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Vertreter der Weinpolitik, Forschung, Züchtung, Presse und der Praxis versammelten sich in der IMC Fachhochschule Krems zum 1. Internationalen Piwi-Symposium © Robert Herbst

1. Internationales Piwi-Symposium

Wohin geht die Piwi-Reise?

Ein Artikel von Julia Dittinger BSc | 28.06.2023 - 12:12
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Hochkarätig besetzte Vorträge von internationalen Experten wechselten sich mit intensiven Diskussionen mit dem Publikum ab © Robert Herbst

Bereits die Eröffnungsreden von Veranstalter Ludwig Holzer, MSc, Geschäftsführer der Winzer Krems, und Weinbauverbands-Präsident Johannes Schmuckenschlager unterstrichen den Weg in Richtung Nachhaltigkeit, den Österreichs Weinbau seit Jahren geht, sowie die große Rolle, die pilzwiderstandsfähige Rebsorten (Piwis) dabei spielen können. Auch Alexander Morandell, Präsident des Vereins PIWI International, begrüßte aus internationaler Sicht das steigende Interesse an den neuen Sorten. Der vor 25 Jahren gegründete Verein hat bereits mehr als 1.000 internationale Mitglieder, die gemeinsam den Anbau und die Bekanntmachung der neuen Rebsorten fördern wollen. Morandell sprach hauptsächlich von „resilienten“ Rebsorten – ein Begriff, der international besser ankommt als „widerstandsfähig“. Er berichtet davon, dass aktuell jedes Land versuche, seine eigenen Sorten abzusichern bzw. eigene Piwis zu etablieren. Wünschen würde er sich jedoch ein europaweites Zuchtprogramm, sodass verschiedene Sorten in unterschiedlichen Ländern getestet werden können.

Der Vormittag war, moderiert von Mag. Franz Rosner von der HBLA u. BA für Wein- und Obstbau Klosterneuburg, hauptsächlich den Themenblöcken Züchtung und Produktion gewidmet. Einen Überblick über die aktuelle Anbausituation von Piwis gab zu Beginn Ing. Wolfgang Renner von der Versuchsstation Haidegg und Vorsitzender des Vereins PIWI Österreich. Rund 800ha der österreichischen Rebfläche sind aktuell mit Piwi-Reben bepflanzt, Tendenz steigend. Das entspricht rund 1,9% der Gesamtrebfläche. In Deutschland sind es bereits 3%, in Tschechien sogar 5% der Rebfläche. In den Rebschulen sehen die Zahlen anders aus: Etwa 15% der angemeldeten Rebveredelungen Österreichs im Jahr 2022 waren Piwi-Reben, rund ein Drittel davon wird exportiert. Renner schloss seinen Vortrag mit dem Appell an die Winzer, keine Angst vor den neuen Sorten zu haben, da sie den Weinmarkt nicht überschwemmen werden, sondern es langfristig zu einer „friedlichen Ko-Existenz von Piwis und traditionellen Sorten“ kommen wird. Rechnet man mit der aktuellen Steigerung der Piwi-Rebfläche, steigt sie in Österreich bis 2030 auf rund 5 bis 7% der Gesamtrebfläche.

Langjährige Rebzüchtung als Grundlage

Die deutsche Rebzüchtungs-Koryphäe Prof. Reinhard Töpfer vom Julius-Kühn-Institut und Direktor für Rebzüchtung am Geilweilerhof in Siebeldingen erklärte in seinem Vortrag die Rebenzüchtung zur Generationsaufgabe. Sorten, die heute auf den Markt kommen, wurden vor mindestens 25 Jahren gezüchtet. Heute zielt die Züchtung auf deutliche Mehrfachresistenzen in den Genen neuer Sorten ab, um einer Resistenz-Umgehung der Pathogene zu entgehen. In Zukunft werden dafür rund 40 verschiedene Kombinationen aus den aktuell bekannten Resistenzgenen möglich sein. Darüber hinaus ist die richtige Umgangsweise mit Piwis im Weingarten essentiell, um die Resistenzen der neuen Sorten langfristig zu erhalten. Töpfers Appell an die Weinbauern: „Piwis brauchen Pflanzenschutz!“ – wenn auch um bis zu 80% weniger als traditionelle Sorten, ganz ohne Pflanzenschutz geht es auch bei Piwis nicht.

