Just am Veranstaltungstag, dem 7. Februar, gab der Winter im Osten noch ein kräftiges Lebenszeichen von sich. Trotz Schneefalls füllte sich der große Saal der Burgenländischen Landwirtschaftskammer und alle Experten waren sich einig: Der heurige Winter nährt die Gefahr, dass die Reben wieder zu früh in die Vegetation starten. Spätfrost ist damit eindeutig ein Thema der Weinbau- und Obstbaubranche.
Der Klimawandel und seine Folgen
Basis der verschärften Problematik mit Spätfrösten ist der Klimawandel. Mit wissenschaftlichen Belegen untermauerte Ao.Univ.-Prof. Josef Eitzinger, Leiter des Instituts für Meteorologie an der Universität für Bodenkultur in Wien, die Veränderung im Klima. Seit der Industrialisierung und besonders in den letzten Jahrzehnten gebe es einen markanten Anstieg der sogenannten Treibhausgase, die für den Treibhauseffekt verantwortlich seien. Durch die verminderte Wärmeabstrahlung der Erde komme es zur Erwärmung von Land und Wasser. Je nach Region zeigen sich unterschiedliche Effekte und Ausprägungen. Das Problem für die Landwirtschaft in unseren Regionen: Eine massive Erhöhung der Variabilität. Auch früher gab es extreme Ausschläge beim Wetter, doch diese sind heute fast schon zur Regel geworden. Besonders die Zunahme an heißen Jahren in den vergangenen Jahren sei auffällig und besorgniserregend. Auch im Weinbau seien die Auswirkungen deutlich erkennbar: Frühere Reife und damit höhere Zuckergehalte bei gleichzeitig niederen Säurewerten.
Alle nennenswerten Klimaszenarien prognostizieren steigende Jahresmitteltemperaturen in unseren Breiten und damit verbunden eine Zunahme der Spätfrostereignisse sowie generell ein Ansteigen von Extremereignissen. Verbunden mit vermehrten Hitzewellen (und Trockenheit) werde damit auch die Verdunstung enorm zunehmen. Wobei man in Mitteleuropa noch Glück haben könnte und auch eine Zunahme von Niederschlägen im Sommer möglich sei, so zumindest die neuesten Prognosen. Dennoch werde die Sicherstellung der Wasserversorgung eine große Rolle in Zukunft spielen, erklärte Eitzinger.
Neben den Gefahren des Klimawandels sieht Eitzinger aber durchaus auch Chancen: Es könnten in Österreich kühlere Gebiete erschlossen werden, womit der bisher verpönte Nordhang interessant wird. Zudem könne man bei der landwirtschaftlichen Nutzung auch auf höhere Lagen ausweichen. Eine Verschiebung des Sortenspektrums werde sich allerdings nicht vermeiden lassen, so Eitzinger, mit Verweis auf den sogenannten Huglin-Index, ein Wärmesummenindex für Rebsorten.
Maßnahmen zur Schadensminderung
Mit konkreten Temperaturdaten erläuterte Dipl. Päd. Ing. Erhard Kührer von der Weinbauschule Krems die Rahmenbedingen der letzten Schadereignisse. Der Leiter des Rebschutzdienstes Krems gab zudem einen Überblick zu den zahlreichen Versuchen der Schule. Je nach Art des Frostes seien nur bestimmte Maßnahmen erfolgreich. So etwa hätten der Einsatz von Hubschraubern wie auch das Räuchern nur bei klassischen Strahlungsfrösten Sinn. Bei Hubschraubern wirke die Luftverwirbelung nur begrenzte Zeit, wodurch die Gebiete regelmäßig überflogen werden müssen. Weitere Einschränkung: Es darf erst bei Tagesbeginn geflogen werden. „Die Kosten halten sich bei sorgfältiger Planung und Zusammenarbeit mehrerer Winzer in Grenzen“, erklärte Kührer. Im Gegensatz dazu können Frostkerzen höhere Kosten verursachen, besonders wenn es mehrere Frostnächte gibt. Andererseits kann einzelbetrieblich agiert werden.
Als vorteilhaft in Sachen Spätfrostschäden hätte sich der Minimalschnitt im Spalier erwiesen (siehe Der Winzer 12/2017). Eine hohe Trieb- und damit Augenanzahl sowie viel Altholz erhöhen die Chancen, dass ausreichend Augen überleben. Kührer empfahl auch den Einsatz von Frostruten (hilfreich nur bei Strahlungsfrost), in wüchsigen Anlagen könne damit auch das Wachstum gezügelt werden. Wer über ausreichend Wasser verfügt, kann auch auf eine Frostberegnung setzen. Denn beim Gefrieren des Wassers werde Wärme frei, welches die darunter liegenden Augen schütze.
