ProWein Business Report 2022

Weinbranche optimistisch und setzt auf Nachhaltigkeit

Ein Artikel von Redaktion | 14.03.2022 - 14:07
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Die Überlastung der Lieferketten und der Anstieg der Preise sind aktuell die wichtigsten Herausforderungen für die gesamte Branche

Im Auftrag der ProWein hat die Hochschule Geisenheim Ende 2021 zum fünften Mal Experten der gesamten Wertschöpfungskette der Weinbranche aus 48 Ländern befragt. Unter den Teilnehmern sind Weinproduzenten, Exporteure, Importeure, Weinfachhändler sowie Vertreter aus Gastronomie und Hotellerie. Zu beachten ist, dass es sich nicht um eine repräsentative Umfrage handelt, sondern interessierte Betriebe mit Affinität zu den Themen bevorzugt Feedback geben. Der Bericht misst die Bedeutung der Herausforderungen, vor denen die Branche nach zwei Jahren Pandemie steht.

Der thematische Fokus des aktuellen ProWein Business Reports liegt auf der Bedeutung und der Umsetzung der Nachhaltigkeit in der Weinbranche. Prof. Simone Loose, Leiterin des Institutes für Wein- und Getränkewirtschaft der Hochschule Geisenheim erklärt: „Die Branche steht vor der Herausforderung, sich an den Klimawandel anzupassen und gleichzeitig ökologischer und nachhaltiger zu werden sowie den Kunden davon glaubhaft zu überzeugen. Dies wird nur möglich sein, wenn die Branche ihre Kräfte vereint und Weinproduzenten sowie Weinhandel und Gastronomie Nachhaltigkeit glaubwürdig umsetzen und kommunizieren können.“

Die Stimmung in der Branche

Seit 2017 misst der ProWein Business Report die aktuelle ökonomische Lage und die wirtschaftlichen Erwartungen der Weinbranche. Die Befragungen für den ProWein Business Report 2022 wurden Ende 2021 erhoben, er zeigt also die Stimmungslage bevor Krieg in Europa begonnen hat.

Im ersten Pandemiejahr 2020 hatte die Branche noch sehr pessimistisch in die Zukunft geschaut. Entgegen der Erwartungen brachte das Jahr 2021 jedoch eine deutliche Erholung des Weinhandels – die gute wirtschaftliche Lage von vor der Pandemie wurde allerdings noch nicht wieder erreicht. Die Erwartungen für das Jahr 2022 sind verhalten positiv.

Als größte Herausforderungen werden momentan die Störung der Lieferketten und die Kostensteigerungen gesehen. Die Kostensteigerungen bedrohen die Profitabilität internationaler Weintransaktionen und Lieferengpässe verzögern geplante Produkteinführungen. Die Weinbranche steht vor der Herausforderung, die Kostensteigerungen einzupreisen und in der Lieferkette weiterzugeben. Weil das Budget der Verbraucher in der inflationären Lage insgesamt stärker belastet ist, sorgt sich die Branche um die Reaktion der Weinkonsumenten auf die Preissteigerungen.

Sechs von zehn Weinproduzenten (aus verschiedenen Ländern) bezeichnen den Klimawandel als eine starke oder sehr starke Bedrohung. Gleichzeitig stehen die Weinproduzenten vor der Herausforderung, der zunehmenden ökologischen Regulierung durch Investitionen gerecht zu werden. Bei der geringen Profitabilität der meisten Weinproduzenten ist die Bewältigung der ökologischen Herausforderungen vor allem für viele kleinere Betriebe eine wirtschaftliche Belastung und wird den Konzentrationsprozess weiter beschleunigen.

Für den Weinhandel stellt Covid-19 nach wie vor eine Einschränkung dar. Die Pandemiefolgen stehen an dritter Stelle der aktuellen Herausforderungen. Auch wenn für den Sommer 2022 Hoffnung auf eine deutliche Besserung und Normalisierung besteht, ist noch unsicher, wie die neue Normalität des gesellschaftlichen Lebens nach der Pandemie aussehen wird. Der Weinhandel und die Gastronomie nehmen die Auswirkungen des Klimawandels und der ökologischen Regulierung bisher weniger stark wahr, als die Produzenten. Damit einher geht ein geringeres Bewusstsein des Weinhandels für Fragen der Nachhaltigkeit und eine geringere Bereitschaft, nachhaltige Produkte preislich zu honorieren und an die Konsumenten zu kommunizieren.

