REISEBERICHT

Grand Prix du Vin

Ein Artikel von W. Kaltzin | 10.12.2019 - 16:17

Erwartungsvoll traten wir die rasch ausgebuchte Leserreise am 8. August nach Frankreich an. Per Flug ging es nach Paris und von dort direkt per Bus in den Nordosten Frankreichs, in die Champagne.

Champagne ganz im Norden

Rund um die Städte Reims und Épernay befindet sich das Zentrum des Anbaugebiets, doch die Weinberge erstrecken sich noch weit nach Westen. Rund 35.000 ha Weingärten, die meisten davon mit Kreideböden, bieten beste Bedingungen für Chardonnay, Pinot Noir und Pinot Menieur.

Das Champagnerhaus Taittinger in Reims nahm die erste Station ein. Die Familie der Taittingers hat Wurzeln in Österreich und zählt heute zu den großen Playern im Champagnergeschäft (290 ha, auch Zukauf). Pflichtprogramm – bevor die Reserven (Brut) und der grandiose Comte 2007 genossen werden konnten – waren die beeindruckend tief in den Kreideboden gegrabenen Keller (bis zu 20 m). Die Champagner des Hauses zeigen sich feingliedrig und eher leichtfüßig. Die Trauben für den Topwein kosten hier rund 6 bis 7 €/kg, bei Preisen deutlich jenseits der 100 Euro pro Flasche rechnet sich das.

Der zweite Betrieb im Dorf Mailly stellt sich ganz anders dar: Mailly Grand Cru ist eine Art Genossenschaft mit 70 ha Weinbergen, die im Besitz von 25 Familien sind. Hier überwiegt der Pinot Noir im Sortenspiegel (75%, Rest Chardonnay), das Preisniveau ist niedriger („man verzichtet auf Prestigewerbung“), der Exportanteil beträgt rund 60%. Die Weine wirken fülliger.

Chablis als nördlicher Teil der Burgund

Nach Rückkehr und Übernachtung in Paris stand die nördliche Burgund – Chablis – am Programm. Rund 5.500 ha Reben verteilen sich auf 20 Gemeinden. Die Böden sind hier vielfältiger, doch immer mit Kalkanteilen (zum Teil Muschelkalk), die Landschaft ist hügeliger.

Beim ersten Betrieb, der großen Domaine William Fevre, wurden die Prinzipien des Chablis vorgestellt: nur Chardonnay (kein Rotwein) und der heißt laut Appellationssystem Petit Chablis, Chablis, Chablis Premier Cru oder Chablis Grand Cru. Die Domäne bewirtschaftet einige der besten Lagen rund um das legendäre Weinbaudorf Chablis (viele Grand-Cru-Lagen). Die maximalen Erträge liegen je nach Kategorie bei 62, 58 und 54 hl/ha. Im Weingut legt man Wert auf Frische, Finesse und Frucht. Extraktion wird hinten angestellt – Ganztraubenpressung die logische Folge. Eine biologische Produktion sei hier aufgrund der Witterung sehr schwierig, so habe man 2016 die biodynamische Zertifizierung verloren.

Ein Betrieb ebenso mit Einflüssen der Biodynamie ist die Domaine Brocard, einer der größten Familienbetriebe im Gebiet. Ausgehend von einst 1,5 ha werden heute 220 ha bewirtschaftet. Das Weingut liegt in traumhafter Lage, umgeben von Weingärten und in unmittelbarer Nähe einer mittelalterlichen Kirche. Die Böden sind von Lehm, Geröll und großen Kalksteinen geprägt. Sieben Erntemaschinen laufen im Betrieb. Der Jahrgang 2019 blieb ausnahmsweise von Frost und Hagel verschont, dafür gab es zwei ausgeprägte Hitzeperioden.

Nach später Rückkehr nach Paris blieb noch etwas Zeit für eine Bustour zu den vielen Highlights der großen Hauptstadt.

Weinbauherz Bordeaux

Mehr als 500 Kilometer liegt die Stadt Bordeaux von Paris entfernt. Mit dem Hochgeschwindigkeitszug TGV konnten wir einen ruhigen Transfer in rund drei Stunden erleben. Etwa 600.000 Einwohner leben in der Stadt an der Garonne. Infolge des Sklavenhandels kam die Stadt zu Reichtum, heute wird allerorten eifrig gebaut.