Prävention mit Heizdraht
Eine Innovation aus Deutschland bereichert seit kurzem das Portfolio an Abwehrmaßnahmen. Die deutsche Winzer-Familie Merkle hat ein Heizdraht-System entwickelt, wobei die Bogrebe um ein Aluminiumrohr gewickelt wird, in dem der Heizdraht steckt. Versorgt werde die Heizung mit Strom eines Aggregates oder - so vorhanden – mit einem Hausanschluss. Vater und Sohn Merkle sind vom einfachen System überzeugt, das im Wesentlichen nur einen einmaligen Installationsaufwand erfordere. Sie heben hervor, wie robust und langlebig das System sei. Auf der anderen Seite stehen allerdings Kosten von rund 13.000 €/ha netto und zudem eine aktuelle Einsatzlänge von nur 160 Metern pro Rebzeile. Derzeit laufen noch Optimierungen am System, in Österreich wird die Heizung im Weingut Bründlmayer und an der Kremser Schule getestet.
Austriebsverzögerungen mit Öl
Ganz auf andere Wege in der Schadensminimierung setzt man an der Universität für Bodenkultur. Dort testen Prof. Astrid Forneck und ihr Team Applikationen mit Rapsöl, die zu einer Austriebsverzögerung führen sollen. Nachdem Forneck die physiologischen Grundlagen dazu vermittelte, brachte sie erste Versuchsergebnisse (Details dazu in Der Winzer 01/2018). Eine Verzögerung des Austriebs konnte um ein bis zwei Wochen erreicht werden, ohne dass Reife und Ertrag gelitten hätten.
Die Schwierigkeit des Verfahrens liegt laut Forneck darin, dass die Applikation genau zum Zeitpunkt der Öffnung der Knospenschuppen (=Knospen heben sich) erfolgen müsse. Die Variabilität im Weingarten sowie innerhalb eines Rebstocks erschweren aber dies. Derzeit gebe es auch kein Produkt bzw. Öl, welches für eine derartige Anwendung zugelassen sei. Fazit: Weitere Forschungsaktivitäten seien notwendig, um genaue Empfehlungen aussprechen zu können und auch langfristige negative Folgen auszuschließen.
Erfahrungen in Franken
Auch im Weinbaugebiet Franken spielt die Spätfrostprävention eine große Rolle. Einen Erfahrungsbericht dazu brachte Markus Müller von der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim. An der Versuchsanstalt habe man diverse Wundermittel (Dünge- und Stärkungsmittel) getestet und schnell verworfen. An Räuchern sei in Deutschland wegen der Umweltbelastung nicht zu denken. Empfohlen wird der Schnitt von Frostruten, wogegen Double Pruning zwar den Austrieb ausreichend verzögere, aber in weiterer Folge zu unterschiedlicher Reife der Trauben führe. Keine Alternative sei die deutsche Frostversicherung, weil sie zu teuer sei. Im Gegensatz zu Österreich gebe es keine Subvention seitens des Landes bzw. des Bundes.
Die Erfahrungen mit Geräten, die Luft umwälzen sei unterschiedlich: „SIS“ funktionierte bei den eigenen Versuchen nur in abgegrenzten Mulden, vom heizenden „Frostbuster“ sei eher abzuraten, der „Frostguard“ werde erst getestet. Windräder funktionieren im Prinzip bei nicht zu starken Spätfrösten, seien aber teuer und laut, gab Müller zu bedenken.
Spätfrost werde es immer geben, resümierte der deutsche Experte abschließend. Es gebe kein Standardrezept, sondern je nach Wetter (Strahlungs- oder Strömungsfrost) und Betrieb verschiedene Lösungen. Auf alle Fälle gelte es zu beachten: Die Begrünung im Weingarten unbedingt kurz zu halten und keine Bodenbearbeitungsmaßnahmen kurz vor einem Spätfrostereignis zu tätigen.
Frostversicherung im Weinbau
Im Anschluss wies Richard Fuhrmann von der Österreichischen Hagelversicherung darauf hin, welche Möglichkeiten burgenländische Weinbaubetriebe im Hinblick auf eine Versicherung betreffend Frostschäden haben.
Den Abschluss der Veranstaltung bildete der Präsident des Burgenländischen Obstbauverbandes, Ing. Johann Plemenschits. Er berichtete zum Thema Frostberegnung im Burgenland und stellte einen Blattdünger mit Frostschutzwirkung vor. Eine schützende Wirkung sei bis maximal minus 4 Grad gegeben, so Plemenschits.