Traditionelle Sorten eignen sich durch den Klimawandel teilweise nicht mehr optimal für die Standorte, auf denen sie angebaut werden. Den dadurch notwendigen Sortenwandel kann man mit der Entscheidung für Piwis gut mit der immer stärker gefragten Nachhaltigkeit kombinieren. Töpfer sieht Piwis als wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit allerdings nicht als alleinige Lösung für die EU-Pflanzenschutz-Vorgaben im Rahmen des Green Deals. Er spricht sich außerdem in seinem Vortrag für die Verwendung eines Dachbegriffs für die neuen Sorten aus, der bei der Markteinführung helfen soll: „Sobald sich einzelne Sorten profilieren, werden sie sich selbst einen Namen machen.“ Der deutsche Rebzüchter steht hinter dem Begriff Piwi als Marke, man könne ihn für Konsumenten als Abkürzung für „Pionier-Weine“ erklären, um den unbeliebten Begriff „widerstandsfähig“ zu umgehen.

Als Pendant zum deutschen Kollegen stellte Österreichs Rebzüchtungs-Experte Dr. Ferdinand Regner, Institutsleiter Weinbau und Abteilungsleiter Rebenzüchtung an der HBLA u. BA für Wein- und Obstbau Klosterneuburg, die österreichische Sicht der Piwi-Entwicklungen in den Mittelpunkt seines Vortrags. Mit dem Pilot-Projekt, für das Kamptal aus verschiedenen resistenten Sorten einen möglichen zukünftigen Herkunftswein zu finden, folge man aktuell internationalen Vorreiter-Pfaden. Aus der Praxis berichtete Regner, dass in den meisten Fällen erfolgreich im Weingarten jede zweite Spritzung ausgelassen wird, gerade der Zeitraum um die Blüte allerdings auch beim Pflanzenschutz von Piwis besonders wichtig ist. Außerdem beobachte er immer mehr die Abkehr von herkömmlichen Pflanzenschutzmitteln hin zu Pflanzenstärkungsmitteln. Den Begriff Piwi als Dachmarke für die Vermarktung sieht er, anders als sein deutscher Kollege Töpfer, kritisch. Regner appelliert, die Sorten beim Namen anzusprechen. Er betonte, dass Wein ein Genussmittel ist und kein Konsument ihn wegen seiner Einsparungen bei den Pflanzenschutzmitteln kaufen wird. Sein abschließender Wunsch war es, die Klosterneuburger Sorte Donauriesling „endlich als Qualitätswein anbauen zu dürfen.“ In den Tenor, mehr Piwi-Rebsorten für Qualitätswein zuzulassen, stimmten während der Veranstaltung zahlreiche Personen ein. In der Pipeline ganz neuer Sorten aus Klosterneuburg warten gerade etwa Veltlonner, Burgerina und Royalny auf die Zulassung.

Piwis in den Bergen und im Keller

Den Einstieg in praktische Weinbau-Themen machte Josef Terleth vom Versuchszentrum Laimburg in Südtirol mit seinem Vortrag über weinbauliche Erfahrungen mit Piwis in Südtirol. Er sprach neben erfolgreichen Tests verschiedener italienischer Sorten auch vom Potenzial für Donauriesling in kühleren Lagen des Landes. Die Winzer Südtirols probieren mit Piwi-Trauben viel aus, Cuvées werden als gute Möglichkeiten zur Markteinführung neuer Sorten gesehen. Probleme ergeben sich bei den neuen Sorten in Südtirol etwa durch Schwarzfäule, Roter Brenner und Reblaus-Befall auf unbehandelten Anlagen.

Bevor das Vormittagsprogramm mit einer abschließenden Diskussion mit allen bisherigen Vortragenden endete, referierte DI Harald Scheiblhofer, Abteilungsleiter Kellerwirtschaft an der HBLA u. BA für Wein- und Obstbau Klosterneuburg, über die kellerwirtschaftlichen Eigenschaften von Piwis. Er sieht die oft vorkommenden hohen Gerbstoffgehalte bei Piwis dem intensiven Laubwandmanagement geschuldet und nicht den Sorten selbst. Besonders in der Kellerwirtschaft kann der Überbegriff Piwis nicht generalisiert für alle Sorten verwendeten werden, jede Sorte hat ihre eigenen Eigenschaften. Zum Erfahrung sammeln mit neuen Sorten empfiehlt Scheiblhofer die Anwendung von Standardtechnologien im Keller, um möglichst viel Kontrolle über die Weinbereitung zu haben. Erst, wenn die Eigenschaften einer neuen Sorte bekannt sind, können Versuche in Richtung Natural Wines gelingen. Darüber hinaus spricht Scheiblhofer die Direktträgerfarbstoff-Problematik an. In einigen internationalen Piwi-Rebsorten (etwa Regent) wurden sehr hohe Werte des Farbstoffs Malvidin-3,5-diglucosid gefunden, die in der EU nicht zulässig sind. In Österreich wird die Einhaltung des Grenzwerts (anders als in anderen EU-Ländern) streng überwacht. Weine mit zu hohen Werten bekommen keine Prüfnummer.