Als Weinbaugebiet verfügt Bordeaux über eine zusammenhängende Rebfläche von rund 105.000 ha, es ist das zweitgrößte in Frankreich hinter Languedoc-Roussillion. Kein Wunder, dass sich in der Stadt das High-Tech-Museum Cité du Vin ganz dem Wein verschreibt, auffällig seine (Stiefel-)Form. Den Wein mit allen Sinnen zu erleben und von allen Seiten zu beleuchten, lautet das Motto des großen Tourismusprojekts. Dabei kommt auch der spielerische Ansatz nicht zu kurz.

Unser Ausgangspunkt für die Entdeckungen innerhalb des Gebiets war Libourne, eine alte charmante Hafenstadt am Zusammenfluss von Isle und Dordogne, eingebettet zwischen den renommierten Weinlagen von St.-Émilion, Pomerol und Médoc.

Saint-Émilion

Der Appellation St.-Émilion widmeten wir uns am vierten Tag. Auf einer der ältesten Stellen in erhabener Lage liegt das beeindruckende Château Pressac. Geschichte pur: Eine ursprüngliche Burg lässt sich ins 12. Jahrhundert datieren, das Portal stammt aus dem 16. Jhdt., das Schloss aus 1860. Weinbau gibt es seit dem 17. Jhdt. Französische Besitzer brachten Weingarten und Schloss in den vergangenen zwei Jahrzehnten auf Vordermann. Sie bewirtschaften heute 36 ha, für St.-Émilion ein riesiger Betrieb. 2012 wurde der Betrieb erstmals als „Grand Cru Classé“ klassifiziert. Rund um das Weingut liegen die Weingärten, im Sortenmix überwiegt Merlot – wie in St.-Émilion üblich.

Nordwestlich der sehenswerten Stadt St.-Émilion, unweit vom „teuren“ Pomerol Cheval Blanc, besichtigten wir die Domaine La Dominique. Der Grand-Cru-Betrieb hat ebenfalls eine ganz lange Weinbautradition und wurde von einer Baugruppe gekauft. Das Weingut zieht viele Besucher an, weil oberhalb des neu gebauten Kellers ein ganz feines Restaurant mit schöner Aussicht liegt. Für die Vinifizierung der Weine ist der bekannte „flying winemaker“ Michel Rolland verantwortlich. Sortenspiegel: 81% Merlot, Rest Cabernet Franc und C. Sauvignon.

Médoc

Zwei Weingüter sollten am fünften Tag einen Blick in die Weinbauregion Médoc gewähren. Als wohl als eines der bekanntesten Weingüter der Welt gilt Château Mouton-Rothschild in der Gemeinde Pauillac bzw. der übergeordneten Appellation Haut Médoc. Dementsprechend hatte die Führung auch eher einen „klassisch touristischen Touch“, was aber angesichts der Historie des Betriebs genauso spannend war. Zu den harten weinbaulichen Fakten: Mouton besitzt 84ha Rebfläche, drei Viertel davon sind – wie im Médoc nicht unüblich – mit Cabernet Sauvignon bestockt. An zweiter Stelle folgt Merlot, dann Cabernet Franc und Petit Verdot. Dem Qualitätsanspruch folgt eine enorm hohe Bestockungsdichte (rund 8.000 Reben/ha). Die Kostprobe vom 2015er Erstwein wird ewig in Erinnerung bleiben, auch wegen des Subskriptionspreises von etwa 400 Euro. Im Jahr 1973 stieg Mouton zu einem der fünf Güter in der Kategorie „Premier Cru Classé“ auf. Mit zwei Besonderheiten bringt man das Château ebenso in Verbindung: Einerseits mit der Partnerschaft mit Mondavi (Opus One) und andererseits mit von prominenten Künstlern gestalteten Etiketten für den Topwein des Hauses.

Mit dem Besuch von Château Kirwan folgte ein Weingut aus dem 18. Jahrhundert, das zur Appellation Margaux gehört. Nach der Bordeaux-Klassifizierung steht es im dritten Rang. Tradition ist sichtbar und spürbar, jedoch befindet sich das Weingut kellertechnisch am neuesten Stand. Beeindruckend die riesigen Betonfässer, die Kühlrippen und eine innere Beleuchtung aufweisen. Beim Lunch im Weingutsrestaurant durften wir uns auf die feinste Art stärken und dabei als Abschluss einen 1981er genießen. Hier zeigt sich, was Bordeaux kann: feine strukturierte Langstreckenläufer, die nach Jahrzehnten noch viel Spaß machen.

