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Geballte Forschungskompetenz Mitte September im Festsaal der HBLA und BA für Wein- und Obstbau Klosterneuburg anlässlich des Jubiläums „100 Jahre gemeinsame Forschung und Ausbildung am Standort Klosterneuburg“

WISSENSCHAFTLICHE TAGUNG

100 Jahre gemeinsame Forschung und Ausbildung in Klosterneuburg

Ein Artikel von DI Walter Kaltzin | 08.10.2025 - 13:42

Mit einem historischen Abriss begrüßte Direktor Dr. Reinhard Eder zahlreiche Forscher und Lehrpersonal aus den Bereichen Obst- und Weinbau. Seitens des für die Einrichtung zuständigen Ministeriums (BMLUK) übermittelten Mag. Bernhard Bichler und Mag. Christian Kasper Grußworte, bevor der ganztägige Vortragsreigen begann. Vorgetragen wurde gestaffelt nach den Themenbereichen Obstbau, Kellerwirtschaft, Chemie/Mikrobiologie, Obstverarbeitung, Pflanzenschutz, Weinbau und Marketing/Nachhaltigkeit.

Kellerwirtschaft

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Änderungen des Konsumverhaltens haben auch Einfluss auf die Kellerwirtschaft: Prof. Durner stellte plakativ die Weinlese, die Verarbeitung und den Konsum von früher mit heute gegenüber 

Vom Weincampus Neustadt an der Weinstraße beleuchtete Prof. Dominik Durner die Önologie des 21. Jahrhunderts. „Die Welt um uns hat sich verändert, daher sind auch wir gefordert“, strich Durner einleitend die Herausforderungen des gegenwärtigen Weinbaus hervor. Er unterschied zwischen makroökonomischen Faktoren (Klimawandel und Kreislaufwirtschaft) sowie den mikroökonomischen (soziodemografischer Wandel und digitale Revolution) als Rahmenbedingungen. Die Önologie von heute sei mehr als nur die Kellerwirtschaft. Dazu nannte er Beispiele: Wenn die Konsumenten den Wunsch nach mehr Information hegen, so schlage sich das am Etikett nieder. Wer also auf Säurezusatz setzt, muss heute deklarieren. Hier sei die Forschung gefordert. Mit einem Kationentauscher, einem subtraktiven Verfahren, sei keine Kennzeichnung erforderlich. Aber auch wegen des rückläufigen Konsums sei die Kellertechnik gefordert. Der Markt verlange alkoholfreie bzw. alkoholreduzierte Weine, die auch schmecken. Ebenso auf anderer Ebene gebe es Herausforderungen: Der Winemaker sei heute ein Datenmanager, deswegen „brauchen wir ein besseres IT-Management“, forderte Durner. In jedem Wandel stecken aber auch Chancen, die mit innovativen Technologien zu meistern wären.

Dem Thema „Modernes Alkoholmanagement“ widmete sich Prof. Harald Scheiblhofer, Abteilungsleiter Kellerwirtschaft in Klosterneuburg. Scheiblhofer ging einerseits auf die begriffliche Abgrenzung von Alkoholreduktion und Alkoholfrei ein sowie andererseits auf die gesetzlichen und technischen Möglichkeiten (Details dazu in den WINZER-Ausgaben 08/- und 09/2025).

Chemie – Mikrobiologie

Welche Auswirkung der Klimawandel auf die Aromatik der österreichischen Weine hat, stellte Dr. Christian Philipp, HBLA/BA Klosterneuburg, vor. Die Anbaueignung ziehe weiter nach Norden. Damit werde etwa Schweden immer mehr zu einem ernsthaften Weinbauland. Im Speziellen widmete sich Philipp den Leitaromen der typisch österreichischen Sorten. Etwa den Methoxyprazinen, den fruchtigen Thiolen, den Monoterpenen und den Sesquiterpenen wie etwa dem Rotundon. Philipp schloss mit dem Fazit: Der Klimawandel verändert unaufhaltsam unsere Aromatik der Weine. Um sie besser zu verstehen bzw. positiv beeinflussen zu können, müsse mehr geforscht werden. Auch an Neuzüchtungen führe kein Weg vorbei.

Nach einem kurzen Rückblick über die Entwicklung der Gärführung stellte Ramon Heidinger vom Staatlichen Weinbauinstitut in Freiburg die Hefepropagation vor. Damit könne Hefe im Keller selbst vermehrt werden, ein wichtiger Punkt in Zeiten des Kostendrucks. Welche Erfahrungen bei den Versuchen in Freiburg gemacht wurden, zeigt ausführlich ein entsprechender Fachartikel in WINZER 08/2025 auf. Die Technik kann vielfältig eingesetzt werden, so können u.a. auch Bakterien vermehrt werden. Heidingers Fazit: Damit lassen sich solche Bioreaktoren verhältnismäßig rasch amortisieren.

Pflanzenschutz

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Die Biotechnologie eröffnet die gezielte Bekämpfung von Krankheiten und Schädlingen: Dr. Maghuly stellte die Möglichkeiten der RNA-Interferenz vor – erste Mittel sind in den USA bereits zugelassen 

Zum Thema "Pflanzenschutz" gab es zwei interessante Vorträge. Dr. Monika Riedle-Bauer von der HBLA und BA Klosterneuburg gab einen Überblick über Phytoplasmosen. Sie sorgen einerseits im Obstbau (Birnenverfall und Steinobstvergilbung) und andererseits im Weinbau (Schwarzholzkrankheit und Goldgelbe Vergilbung) für große Schäden. Eine direkte Bekämpfung sei derzeit nicht möglich, so Riedle-Bauer, im Zuge der Darstellung des aktuellen Stands der Forschung.

