Zahlreiche österreichische Winzer arbeiten bereits mit Fachhändlern in Deutschland zusammen. Trotzdem ist dieser für Österreich wichtige Absatzkanal eine relativ unbekannte Größe. Nur wenige Daten sind dazu vorhanden.
Ausbaufähig
Caroline Jung hat für ihre Dissertation an der Hochschule Geisenheim den deutschen Fachhandel eingehend analysiert und präsentierte in ihrem Vortrag die Ergebnisse ihrer Studie zu den unterschiedlichen Weinhandelskonzepten der Fachhändler in Deutschland. Sie konnte eine sehr dynamische Entwicklung in den letzten Jahren nachvollziehen und hob hervor, dass LEH, Discounter und Onlineshops eine immer stärkere Konkurrenz für den traditionellen Fachhandel darstellen.
Jung nennt eine Zahl von rund 1.500 individuellen Weinfachhändlern in ganz Deutschland, von denen ein Großteil Kleinunternehmer mit einem Umsatz von weniger als 300.000€ pro Jahr sind. Viele betreiben den Weinhandel im Nebenerwerb.
Die am besten entwickelten Märkte sind Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg und Berlin. Das Weinangebot der Fachhändler kommt zum Großteil aus Deutschland, Italien und Frankreich. Österreich besitzt aktuell einen Anteil von 3,4% am Weinsortiment, ist aber bei 33% der von Jung befragten Fachhändler überhaupt nicht im Sortiment vertreten, vor allem in Norddeutschland. Hier gibt es demnach weiteres Potenzial für den österreichischen Wein.
Laut, aber diskret
Tipps für den Weg in den Fachhandel gab Marian Kopp, der sowohl Geschäftsführer der Genossenschaft Deutsches Weintor in der Pfalz als auch Marketingprofi ist. Er beschrieb den deutschen Fachhandel am Beginn seiner Rede als harte Nuss, die es zu knacken gilt – ein Markt, der sich am Ende aber als leicht zugängliches, vielfältiges „Studentenfutter“ entpuppen kann. Kopp erinnerte eindringlich daran, dass Qualität alleine nicht ausreiche. In einem erfolgreichen Marketing-Mix sei es notwendig, „so laut wie nötig und so diskret wie möglich“ zu agieren.
Die Winzer hätten laut Kopp die Aufgabe, eine Identität (Marke) zu schaffen, Innovation anzubieten sowie eine Marketingleistung zu erbringen; ein „guter Preis“ sei dann eher Nebenbedingung. Besonders wichtig sei es, Vertrauen zwischen Winzer und Händler aufzubauen, das Wiedererkennen und Wiederfinden der Produkte zu ermöglichen und eine optimale gegenseitige Erreichbarkeit zu schaffen.
Faire Partner
Frank Roeder, Master of Wine (MW) und erfolgreicher, mehrfach ausgezeichneter Fachhändler (VIF), führt österreichische Weine seit 2004 im Sortiment. Er erläuterte in seinem Vortrag, was sich der Fachhandel vom Partner erwartet. Dennoch könne man keine allgemein gültigen Aussagen treffen, da der deutsche Fachhandel extrem fragmentiert und individuell gestaltet sei. Grundsätzliche Bedingungen wären:
Gute Produkte
Frank Roeder führte aus, welche Anforderungen „gute Produkte“ erfüllen sollten. Einerseits seien Weine erforderlich, die ein breites Publikum ansprechen. Spezialitäten seien auf der anderen Seite nur in begrenzter Menge nötig – zur Profilierung, da diese Weine erhöhten Erklärungsbedarf besäßen, so Roeder.
Die Produkte sollten eine stilistische Kontinuität aufweisen, genauso eine erkennbare Handschrift. „Auch Entwicklungspotenzial sollte erkennbar sein, unter dem Motto: Jedes Jahr ein bisschen besser. Denn wer aufhört besser zu werden, der hört auf gut zu sein“, gab Frank Roeder zu verstehen. Anregungen des Partners ernst zu nehmen, könne Vorteile für beide Seiten bringen.
Gute Preise
Ein guter Preis bedeutet für Frank Roeder „fairer Gegenwert“. Besonders wichtig sei aber eine gewisse Preiskontiniutät. Preissprünge (z. B. bei kleinen Ernten) sollten vermieden werden. „Es sei denn, die Qualität hat sich verbessert – dann ist eine Preiserhöhung durchaus akzeptabel“, meint er weiter. Für alle Händler seien einheitliche Preise einzuhalten, da der deutsche Markt hochtransparent sei. Gute Absatzzahlen könne der Winzer z. B. mit Gratisflaschen oder Rabatten honorieren.