Den Abschluss des Tages bildete die Domaine Trocard. Im gewissen Sinn ein Kontrastprogramm zu Mouton-Rothschild, aber gerade dadurch ein interessantes Erlebnis. Der Chef führte persönlich und man konnte den Betrieb, der mehrere Weingüter bewirtschaftet, hautnah und ungeschönt erleben. Wenig Prunk, dafür wurde ungeschminkt Tacheles gesprochen und die vielen, relativ günstigen Weine mundeten genauso.

Austern und Baden an der Westküste

Das ganze Weinbaugebiet Bordeaux erhält seine weinbauliche Prägung durch die Nähe zum Atlantik. Nach Arcachon, einem bekannten Badeort südwestlich der Stadt Bordeaux, führte uns ein kurzer Ausflug. Aus dem ehemals unbedeutenden Fischerdorf entwickelte sich ein Luxusbadeort, der auch für seine Austernzucht berühmt ist. Die Muscheln stärkten uns für die weiteren Erkundungen.

Auf der Fahrt zur Küste machten wir beim Château ­Taillan, unweit der Stadt Bordeaux, Station. Das historische Weingut produziert auch nennenswert Weißweine. Der Klimawandel macht auch hier nicht Halt. Immer öfter bringe die Reife des Sauvignon Blanc zu viel Alkohol mit sich. Als Herausforderung wurde auch Esca genannt. Die engagierte Winzerin sprach zudem über die Probleme des ganzen Gebiets. Man kämpfe gegen den Einfluss von Fremdkapital und müsse sich daher als Familienunternehmen diversifizieren, um nicht aufgekauft zu werden.

In ganz anderen Dimensionen bewegt sich das beeindruckende Château Smith Haut Lafitte im Gebiet Graves. Das sehr alte Weingut, die Ursprünge führen ins 14. Jhdt., stellt eines der glänzendsten Erfolgsbeispiele der jüngeren Bordeaux-Geschichte dar. Nach diversen Besitzerwechseln haben die heutigen Besitzer kräftig investiert und stellen nunmehr die qualitative Bordeaux-Spitze in Sachen Weißwein dar. Preise von um und über 100 Euro sprechen Bände. Die Weißweine fußen auf Sauvignon Blanc, dazu etwas Sémillion und jüngst auch Souvignier Gris. Sie wirken einerseits fruchtig und elegant, andererseits hochkomplex. Das Château verfügt über eine eigene Tonnellerie, um keine Kompromisse eingehen zu müssen.

Süßes aus Sauternes

Dem Zusammenfluss von Gironde und Ciron verdankt die Weinwelt das kleine, aber berühmte Süßweingebiet Sauternes (rund 2.000 ha). Eine Nebelglocke im Spät-sommer sorgt hier für die passenden Bedingungen für den Edelpilz Botrytis cinerea. Wir besichtigten einen der letzten Familienbetriebe von Sauternes: Château Sigalas Rabaud (Premier Grand Cru). Flächenmäßig ein Winzling (14 ha) im Vergleich zu den bis zu zehn Mal so großen Betrieben rund um das Weingut. Die Süßweine fußen hier überwiegend auf Sémillon und etwas Sauvignon Blanc. Mehrere Lesedurchgänge sind die Regel. Typisch für Sauternes werden alle Weine im Holz ausgebaut, was Garant für Komplexität ist. Der Mindestalkohol von 13%Vol. sorgt dafür, dass die Süße immer im Rahmen bleibt.

Fazit

Der Sitz der Internationalen Organisation für Rebe und Wein (OIV) liegt nicht zufällig in Paris. Die Grande Nation des Weines blickt auf viele Jahrhunderte Weinbau zurück. Um die Größenverhältnisse deutlich zu machen: Frankreichs Rebflächen entsprechen dem Zwanzigfachen von Österreichs Weinbauflächen.

Zur sechsten Winzer-Leserreise traf sich eine gut gelaunte Reisegruppe, darunter viele Wiederholungstäter, was den familiären Charakter der Reisegruppe unterstrich. In der viel zu schnell vergangenen Zeit ist es gelungen, einen Einblick in einige der berühmtesten Weinbaugebiete Frankreichs zu erhalten. Die besuchten Weingüter stellten einen guten Mix an Betrieben dar, von großen Kapital-gesteuerten Showweingütern bis hin zu „kleinen“ Familienbetrieben. Wein und Kulinarik waren vorzüglich, ein wenig durften wir „leben wie Gott in Frankreich“. Dank sehr guter Organisation der Reisewelt war es wieder eine äußerst gelungene Weinreise mit ausschließlich zufriedenen Teilnehmern. #