Marketing-Fachartikel

Herzstück der Kommunikation: Die Positionierung

Ein Artikel von Bernadette Steurer-Weinwurm | 02.04.2019 - 16:00
_LM_0482.jpg

Identitätsfindung: Was ist an meinem Betrieb besonders/anders? © Adrian Almasan

Halten Sie kurz inne: Was macht Ihr Produkt, Ihren Betrieb einzigartig? Welche Werte sind Ihnen bei der Führung Ihres Betriebs, bei der Bewirtschaftung Ihrer Weingärten, im Umgang mit Ihren Mitarbeitern wichtig? Letzten Endes dreht sich alles um die passende Argumentation: Warum sollen Konsumenten Ihren Wein genießen, warum sollen Weinhändler gerade Ihre Weißweine so gut verkaufen und warum soll der Sommelier im Restaurant seinen Gästen Ihren Zweigelt ans Herz legen und nicht den von Ihrem Mitbewerber? Tatsache ist, dass die Qualitätsstandards immer höher werden, viele Betriebe guten Wein produzieren und nicht nur die Produkte, sondern auch die Menschen dahinter immer austauschbarer werden. Ein wichtiger erster Schritt, um aus der Masse hervorzustechen, ist, sich über eine gute, authentische Positionierung Gedanken zu machen.

Beratung übers Netz

Der Konsum hat mittlerweile in all unseren Lebensbereichen Einzug gehalten. Und somit auch das Marketing, die Werbung, die schönen Bilder, die coolen Sprüche. Vor nahe-zu jedem Konsum wird das Web konsultiert, gegoogelt, in die Facebook-Gruppe geschrieben, der Whatsapp-Channel befragt. Die Konsumenten, die Menschen waren noch nie so abhängig von Empfehlungen und Bestätigungen wie heute. Ganz egal, ob es um die Wahl eines Tierarztes für den jungen Hund, die Empfehlung einer romantischen Urlaubsdestination, die Auswahl eines neuen Partners oder das Fachsimpeln über Wein geht. Das Netz wird befragt. Die Crowd (User-Gemeinschaft des Internets) liefert Antworten und im besten Fall ihre Geschichten.

Die sozialen Medien erlauben einen kommunikativen Austausch, der den Akt des Konsums in allen Schritten begleitet.

Phase 1 (Recherche vor dem Kauf): „Sag mal, kennt jemand einen schönen Heurigen in der Gegend, der Platz für 40 Personen bietet, wo das Essen passt und man mehr als nur Spritzer trinken kann (Stichwort: gute Flaschenware) *zwinkersmiley*?“ Schwups, schon gerät die digitale Crowd in Bewegung. Jeder weiß was, jeder ist plötzlich Experte oder Botschafter seiner persönlichen „Hausmarke“.

In Phase 2 (Entscheidung) wird die Crowd informiert, welches Angebot gewählt wurde: „Danke für die vielen Tipps, wir haben uns für Weingut XYZ entschieden, waren total freundlich, hatten was zum Termin frei und die Preise passen – der Veltliner ist eine Wucht.“ Bing!

Die Phase 3 dokumentiert den Kauf, den Konsum. Ein Foto wird gepostet. „Traumhaft hier beim Weingut XYZ. Kann das nur jedem weiterempfehlen. Die bauen hier den Velt-liner im großen Holzfass aus und der Seniorchef liefert Weine frei Haus bis nach Wien! TIPP!!!“ Und schon ist der Konsument selbst zum Botschafter geworden. In diesem Fall mit einer positiven Message.

Und was hat das alles mit Ihrem Weingut zu tun? Eine Menge. Das digitale Beispiel ist nur eine Situation von -vielen, in denen eine gute Unternehmens-Positionierung griffbereit sein sollte, wenn es darum geht, Ihre Botschafter, Ihre Experten mit Informationen zu Ihrem Betrieb, Ihren Produkten zu füttern.

Was bedeutet der Begriff „Positionierung“?

Unter einer „Positionierung“ versteht man eine Kurz-beschreibung Ihrer Unternehmensphilosophie, die ein -Alleinstellungsmerkmal (USP – Unique Selling Proposition) beinhaltet. Dieser geht im Idealfall ein Prozess – eine kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Stärken und Schwächen und eine eingehende Analyse der Chancen und Risiken voran. Immer im Blick: die Zukunft. Wo sehen Sie Ihr Unternehmen in einem, in fünf, in zehn Jahren? Was sollen sich die Menschen merken, woran sollen sie sich erinnern, wenn sie den Namen Ihres Weinguts -hören, Ihre Weine genießen? Was machen Sie anders oder besonders bei Ihren Weinen? Und wer sind diese Menschen eigentlich, die sich über Ihren Wein austauschen, ihn kaufen, verschenken, genießen, und die über Ihren Betrieb und Ihre Art, Wein zu machen, in Webforen referieren? Wer sind Ihre Markenbotschafter? Und welche Botschaften möchten Sie ihnen mit auf den Weg geben?