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Rund 160 internationale Besucher fanden den Weg an die IMC Fachhochschule Krems, um die hochkarätigen Vorträge zu hören © W. Kaltzin

Aufklärung als wichtigste Vermarktungsstrategie

Der Nachmittag des Piwi-Symposiums widmete sich der Vermarktung der neuen Rebsorten, moderiert von Prof. (FH) Albert Franz Stöckl, Studiengangsleitung International Wine Business an der IMC Fachhochschule Krems. Den Einstieg in das Thema machte Prof. Gergely Szolnoki, Professor für Marktforschung am Institut für Wein- und Getränkewirtschaft der Hochschule Geisenheim, mit der Vorstellung mehrerer Studien zur Akzeptanz von Piwis bei Produzenten, Händlern und Konsumenten in Deutschland. Die Quintessenzen der Befragung von Weinbauern und Händlern waren, dass Pilzwiderstandsfähigkeit kein Verkaufsargument ist, Weine von neuen Sorten aktiv als Lifestyle-Produkt beworben werden müssen und ein stärkerer Wissensaustausch innerhalb der Branche notwendig ist. Die Befragung von über 1.000 deutschen Konsumenten zeigte die Notwendigkeit unterschiedlicher Kommunikationsstrategien je nach Zielgruppe. Die meisten Menschen würden Piwi-Wein als Mitbringsel kaufen, weil es etwas Neues und Spannendes ist. Der Sammelbegriff „Nachhaltige Rebsorten“ schnitt in der Befragung bei den Konsumenten am besten ab. Rund die Hälfte der Befragten würde sich ein klares Siegel oder eine Kennzeichnung von Piwi-Weinen wünschen. Zusammen mit Gehirnforschern fanden die Studienautoren außerdem heraus, dass die Konditionierung und Erklärung von Piwi-Weinen besonders positive Effekte sowohl auf die Kaufbereitschaft als auch auf die sensorische Akzeptanz hatten. Die Empfehlung von Szolnoki lautete daher, vermehrt über Piwi-Weine aufzuklären und verschiedene Arten der Kennzeichnung zu testen.

Prof. Marc Dreßler, Studiengangsleiter Wine, Sustainability and Sales am Weincampus Neustadt an der Weinstraße in Deutschland knüpfte an den Vortrag seines Vorredners an und referierte etwa über das deutlich gestiegene Nachhaltigkeitsbewusstsein im deutschen Weinbau. Piwis könnten seiner Meinung nach eine Art Abkürzung am komplexen Weg zu mehr Nachhaltigkeit sein. Auch er sprach an, wie wichtig die gezielte Aufklärung über die neuen Sorten in der Vermarktung sei und dass das unterschiedliche Potenzial verschiedener Zielgruppen genutzt werden sollte (z.B. sind Frauen deutlich sensitiver gegenüber Nachhaltigkeit). In seinem Vortrag teilte Dreßler Weingüter in vier unterschiedliche Vermarktungsstrategien ein: Von Weingütern, die Piwis anbauen, diese allerdings nicht speziell als solche präsentieren bis hin zu Winzern, deren Markenkern von Piwis gebildet wird, kann jedes Weingut – je nach Zielgruppe – mit seiner Strategie erfolgreich sein. Dreßlers Schlusssatz: „Die Weinwirtschaft muss nachhaltig arbeiten und darüber reden.“

Gemeinschaftsmarketing mit „Zukunftsweinen“

Eine interessante Möglichkeit des Gemeinschaftsmarketings stellte die rheinhessische Biowinzerin Dr. Eva Vollmer vor. Als Initiatorin der Bewegung „Zukunftsweine“ aus Deutschland sprach sie über ihr Konzept, mit dem Begriff „Zukunftswein“ als Marke für Piwi-Weine Konsumenten am Point of Sale abzuholen, sie über die Aspekte Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu gewinnen und erst auf genauere Nachfrage von Piwis zu sprechen. An der „Zukunftsweine“-GmbH kann jeder Winzer, der Piwis an- und ausbaut, teilhaben, biologische Produktion ist keine Voraussetzung. Aktuell sind rund 50 Betriebe dabei (zwei aus Österreich). Für den Mitgliedsbeitrag von 500€ pro Jahr dürfen sie das Siegel „Zukunftswein“ auf ihren Etiketten oder speziell entworfene Zukunftswein-Flaschen für ihre Piwi-Weine verwenden. Außerdem besteht die Möglichkeit, sich an Gemeinschaftsweinen zu beteiligen, die in größeren Chargen im Handel gelistet werden. Die Markenarbeit wird von Profis vorangetrieben, das Kernteam der Bewegung besteht aus Experten aus Önologie, Kommunikation und Vertrieb. 2023 wurde das ehemalige Start-Up mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis für Design ausgezeichnet.