In Frankreich und Deutschland wird die europäische Gesundheitspolitik zur Reduktion des Alkoholkonsums besonders stark wahrgenommen. Produzenten in Ländern der neuen Welt, den USA, Australien und Südafrika, nehmen vor allem den internationalen Handelskrieg sowie den Wettbewerb durch andere Getränke (Hard Seltzer, Craft Beer) und die Legalisierung von Cannabis als Herausforderungen wahr.

Ökologischer Weinbau und Nachhaltigkeit

Allgemein zeigt die Studie, dass die Bedeutung der Nachhaltigkeit ungebrochen hoch ist und die Akteure aktiv Maßnahmen zur Verbesserung einsetzen. Die Mehrheit der Weinfachhändler, Hoteliers und Gastronomen geht davon aus, dass die ökologische Weinproduktion in Zukunft weiter steigen wird. Die Zuversicht ist am größten bei Vertretern der Handelsseite in Skandinavien, Belgien, Luxemburg sowie in Frankreich und Italien. Nur ein Drittel von Handel und Gastronomie erwartet, dass die EU ihr Ziel von 25% ökologischer Rebfläche erreichen wird. Zu Beginn der Pandemie hatten die Branchenexperten im letzten ProWein Business Report befürchtet, dass die Herausforderungen von Covid-19 das Bestreben der Branche nach Nachhaltigkeit einschränken wird. Das hat sich nicht bestätigt. Im Vergleich zu 2019 wird die Nachhaltigkeit aus Sicht der Branche als unverändert wichtig angesehen.

Die überwiegende Mehrheit der Branche fordert die Weiterentwicklung der Regeln des ökologischen Weinbaus, um sie in Einklang zu bringen mit dem umfassenderen Konzept der ökologischen Nachhaltigkeit. Von den drei Säulen der Nachhaltigkeit ist die ökonomische Säule des langfristigen Überlebens der Unternehmen aus Sicht der Weinbranche die wichtigste Dimension der Nachhaltigkeit. Nur ökonomisch überlebensfähige und erfolgreiche Unternehmen können in ökologische und soziale Nachhaltigkeit investieren. Die befragten Winzer gaben an, vor allem Maßnahmen zur ökologischen Nachhaltigkeit durchgeführt zu haben. Insgesamt zwei Drittel der befragten weinbaulichen Betriebe hat die Verwendung von Herbiziden reduziert (Frankreich und Österreich führen mit 80% vor Spanien mit 74%) und aktiv Maßnahmen zur Steigerung der Biodiversität ergriffen (USA 78%, Frankreich 72%, Deutschland 61%).

Die Branche ist sich einig, dass Konsumenten die Vielzahl von ökologischen und nachhaltigen Zertifizierungen nicht verstehen können. Acht von zehn Branchenexperten fordern einen einzigen starken Nachhaltigkeitsstandard, der gemeinsam an die Konsumenten kommuniziert werden kann. Die Motivation der Produzenten und Händler für eine nachhaltige Zertifizierung ist an erster Stelle von der eigenen Überzeugung und dem persönlichen Interesse an Nachhaltigkeit als ganzheitlichem System getrieben. Die ungenaue Definition von Nachhaltigkeit und die Gefahr für Greenwashing werden als größte Hindernisse für eine Zertifizierung angegeben, gefolgt von der fehlenden Zahlungsbereitschaft der Konsumenten und zu hohen Zertifizierungskosten.

Mit 8 von 10 Unternehmen ist sich die absolute Mehrheit der Branchenexperten bewusst, dass die Weinbranche noch deutlichen Verbesserungsbedarf in der Nachhaltigkeit hat. Jeder zweite Befragte sieht dafür staatliche verbindliche Vorschriften (wie das Verbot von Herbiziden) als wirksamer an, als freiwillige Verpflichtungen der Organisationen zur Nachhaltigkeit.