Es geht um Geschichten, die Sie als Winzer für Ihre -Klientel bereitstellen sollten. Wie kleine Häppchen, die bei einem spontanen Zusammentreffen, einem Ab-Hof-Verkauf, einem Messebesuch, einer Verkostung, einer privaten Feier, einem Besuch beim Großhändler, einem Degustationsmenü etc. als Appetizer von Ihnen aufs Tapet gebracht werden.

 

„Jeder Mensch erfindet sich früher oder später die Geschichte, die er für sein Leben hält, oder eine ganze Reihe von Geschichten.“ Aus: „Mein Name sei Gantenbein“, Max Frisch, Schriftsteller und Architekt

 

Schritt 1: Auseinandersetzung mit der eigenen Historie

Zum Start empfiehlt sich ein Auseinandersetzen mit der eigenen Geschichte. Seit wann besteht der Betrieb, von wem wurde er gegründet, wo liegen die Weingärten, gibt es alte Geschichten in der Familienhistorie oder kleine Anekdoten aus der jüngeren Geschichte, seien es Kellerumbau, Begebenheiten aus dem Weingarten, aus der Aus-bildungszeit etc. Am besten, Sie stöbern gemeinsam mit Familienmitgliedern, langjährigen Weggefährten und Mitarbeitern ein bisschen. Gleichzeitig tut ein Blick von außen auf die jüngsten Kommunikationsmaßnahmen gut. Was vermittelt Ihre Website, Ihre Broschüre oder das Etikett auf den ersten Blick? Welcher Eindruck entsteht von außen? Oft ergeben sich hier schon Diskrepanzen. Dinge, die für Sie selbst ganz offensichtlich sind, wenn es um Ihren Wein oder Ihr Weingut geht, sind für potenzielle Kunden, die das erste Mal auf Ihr Produkt treffen, nicht klar erfassbar und nicht spürbar.

Schritt 2: Geben Sie sich einen Moment. Selbstreflexion und Analyse

Im nächsten Schritt gibt eine Analyse der Stärken und ein offener Umgang mit Schwächen Auskunft über das verfügbare Potenzial und zeigt mögliche Grenzen auf. Ein Blick in die Zukunft und ein Konkretisieren Ihrer Pläne für die nächsten zehn Jahre legen dar, wo die Schwerpunkte im betrieblichen Alltag liegen (werden). Diese Phase ist auch der richtige Moment, um neue Ideen – sowohl intern im Team als auch mit externen Beratern – zu diskutieren. Ist ein zweites Standbein geplant? Wird der Keller zu klein und wird ein Standortwechsel in Erwägung gezogen? Gibt es weitere landwirtschaftliche Produkte, die vermarktet werden können? Oder wird das Weinsortiment erweitert? Chancen, aber auch Risiken offen aussprechen und sich über mögliche Szenarien Gedanken machen.

Schritt 3: Sie sind einzigartig! Ihre Positionierung beweist es

Nach der eingehenden Analysephase und Selbstreflexion gilt es, die Spreu vom Weizen zu trennen. Welche Ideen und Geschichten haben Potenzial für Ihre Unternehmenskommunikation? An diesem Punkt gilt es, Entscheidungen zu treffen und zu fokussieren. Zu viele verschiedene Ansätze und Aussagen verwirren den Konsumenten und die Partner in Handel und Gastronomie. Picken Sie ein bis zwei Aussagen heraus und definieren Sie Keywords, mit denen Ihr Weingut in Zukunft in Verbindung gebracht werden soll. Aus diesen Ergebnissen formulieren Sie in zwei, drei Sätzen für sich und Ihre Mitarbeiter die Positionierung. Das ist eine nüchterne Zusammenfassung der Unternehmensphilosophie, die dem internen Verständnis und der Zielausrichtung dient. Wichtiger Bestandteil ist darin ein einzigartiges Verkaufsversprechen, der USP (Unique Selling Proposition).

