ROT- UND WEISSWEINE OHNE

Alkoholfrei im Premium-Bereich?

Ein Artikel von DI Walter Kaltzin | 14.12.2023 - 10:40
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Zeronimo Leonis Blend und Zeronimo Sparkling Sauvignon

Kontinuierliches Wachstum auf niedrigem Niveau wäre eine nüchterne Beschreibung des Marktes für entalkoholisierte Weine in Österreich. Ein Blick über die Grenzen nach Deutschland vermittelt da schon eher eine dynamischere Entwicklung. Gar mancher Marktforscher prophezeit dort das Jahrzehnt der alkoholfreien Weine. Deutschland gilt von der Menge her in diesem Segment als führend.

Heute im deutschsprachigen Raum noch eine Nische, prognostiziert etwa das Marktforschungsinstitut IWSR „No und Low Alcohol“ als einen wichtigen Trend, an dem man die nächsten Jahre nicht vorbeikommen werde. Ein stark wachsendes Gesundheitsbewusstsein sowie der steigende Alkoholverzicht der jungen Generation sind wesentliche Treiber dafür. Glaubt man den Einschätzungen des internationalen Marktforschungsunternehmens Fact MR, werden bis 2027 die Umsätze mit alkoholfreiem Wein weltweit auf 9,5 Milliarden Euro steigen. Ob es so weit kommt, wird erst die Zukunft weisen. Tatsache ist: Mittlerweile sorgen prominente Betriebe für Aufsehen am Markt. So etwa bringt das Weingut Mayer am Pfarrplatz erstmals einen alkoholfreien Wein aus Wien auf den Markt. Sogar im schwierigeren roten Segment prescht ein bekannter Winzer (Négociant) vor, der dafür seinen hochbewerteten Premium-Rotwein In Signo Leonis „opfert“.

Eine nüchterne Premiere in Rot aus Neckenmarkt

„Das Thema alkoholfreier Wein beschäftigt uns viele Jahre“, berichtet Katja Bernegger, die das Weingut in Neckenmarkt, Mittelburgenland, gemeinsam mit Partner Patrick Bayer führt. Ausgangspunkt war die damalige Schwangerschaft: „Als ich mich mit alkoholfreien Alternativen auseinandersetzte, stellte ich fest, dass mich insbesondere bei den alkoholfreien Weinen wenig begeisterte. Insbesondere bei den alkoholfreien Rotweinen, die wir aus aller Welt verkosteten, fehlten neben Tiefgang, Aromavielfalt und Weincharakter auch Tannine und Gerbstoffe.“ Schnell kam die Frage auf: Geht es überhaupt besser? „Wir beschlossen, es selbst zu versuchen”, fährt Patrick Bayer fort. „Wir nahmen unsere beste Rotwein-Cuvée und entalkoholisierten sie in einem Probedurchgang. Die Devise lautete: Wenn 95-Falstaff-Punkte alkoholfrei nicht schmecken, dann kann schlichtweg einfach nichts schmecken.“

Die Basis dieser ersten Kreation bildete die bekannte Rotwein-Cuvée In Signo Leonis, die seit über 20 Jahren zu den besten Rotweinen Österreichs zählt. Um die vielschichtigen Aromen dieses hochwertigen Rotweins zu erhalten, entschied man sich zu einem aromaschonenden Entalkoholisierungs-Verfahren, der Vakuumdestillation mit Aromarückgewinnung. Die Tatsache, einen alkoholfreien Wein aus einem bereits bestehenden Premium-Rotwein zu schaffen, ist dabei ebenso einzigartig wie der Fokus ausschließlich auf den Premiumbereich. Das Ergebnis war vielversprechend und im Hause Bayer wurde weitergetüftelt. Nun hält man bei den Bayers die ersten Flaschen von „Zeronimo Leonis Blend“ in Händen und ist überzeugt: „So wie bei Wein generell, braucht es vor allem bei alkoholfreien Weinen eine hohe Qualität des Grundweins. So kann dieser trotz Alkoholentzug gut schmecken, hat ausreichend Körper und Spannungsbogen.“ Und nebenbei bemerken sie: „Ganz zu schweigen von den zusätzlichen positiven Effekten, die alkoholfreier Rotwein aufgrund des Resveratrolgehalts auf unseren Körper hat.“

Zeronimo Leonis Blend aus dem Jahrgang 2020 spricht das Premiumsegment an: 18,90€ kostet die Halbflasche (0,375l). Der Wein ist eine Cuvée aus Trauben von Blaufränkisch, Zweigelt und Cabernet Sauvignon aus sehr alten Rebkulturen des Neckenmarkter Hochbergs, ausgebaut 24 Monate in neuen französischen Barriques.

Und wie mundet er? Eines vorweg: Bei alkoholfreien Weinen gilt es, andere Maßstäbe anzusetzen, ansonsten drohen Enttäuschungen. Der Alkohol als Geschmacksträger fehlt, was besonders bei Rotweinen als große Herausforderung gilt. Doch der rote Zeronimo überrascht. Zuerst mit der feinröstigen, kirschfruchtigen Nase. Dann mit einer guten Länge. Die Tannine zeigen sich von der zartherben Seite, im Hintergrund ein feiner Säurebogen, der für Lebendigkeit sorgt. Im Grunde ein dichtes Geschmackserlebnis, das zwar noch ansatzweise an einen (sehr komplexen) Traubensaft erinnert, aber genauso vielschichtige Facetten eines Rotweines mitbringt. Keine Frage, sicher einer der besten und spannendsten Rotweine im alkoholfreien Segment, auch aus internationaler Sicht. Das sehen auch andere so: Im Rahmen eines großen Herbst-Specials von „wein.pur“ zum Thema alkoholfreie (und leichte) Weine wurde der Zeronimo Leonis Blend zum Sieger gekürt. Die Redaktion spricht sogar von einem sensorisch perfekten Wein und resümiert: „Der Wein zeigt, wohin die Reise bei alkoholfreien Alternativen gehen kann.“ Und das vegan, kalorien- und zuckerarm. An Zucker sind es nur 1,8g, weit weniger als der Durchschnitt alkoholfreier Weine, der Alkoholgehalt liegt bei 0,2%. 