Gelebte Partnerschaft
Sich zu kennen, ist Grundvoraussetzung. Dazu gehören gegenseitige Besuche und den Partner mindestens einmal im Jahr zu treffen. Dies kann im Rahmen von Einladungen zur Betriebsbesichtigung oder auf Messen passieren. Eine intensive Kommunikation auf einer offenen und ehrlichen Basis sollte selbstverständlich sein und die rechtzeitige Information über Änderungen, Neuigkeiten und Hintergründe ist notwendig. „Der Newsletter-Versand wird überschätzt. Das reicht bei Weitem nicht aus“, stellt Roeder klar. Von Seiten des Händlers wird außerdem eine gewisse Marketingunterstützung erwartet, zum Beispiel indem Informationen, Bilder und Flaschenfotos zur Verfügung gestellt werden. Auch die Präsenz des Winzers auf einer Hausmesse wissen Fachhändler sicherlich zu schätzen.
„Aber natürlich ist Partnerschaft keine Einbahnstraße“, verdeutlicht Frank Roeder, „auch der Winzer hat das Recht, gewisse Leistungen einzufordern.“ Vereinbarte Zahlungsziele seien einzuhalten und es sei legitim, Absatzziele zu formulieren oder gemeinsame Möglichkeiten zur Absatzförderung zu erörtern. Der Winzer hat genauso das Recht, für seine Weine Engagement auf Seiten des Händlers einzufordern.
Werdet nicht arrogant!
Bei der anschließenden Paneldiskussion bestätigte Willi Klinger, Geschäftsführer der ÖWM, dass die deutsche Führungsrolle in Bezug auf die österreichischen Weinexporte unbestritten bleibt, auch wenn andere Märkte, wie Skandinavien, die Schweiz und die Benelux-Länder zunehmend wichtiger werden. „Die Zeiten des Fassweinhandels sind allerdings vorbei“, betont Klinger. Es sei noch mehr auf Qualität zu setzen und der österreichische Wein müsse aus dem Segment unter 2€ (in deutschen Supermärkten) verschwinden.
Es folgte eine halb scherzhafte Ermahnung „Werdet nicht arrogant!“ von Marian Kopp, der auch an den besonderen Status Österreichs als beliebtestes Reiseziel der Deutschen erinnerte. Frank Roeder räumte ebenfalls ein, dass die breite Masse bedient werden muss. Österreich wird in Deutschland eindeutig als Weißwein-Land gesehen. Mit leicht verständlichen Einstiegsweinen könne man aber auch die deutschen Konsumenten an Weine wie den Blaufränkisch heranführen.
Roman Horvath MW beschrieb in seiner Wortmeldung den deutschen Markt als „nicht leicht und relativ konservativ – andere Märkte sind tatsächlich lustiger und spannender.“ Die Kleinstrukturiertheit und der hohe Wettbewerb machen Deutschland zu einem aufwändig zu betreuenden Markt.
Natur braucht Definition...
Der Nachmittag der Winzerkonferenz war den derzeit im Trend liegenden „Natural Wines“, „Orange Wines“ oder „Extremweinen“ gewidmet. Andreas Essl, Weinakademiker und Journalist, gab einen Überblick über die Spielarten jener Weine, versuchte sich an einer Definition und nannte „Nicht-Intervention“ oder „Minimal-Intervention“ als wichtige Schlagworte. Zwischen Avantgarde und Tradition liegend erfährt das Zusammenspiel von Mensch und Natur bei der Herstellung von „Naturweinen“ eine Aufwertung.
Andreas Essl: „Die ‚Orange Wines‘ offenbaren eine neue Geschmackskategorie. Es handelt sich oft um Weine, die sich einer sofortigen Bewertung entziehen. Sie sind als Revolte gegen den Massengeschmack zu sehen.“
Clive Barlow MW gab einen Einblick in den britischen Markt und hob das Problem der fehlenden Definition von „Natural Wines“ besonders hervor. Für Barlow ist noch nicht klar, ob es sich hier um die „Mode eines Jahrzehnts“ oder ein längerfristig erfolgreiches Nischenprodukt handelt. Auch die Referenten für den US-Markt (Christy Canterbury MW) und den schwedischen Markt (Ulf Sjödin MW) sahen eine Chance für „Natural Wines“, sprachen aber konkret das Problem der Transportstabilität der Weine und Flaschenunterschiede an.
Die abschließende Podiumsdiskussion wurde durchaus emotional geführt und durch zahlreiche Wortmeldungen aus der Zuhörerschaft (hauptsächlich Winzer und Weinakademiker) ergänzt, die eine positive Einstellung diesen Weinen gegenüber erkennen ließen. Der Terminus „Naturwein“ scheint dennoch zu polarisieren. Eine Definition sahen alle Diskutanten als dringend notwendig. Ob Modeerscheinung oder nicht, der bevorzugte Markt für diese Weine scheint On-Trade zu sein, das heißt über die Gastronomie, wo man im Gegensatz zum Heimkonsum dem Erklärungsbedarf der Weine gerecht werden kann.
Mit dem Grand Tasting von „Natural Wines“ und anderen „Extremweinen“ fand die X. Winzerkonferenz in Rust einen würdigen Abschluss.