 

„Die Positionierungsstrategie beruht nicht unbedingt darauf, etwas Neues oder Einmaliges zu schaffen, sondern nutzt und verbindet auch vorhandene Ge-danken, gestaltet sie um und verknüpft sie zu neuen Assoziationen.“ Aus: „Rasierte Stachelbeeren“, Peter Saw-tschenko, Andreas Herden, Gabal Verlag GmbH, Offenbach, 2000

 

Schritt 4: Zuhörer, Dialoggruppen – Kommunikation mit der Crowd

Kennen Sie Ihre Dialoggruppen? Wer kommt mit Ihrem Betrieb und Ihren Weinen in Berührung? Nicht nur die Frage, wer Ihren Wein kauft oder verkauft, ist relevant, sondern auch wer Ihre Weine bespricht (privat, online oder in Fachkreisen) oder über Ihr Weingut berichtet, ist von großem Interesse. All diese Menschen sind für das positive Image Ihres Unternehmens von Bedeutung und sollten über Ihre Betriebsphilosophie bestens Bescheid wissen. Sie gilt es, mit Informationen und Storys zu füttern. Sie sind wichtige Botschafter Ihrer Sache. Zu Ihren Dialoggruppen zählen neben Ihren Kunden und Händlern auch Ihre Mitarbeiter, Ihre Lieferanten, die Damen und Herren in der Bauernkammer, die Ihre Weinproben in Empfang nehmen, Ihre Nachbarn, Ihre Ansprechpartner in der Bank und im Gemeindeamt, Sommeliers, diverse Gastronomie-Ausbildungsstätten und natürlich Journalisten, Blogger und Weinliebhaber etc.

Schritt 5: Botschaften definieren und Maßnahmen setzen

Haben Sie Ihre wichtigsten Dialoggruppen definiert, überlegen Sie, welche Informationen für die einzelnen Gruppen interessant sind. Dass Ihr Heurigen, Ihre Buschen-schank neue Öffnungszeiten hat, ist in erster Linie für Ihre Privatkunden von Interesse. Wenn Sie demnächst einige Raritäten aus Ihrem Depot in den Verkauf bringen, ist diese Information für Sommeliers und Vinotheken ein großes Thema. Ihre Sonderabfüllungen und individuellen Rotwein-Cuvées sind für Gastronomie und Weinfachhandel interessant. Einige Themen überschneiden sich dabei und sind – unter unterschiedlichen Aspekten – für mehrere oder alle Dialoggruppen relevant. In gezielten Botschaften filtern Sie Informationen und „übersetzen“ die wesentlichen Inhalte für die einzelnen Dialoggruppen. Diese Vorbereitung hilft bei der Planung Ihrer Marketing-Maßnahmen: Welche Informationen kommen auf die Homepage und fließen in Ihre Social-Media-Kampagne ein, welche Themen sind nur für Gastronomie bzw. Handel von Interesse und wie ist die zeitliche Abfolge. Grundsätzlich sollten über Neuheiten zuerst Medien und Partner aus dem Handel informiert werden, damit diese in weiterer Folge darüber berichten bzw. Stoff für die Kommunikation mit ihren Kunden erhalten. Und erst danach sollten Sie Ihre Stammkunden und die breite Masse davon in Kenntnis setzen. Sonst schießen Sie sich den „News-Wert“ Ihrer Neuigkeiten selbst ab.

Ihre Positionierung lebt von der praktischen Umsetzung. Das beginnt bei Ihrem Fotomaterial und Ihrem Folder und geht bis zur Gestaltung und Textierung Ihrer Homepage, Ihres Imagevideos, Ihres Messestands und Ihres Social-Media-Auftritts – alles sollte zu Ihrer Positionierung passen und ein einheitliches und authentisches Bild ergeben. Nur so können Sie aus der Masse hervorstechen, sich bewusst von anderen hervorragenden Weinproduzenten abheben und mit Ihrem Produkt überzeugen. #

Fünf Tipps für eine gute Kommunikationsstrategie:

  • Wagen Sie einen Blick von außen.
  • Selbstreflexion: Stärken und Schwächen analysieren.
  • Fokussieren Sie auf Ihre Einzigartigkeit.
  • Authentisch bleiben!
  • Leben Sie Ihre Positionierung.

Die Autorin

Bernadette Steurer-Weinwurm, akademisch geprüfte PR-Beraterin,
seit 2001 im Weinmarketing aktiv

www.diezwei-marketing.at

www.facebook.com/diezwei.marketing

Workshop „G’schichteln digital erzählen“

Die Inszenierung des eigenen Betriebs und die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte.
Story-telling bietet enormes Potenzial, um die Kunden an sich zu binden.

Termin: 25. April 2019, 9 bis 12 Uhr

diezwei marketing, Baden, Kosten: € 150,– (exkl. Ust.), bsw@diezwei-marketing.at