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Leicht, frisch & fruchtig: Weingut Mayer am Pfarrplatz bringt seinen ersten alkoholfreien Wein auf den Markt © WG Mayer am Pfarrplatz / Jansenberger Fotografie

Hoher Gesundheitsfaktor: Dass sich durch die beinahe komplette Entfernung des Alkoholes der gesundheitliche Wert des Produktes erhöht, liegt auf der Hand. Dr. Herbert Braunöck von der Initiative „Wein & Gesund“ hat sich den gesundheitsfördernden Phenolen und Histamin angenommen. Das Ergebnis der Analysen: Die Phenole haben um 15% zugelegt, die Histamine um rund 20% abgenommen.

Nach dem Launch des Rotweins bekam die Familie Ende August mit dem „Zeronimo Sparkling Sauvignon“ Familienzuwachs: einen alkoholfreien Schaumwein um 19,40€. Und hier zeigt sich alkoholfrei von seiner besten Seite. Eine äußerst klare und frische Citrus-geprägte Nase mit feinen Steinobst-Anklängen – wirkt am Gaumen sehr saftig und verführerisch trotz eines wieder sehr niedrigen Zuckergehalts von 1,8g/l. Kommt dem Original eines klassischen, schlanken Sektes schon sehr nahe. Hoher Spaßfaktor!

alkoholfrei in Weiss aus Wien

Wir bleiben in Österreich. Auch das Traditionsweingut Mayer am Pfarrplatz lässt mit einer alkoholfreien Innovation aufhorchen. Nach zwei Jahren intensiver Recherche und großteils überraschend positivem Feedback von befreundeten Konsumenten entschied sich Geschäftsführer Gerhard Lobner, einen entalkoholisierten Wein auf den Markt zu bringen. „Wir sollten dieses Marktsegment nicht den großen Konzernen überlassen“, gibt Lobner zu bedenken. Auch wenn bezeichnungsrechtlich nicht der Gemischte Satz angeführt werden darf, sollte das Wiener Sorten-Aushängeschild für das Erstlingswerk verwendet werden. Das Ergebnis ist ein erfrischender und fruchtiger Wein mit den klassischen Attributen eines alkoholfreien Weines (0,3% Alk., 10€ für die 0,75-l-Flasche). Geht es nach Lobner, wird es bald auch andere Sorten in alkoholfreier Ausführung geben.

Kleines Fazit

Das Geschmacksprofil von entalkoholisierten Weinen war bislang für den klassischen Weinkonsumenten ungewöhnlich und meistens keine Genuss-Alternative. Mit der neuen Generation an Premiumweinen wird der Kundenkreis sicher größer. Hauptstoßrichtung sind aber ohnehin jene Konsumenten, die bislang mit Wein wenig am Hut haben bzw. ihn sogar konsequent ablehnen. Er könnte den allgemeinen Konsumrückgang beim Wein aufgrund der Gesundheitswelle wieder wettmachen und vollkommen neue Marktsegmente erschließen.

Wer entalkoholisiert – die gesetzliche Obergrenze liegt bei 0,5% – dem muss klar sein: Es gibt Mengenverluste im Bereich von bis zu 20% und nennenswerte Mindestmengen bei der Produktion zu berücksichtigen. Und: Aus mikrobiologischer Sicht heißt es, vorsichtig zu agieren. Gute alkoholfreie Weine gibt es nur aus bestem Ausgangsmaterial. Die Entalkoholisierung verstärkt etwaige Fehler im Produkt, analog einer Konzentration. Mithilfe der Stilmittel Süße und Kohlensäure kann die Aromatik beeinflusst werden. Als Herausforderung gilt, die perfekte Balance zwischen Frucht, Säure, Süße und, im Falle von Rotwein, auch Tannin zu finden. Alkoholfreie Schaumweine – Kohlensäure wird hier lediglich zugesetzt(!) – kommen der Erwartungshaltung eines Durchschnittskonsumenten am nächsten.

Wem die komplette Entalkoholisierung zu weit geht, könnte mit einer Alkoholreduzierung im Bereich von zwei bis drei Prozentpunkten aktiv werden. Das kann mit relativ geringem technischem Aufwand, und damit wesentlich günstiger, im eigenen Betrieb erfolgen. Bei der Entalkoholisierung wird man um einen externen Dienstleister, in der Regel aus Deutschland, nicht umhinkommen.

AF-Sekte überzeugen großteils im VKI-Test

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat zwölf überwiegend ausländische Schaumweine großer Hersteller, die als alkoholfrei ausgelobt werden, untersucht und bewertet. Das Ergebnis: Ein Erzeugnis fiel wegen erhöhter Keimbelastung durch, ein weiteres enthielt Traubenmost statt Wein, was zu einer weniger zufriedenstellenden Bewertung führte. Mehr als die Hälfte der Getränke konnte jedoch überzeugen, und das trotz geringer Produktpreise. 

Gesamt wurden zwei Alkoholfrei-Sekte mit „sehr gut“, und fünf mit „gut“ sowie drei mit „durchschnittlich“ bewertet. Für die beiden negativen Ausreißen wurde einmal „weniger zufriedenstellend“ und einmal „nicht zufriedenstellend“ vergeben.