bodenkultur wie sich unterschiedliche Gärtemperaturen und Zuckerkonzentrationen auf 10 verschiedene Reinzuchthefestämme, aber auch auf Wildhefen auswirken. Bei Letzteren wurde auch eine Versuchsreihe durchgeführt, bei denen die Auswirkungen verschiedener Alkoholkonzentrationen getestet wurden.
Die Bedingungen: Getestet wurden die Hefen in 1 l sterilem Most mit Gärtemperaturen bei
• Temperaturen: 10, 15 und 20 °C.
• Zucker: 25, 50 und 75 g/l (Ansatz mit Wein 13,5 %Vol. sterilisiert; Aufzuckerung mit Fructose und Glucose im Verhältnis 5:1
• Alkohol: Zusatz von 96 %Vol. Ethanol

Die Erkenntnisse bei Reinzucht­hefen: Sämtliche kommerzielle Hefen zeigen gute Gärleistungen im gemäßigten Kältebereich bei 15 bei 20 °C. Bei 10 °C ist der Stress allerdings so groß, dass erst nach 2 bis 3 Wochen Gäraktivitäten feststellbar sind.

Noch signifikanter wird die Angärphase bei zu hoher Zuckerkonzentration auf 5 bis 6 Wochen verlängert. Allein 25 g/l Zucker können von allen Hefen noch relativ gut abgebaut werden. Jedoch werden die Fructose-Werte deutlich erhöht.

Die Erkenntnisse bei Wildhefen: Während die Ergebnisse bei den Reinzuchthefen nahezu bei allen getesteten Hefen ähnlich waren, zeigten die Wildhefen deutlich Unterschiede in ihrer Reaktion auf Stress. Generell kann aber gesagt werden, dass der größte limitierende Faktor niedrige Temperaturen sind. Schon bei 20 °C zeigen nur Saccharomyces cerevisiae und Saccharomyces bayanus noch sehr gute Gärleistungen. Dazu ist zu sagen, dass es sich hier um eine wilde S. cerevisiae handelt, die weder auf ihre Gärfähigkeit überprüft wurde, noch hochgezüchtet wurde. Überraschend war, dass diese Saccharomyces cerevisiae speziell gegenüber Alkoholstress besonders immun war: Sie war die einzige, die die Gärung nach rund einer Woche abgeschlossen hat, während die anderen erst nach zwei Wochen ihre Aktivität begonnen hatten.

Simulierte Spontangärung mit Mischhefe-Präparaten
Der Agrarbiologe J. V. Herrmann von der Bayrischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau beschäftigt sich seit langem mit der Idee aus Wildhefen Trockenreinzuchthefen herzustellen. Der Gedanke dahinter: Gemessen an der Wildflora (Pilz, Bakterien, Hefen) eines typischen Weingartens, beläuft sich der Anteil, der für die Spontangärung so wichtigen Saccharomyces cerevisiae auf nur 1 %. Deshalb setzen viele Winzer auf technisch hergestellte Trockenreinzuchthefen, die konkurrenzfähig, reintönig, sortentypisch und vor allem reproduzierbar sind. Großer Nachteil dabei: Die Weine werden uniform.

Die ersten Ergebnisse des Versuchs selektierte Wildhefen als Trockenreinzuchthefen herzurichten waren vielversprechend. Der Versuchswein, ein Müller-Thurgau zeigte teilweise neue Aromen wie z. B. den Geschmack von Birnen. Zudem konnte die flüchtige Säure bei einigen Präparaten stark reduziert werden.

Hefenährstoffe: Auf den Inhalt kommt es an
Was den Winzer interessiert und was die Hefe braucht, sind auf zwei paar Schuhe. „In der Weinproduktion achtet man vor allem auf KMW, ph-Wert und Säure, jedoch sagen diese Messgrößen nichts über den Zustand der Hefe bzw. über die benötigten Hefe­nährstoffe aus“, weiß Ilona Schneider von der Firma Begerow. Speziell das oft eingesetzte Gärsalz (DAP) sorgt zwar für einen schnelleren Gärstart, jedoch kann es einen höheren Schwefelbedarf und eine ­erhöhte Freisetzung von negativen Schwefel-Verbindungen mit sich bringen. Die Folge können unerwünschte Aromen (Kohl, Kraut, Spargel), ein seifiger Geschmack sowie Vordergründigkeit und Kurzlebigkeit der Weine sein. „Die Hefen werden fett, nicht fit. Sie haben zu wenig Nährstoffe, weshalb die Absterbe­phase der Hefe beschleunigt wird“, weiß Schneider.

Deshalb wurden in Versuchen die Auswirkungen von Komplexnährstoffen wie Aminosäuren, Sterolen, Vitaminen und Lipiden auf Hefen ­getestet, die die „Hefen fit machen sollen“.

Die Ergebnisse:
• Die Zellaktivität und Zellstabilität kann durch den Einsatz von Komplexnährstoffen deutlich erhöht werden
• geringerer Einsatz von Schwefel notwendig
• Die Bildung von Gäraromen, die Sensorik und die Rebsortentypizität konnten verbessert werden
• geringere Bildung von reduktiven Noten
• hohe Endvergärung besonders bei hohem Alkoholgehalt aufgrund robusterer Hefen

Biologischer Säureabbau: Wie zuverlässig sind Starter­kulturen wirklich?
Obwohl Bakterien ein bedeutendes Stilmittel in der Önologie sind (Harmonie, Komplexität, Fülle, Verringerung des SO2-Bedarfs etc.) können bei der Vergärung – speziell durch Essigsäure- und Milchsäurebakterien – unerwünschte Nebeneffekte entstehen.

J. V. Herrmann von der Bayrischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau gab einen Überblick über die möglichen Auswirkungen.

Speziell beim Abbau der Äpfelsäure und Aminosäuren durch Milchsäurebakterien können zahlreiche Aromen entstehen, die vorteilhaft oder sogar negativ sein können. Das Spektrum reicht von Honig-Aromen, buttrig-nussig bis hin zu Sauerkraut-, Gummi- oder Essigaromen.

Auch Citrat kann von der Bakterienflora spontan vergärt werden, wodurch störende Aromen erzeugt werden können. In einem Versuch wurde gezeigt, dass es hier vor allem auf die Konstitution der Bakterien ankommt, denn diese entscheidet über die Vermehrungsintensität und somit über die Abbauaktivitäten. Selbst bei optimalen Bedingungen können bei verschiedenen Bakterien-Präparaten sensorische und analytische „Nebenwirkungen“ entstehen, wobei die verschiedenen Präparate teilweise auch extreme Unterschiede zeigen. Ein wichtiger Einflussfaktor sind dabei auch Begleit-Bakterien, die im Keller natürlich vorkommen. Beispielsweise ist der unerwünschte Citrat-Abbau zum Teil nicht nur vom eingesetzten Bakterienstamm, sondern vor allem von der Kellerflora abhängig. Gezeigt wurde zudem, dass eine Simultanbeimpfung von Hefe und Bakterien nicht ratsam ist, da Bakterien bei anderen Bedingungen zu Höchstleistungen auflaufen als Hefen, weshalb speziell Weißweine acetisch wirken und Lackaromen ausbilden können (im Versuch 80 % der getesten Weine).

Weitere Infos und Unterlagen zu den Vorträgen: www.weinobst.at