Praktische Erfahrungen im Piwi-Absatz

Zum Ende der Veranstaltung standen zwei Diskussionsrunden am Programm, die erste zu praktischen Erfahrungen von Winzern mit der Vermarktung von Piwis. IMC-Studentin Ida Haimel aus Traismauer erzählte von ihrem kleinen Familien-Weinbaubetrieb, der zu 50% Piwis anbaut und diese Weine erfolgreich über den eigenen Heurigen vertreibt. Ludwig Holzer, Geschäftsführer der Winzer Krems, berichtete über die erfolgreiche Einführung von vor allem Donauriesling, der auch im Export langsam Fuß fasst. Auf rund 20 der etwa 1.200 Hektar der Genossenschaft wachsen aktuell Piwi-Reben, ein vermehrter Anbau ist für die nahe Zukunft nicht geplant. Der Donauriesling der Winzer Krems wird in speziellen Aktionen auch immer wieder im Supermarkt verkauft. „Wenn der Wein schmeckt, findet er auch im Supermarkt seine Absatzmöglichkeiten“, erklärte Holzer.

Harald Lieleg vom südsteirischen Weingut Kollerhof am Eichberg sprach die für ihn großen Vorteile der flexiblen Pflanzenschutz-Einteilung von Piwi-Reben an. Seit 2016 wachsen bei ihm Piwis, aktuell auf rund 15% seiner Rebfläche. Lieleg erzählte begeistert von der Möglichkeit der Grünveredelung, die er für einige Flächen in Anspruch nahm. Mit nur einem Jahr Ertragspause wachsen auf alten, etablierten Reben neue Sorten. Die Piwi-Weine verkauft der mehrfache Sieger unterschiedlicher Piwi-Wein-Verkostungen zum Großteil in der eigenen Buschenschank. Nach anfänglich viel Erklärungsbedarf in der Vermarktung, baut Lieleg die Piwi-Weine nun verdeckt in Verkostungen ein und erntet dafür durchwegs positive Rückmeldungen von seinen Kunden. Die drei Diskussionsteilnehmer waren sich einig, der Schlüssel liegt in der Kommunikation.

Gastronomie als Wegbereiter?

In der letzten Podiumsdiskussionsrunde des Tages sprachen DS Annemarie Foidl, Gastronomin und Präsidentin der Sommelier Union Österreich; Mag. Silvia Eichhübl, Inhaberin von „Der Weinladen“ im 2. Wiener Bezirk; „Krone“-Umweltjournalist Mark Perry und „Vinaria“-Herausgeber Erwin Goldfuss über Piwis in der österreichischen Gastronomie und den Medien. Foidl appellierte dabei an die Winzerschaft, stolz auf ihre Piwi-Weine zu sein und diese in der Gastronomie verstärkt anzubieten und den Gastronomen bzw. Sommeliers proaktiv zu erklären. Sie merkte jedoch kritisch an, dass in der Sommelier-Ausbildung kaum Zeit für Piwis sei, Winzer daher selbst Initiative für die nötigen Erklärungen ergreifen müssen. Eichhübl hingegen machte darauf aufmerksam, dass in ihrer Vinothek Nachhaltigkeit kein Kaufargument für Wein-Konsumenten sei, der Wein ausschließlich gut schmecken müsse. Die normale Gastronomie, abseits von gehobenen Lokalen, hätte von Piwis noch nichts gehört und würde diese auch nicht brauchen. Eichhübel wünscht sich eine auffällige Aufmachung der Piwis, sie bleiben ihrer Meinung nach jedoch ein Nischenprodukt. Perry sieht die Notwendigkeit in der Vermarktung hingegen darin, Alleinstellungsmerkmale herauszuarbeiten und auf Regionalität, biologische Produktion und Nachhaltigkeit zu setzen. Aus Sicht des Branchenmagazins „Vinaria“ berichtete Goldfuss von großem Interesse der Leser an einer 2021 durchgeführten Piwi-Wein-Verkostung. Er sieht den Begriff Piwi als kurzes Wort als gute Marke, solange man ihn nicht auflöst und erklärt. Schlussfolgernd sind sich die Diskussionsteilnehmer wie auch Veranstalter Ludwig Holzer einig, dass Piwis mit viel Aufwand an den Konsumenten herangebracht werden müssen. In der Vermarktung ist noch viel zu tun.

J. Dittinger