Mit Ausführungen zur Bekämpfung von Krankheiten und Schädlingen mittels Doppelstrang-RNAi ließ Dr. Fatemeh Maghuly vom Institut für Molekulare Biotechnologie an der BOKU aufhorchen. Der neuen Technik stehen große Ernteverluste in der Landwirtschaft und ein hoher Pestizideinsatz in der Gegenwart gegenüber. Das neue Verfahren kurz erklärt: Die sogenannte RNA-Interferenz gilt als ein natürlich vorkommender Mechanismus, der in Zellen von Organismen gezielt die Synthese von Proteinen verhindern kann. Damit können etwa Viren, Bakteriosen oder auch Schadinsekten gezielt ausgeschaltet werden. Aktuell kommen erste Anwendungen auf den Markt, die als Alternative zum klassisch chemisch-synthetischen Pflanzenschutz zu sehen sind. So gibt es in den USA bereits zugelassene Produkte, etwa gegen den Kartoffelkäfer oder auch gegen den Traubenmehltau. Als Vorteil des Verfahrens führte Maghuly u.a. die hohe Spezifität an, zudem den schnellen Abbau in der Umwelt und das geringe humantoxikologische Potenzial. Als nachteilig sind die hohen Entwicklungskosten zu nennen. Zulassungen für Europa stehen noch aus, es gibt regulatorische Unsicherheiten – obwohl die Technik nicht der Gentechnik zuzuschreiben sei, so Maghuly.

Weinbau

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Der Weinbau braucht dringend Perspektiven, um für die Herausforderungen des Klimas und des Marktes gewappnet zu sein, betonte der Geisenheim-Professor Manfred Stoll

Nachhaltiger Weinbau, Kostendruck im Pflanzenschutz – beim zukunftsfitten Weinbau spielt die Rebzüchtung eine große Rolle. Der Druck auf neue Sorten spiele dabei der Rebzüchtung zu, erklärte Österreichs oberster Rebzüchter Dr. Ferdinand Regner. Der Fokus liege auf Piwi-Sorten, dazu gab Regner einen Überblick über den Stand der Klosterneuburger Neuzüchtungen Donauriesling, Donauveltliner, Veltloner, Burgerina, Pinot Nova, Rovalny wie auch über eine vielversprechende kernlose Tafeltraube. Doch auch an alten Sorten werde geforscht, um sie zu verbessern. Regner führte die Beispiele Neuburger (Kurzknotigkeit als genetische Degeneration) und Welschriesling (gestörte Magnesium-Aufnahme) an.

Univ.-Prof. Dr. Manfred Stoll gab einleitend einen Überblick über die zahlreichen Herausforderungen, die der Weinbau in Zukunft bewältigen müsse. Dabei spannte er einen weiten Bogen: von den abiotischen Faktoren (Temperatur, Strahlung und Niederschlag) zum Themenbereich Kulturlandschaft, zur Bewirtschaftung, zum Strukturwandel und gesellschaftlichen Diskurs bis hin zum zunehmenden Ertragsrisiko. Im Besonderen ging er auf die "VitiVoltaik" in Geisenheim ein, die sich erfolgreich etabliert habe. Stolls generelles Fazit in Form von Forderungen: Wir brauchen schneller denn je Perspektiven für den Weinbau; wir müssen die Risiken managen lernen und die Resilienz fördern; wir müssen im Sinne der Nachhaltigkeit den CO2- und Wasserverbrauch reduzieren und den Einsatz von Pestiziden und Düngemittel einschränken. Die Flurbereinigung sei als Mehrgewinnstrategie für Weinbau-Landschaften zu sehen. Zu guter Letzt: Das weinbauliche Handwerk verdiene mehr Wertschätzung und einen tieferen regionalen Bezug – aber die größte Herausforderung sei, die Verbraucher (und Vermarkter) mit ins Boot zu nehmen, schloss Stoll.

Mit „Ein Stress kommt selten allein“ betitelte Univ.-Prof. Dr. Astrid Forneck von der BOKU ihren Vortrag zu multiplen Stressfaktoren im Weinbau. Die Folgen einer Kombination von Stressfaktoren errechnen sich nicht durch die Addition der einzelnen Stresse. Vielmehr ergebe sich aufgrund des hochkomplexen Netzwerkes ein hoher Forschungsbedarf – und die Reblaus sei dabei ein Baustein im Stress-Puzzle. Forneck stellte die laufenden und zukünftigen Projekte an der Universität für Bodenkultur vor – mehr dazu im WINZER 10-2025: Multipler Stress durch Klimawandel.

Nachhaltigkeit – Marketing

Im abschließenden Block sprach Claudia Muschau, MA über die nachhaltige Betriebsführung im Wein- und Obstbau sowie Dr. Albert Stöckl, Studiengangsleiter „International WineBusiness“ an der IMC Krems, über die Sicht des Konsumenten auf die Nachhaltigkeit.

Den späten Abschluss dieser Festveranstaltung bildete eine kommentierte Wein- und Obstverkostung.