Leitartikel 05-2020

Weinlager steigt durch Corona

Ein Artikel von CR Prof. DI Josef Glatt, MBA | 11.05.2020 - 08:54

Zwar gibt es durch die positive Entwicklung – den Rückgang der Infektionszahlen – mit Anfang Mai umfangreiche Lockerungen, doch die für die Winzer wichtigste Lockerung wird erst mit Erscheinen dieser Winzer-Ausgabe am 15. Mai in Kraft treten.

Ab diesem Tag werden die gastronomischen Einrichtungen wieder geöffnet, vor allem Gasthäuser, Restaurants und Heurige. Wie das mit den vorgesehenen Einschränkungen funktionieren und wie sich das auf den Gästeandrang auswirken wird, wird man sehen. Die Umsätze werden sich sicherlich nur langsam entwickeln. Für die Weinwirtschaft wichtig ist jedenfalls, dass der totale Lockdown der Gastro-nomie, sofern bis Mitte Mai nicht noch Unvorhergesehenes passiert, endlich gelockert wird. Bars und ähnliche Einrichtungen, wo ein gewisses Abstandhalten schwer umsetzbar ist, bleiben ja noch länger geschlossen. 

Enorme Absatzeinbußen

Der Absatz- und Umsatzverlust der österreichischen Weinwirtschaft für das heurige Wirtschaftsjahr ist aber Faktum und kann im Laufe des Jahres auch nicht aufgeholt werden. Ohne jetzt auf den Liter festgenagelt zu werden, soll das eine Überschlagsrechnung zeigen: Wir konsumieren in Österreich, zwar Jahr für Jahr leicht rückläufig, aber noch immer rund 240 Mio. Liter Wein pro Jahr. Rund 135 Mio. Liter werden in der Gastronomie bzw. bei sonstigen Außer-Haus-Events getrunken, rund 95 Mio. Liter werden zu Hause konsumiert. Den Rest (rund 10 Mio. Liter) nehmen Touristen mit. Obwohl natürlich während des Lockdowns der Weinkonsum zu Hause steigt – das zeigen uns auch die Umsätze im LEH –, können sie den durch die Gastronomie verursachten Konsumausfall bei weitem nicht wettmachen. Berücksichtigt ist dabei auch noch nicht der Exportrückgang. Denn in den Exportdestinationen sieht es absatzmäßig ja nicht anders aus.

Auch wenn der Weinabsatz in den nächsten ein bis zwei Monaten in der Gastronomie halbwegs wieder in Schwung kommt, muss davon ausgegangen werden, dass der Weinbestand zum Ende des Wirtschaftsjahres doch deutlich steigt. Die schwierige Ausgangssituation für den heurigen Sommertourismus wird diesen Bestandsanstieg wohl ebenfalls eher fördern. Angesichts des hohen Ausgangsbestands am Beginn des heurigen Wirtschaftsjahres (knapp 300 Mio. Liter) keine sehr positive Entwicklung. 

Krisendestillation gefordert

Die Hilfsmaßnahmen der Bundesregierung gelten natürlich auch für die Weinwirtschaft. Sowohl die Härtefonds-Regelung als auch die Corona-Hilfs-Fonds, seien es Kreditgarantien oder Zuschüsse für Betriebsmittel, wurden nach anfänglichen Schwierigkeiten umgesetzt. Die Arbeitskräfteproblematik besteht nach wie vor, sollte sich aber mit dem Abbau der Reisebeschränkungen verbessern. Wichtig ist aber, wie vorhin dargestellt, dass auch von der Weinmenge her Maßnahmen gesetzt werden. Der Europäische Bauernverband, aber auch die meisten weinbautreibenden Weinländer wie auch Österreich sind bereits an die Europäische Kommission mit dem Wunsch herangetreten, Maßnahmen gegen den zu erwartenden Weinlager-Rückstau in Europa zu setzen.

Die geforderten Maßnahmen zielen hauptsächlich auf die Bereitstellung einer Krisendestillation ab. Aber auch eine bessere Dotierung der in den Stützungsprogrammen vorgesehenen Grünlese oder auch Förderungen zur Lagerhaltung von Wein sind Forderungen der Europäischen Weinwirtschaft. Wir werden die diesbezüglichen europäischen Entwicklungen sehr genau beobachten und nach Möglichkeit in Anspruch nehmen. 

CR Prof. DI Josef Glatt, MBA