14865648349368.jpg

Die Auswirkungen des Klimawandels auf den Weinbau diskutierten Weinbaupräsident Johannes Schmuckenschlager, Moderatorin Birgit Perl, Univ.-Prof. Astrid Forneck und Marco Hofmann vom Geisenheimer Weinbau-Institut (v.l.)

Klimawandel im Weingarten und Keller

Ein Artikel von DI Walter Kaltzin | 08.02.2017 - 15:39

Die Wintertagungen des Ökosozialen Forums gelten als größte agrarische Informations- und Diskussionsveranstaltung Österreichs. Im Eröffnungs-Statement bei der Weinbau-Tagung in der Burg Perchtoldsdorf betonte Weinbau-Präsident Johannes Schmuckenschlager, dass zu den klimatischen Herausforderungen auch immer höhere Ansprüche seitens der Konsumenten an das Produkt Wein gestellt werden. „Welchen Weg die Winzer dabei gehen - konventionell oder bio – das wollen wir jedem Einzelnen selbst überlassen“, betonte Schmuckenschlager. Tatsache sei jedenfalls, dass es Herausforderungen über die Grenzen hinweg gebe und eine wissenschaftliche Begleitung unbedingt notwendig sei. 
  Der Klimawandel ist in den Medien allgegenwärtig und auch im Weinbau präsent. Im ersten Block der Veranstaltung kamen die Folgen des Klimawandels in den Weingärten zur Sprache. Marco Hofmann von der Hochschule Geisenheim, Institut für allgemeinen und ökologischen Weinbau, zeigte diese Auswirkungen im Detail auf. Der Klimawandel habe den Weinbau langfristig schon immer beeinflusst. Nach einem klimatischen Hoch im Mittelalter kam die Kleine Eiszeit zwischen dem 15. und 18. Jahrhundert. Anhand verschiedener Parameter zeigte der Wissenschaftler in Form von Grafiken auf, wie sehr es ­jedoch in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu Veränderungen gekommen sei. „Die Klimamodelle der Zukunft weisen alle in eine Richtung“, erläuterte Hofmann: „Die globalen Weinbauzonen verschieben sich. Auf der Nordhalbkugel Richtung Norden und umgekehrt.“ Besonders die Mittelmeerregion werde darunter leiden und aufgrund von mehr Hitze und Trockenheit sich Richtung afrikanischer Verhältnisse entwickeln. In unseren Breiten (Österreich/Deutschland) sei mit steigenden Durchschnittstemperaturen und vor allem mit mehr Extremereignissen zu rechnen. Längere Trockenphasen wie auch eine Zunahme von Starkniederschlägen vor der Ernte prognostizieren die Klimamodelle, so Hofmann. Die Folge: Trockenstress und Traubenfäulnis werden zyklisch auftreten! 
  Wie die Reben mit dem Stress klarkommen, stellte im Anschluss die Leiterin der Abteilung Wein- und Pflanzenbau an der BOKU, Astrid Forneck, vor. Die Universitäts-Professorin sieht den Winzer als Risikomanager gefordert, denn bis zu einem gewissen Grad könne die Pflanzenabwehr beeinflusst werden. Mit einem Nachsatz stellte Forneck aber zugleich klar: Am wenigsten könne dies beim Frost erfolgen. 
  Anmerkung der Redaktion: Die März-Ausgabe von Der Winzer beschäftigt sich intensiv mit dem Thema „Spätfrost“. 

Klimawandel und Schädlinge

Monika Riedle-Bauer von der HBLA/Bundesamt für Wein- und Obstbau Klosterneuburg referierte über das verstärkte Auftreten von Schädlingen im Zuge des Klimawandels. Höhere Durchschnittstemperaturen, mehr Hitzetage, wärmere Nächte und höhere Wintertemperaturen sowie eine längere Vegetationsdauer tragen zum vermehrten Auftreten von Schädlingen bei. Vor allem höhere Temperaturen lassen die Überlebensraten und die Entwicklungsgeschwindigkeiten deutlich steigen. 
  Einem besonderen Schädling, der Amerikanischen Rebzikade (ARZ) und Flavescence dorée (Goldgelbe Vergilbung), widmeten sich die beiden Vortragenden Gudrun Strauss von der AGES und der ehemalige Präsident des Internationalen Rebveredlerverbands Gilbert Jenny aus Frankreich. 
  Die Quarantänekrankheit Flaves­cence dorée (FD) werde vom Vektor ARZ durch zellwandlose Bakterien (Phytoplasmen) übertragen, führte die Fachexpertin Strauss aus. Die hohe Relevanz der Krankheit ergebe sich durch den großen wirtschaftlichen Schaden, den ein Massenbefall bewirken kann. Am Beispiel der Steiermark zeigte die Wissenschaftlerin auf, wie die Krankheit sich im Süden von Österreich entwickelt hätte. Ursprünglich Mitte des 20. Jahrhunderts aus Amerika eingeschleppt, sei sie aus dem Süden nach Österreich gedrungen und erstmals 2004 in der Steiermark festgestellt worden. Mittlerweile lägen auch Befallsherde im Burgenland vor. In Niederösterreich fand man bislang lediglich den Überträger, die Amerikanische Rebzikade. Nach behördlich verpflichtenden Rodungen von betroffenen Rebstöcken und Spritzungen gegen den Überträger sei es in der Steiermark gelungen, die Befallszonen von vier auf zwei zu reduzieren. Eine Eindämmung, so das erklärte Ziel, sei also nach Strauss möglich. 
  Weit von einer Eindämmung entfernt ist man in Frankreich. Für den Elsässer Rebveredler Jenny sei die
Flavescence dorée das größte und schwierigste Problem in den vergangenen 15 bis 20 Jahren gewesen. „Ein befallener Rebstock ist zum Tode verurteilt. Die Winzer haben Angst davor“, brachte Jenny die Problematik auf den Punkt. Aus seiner Sicht gebe es nur drei Bekämpfungsmöglichkeiten: die Produktion gesunder Pflanzen durch Warmwasserbehandlung (Zertifizierung), die Entfernung der kranken Pflanzen im Weingarten und den Kampf gegen den Vektor mit Insektiziden. Man müsse alle drei Möglichkeiten gleichzeitig nützen, betonte er eindrücklich. 
  Eine Diskussionsrunde beleuchtete im Anschluss den Umgang mit den neuen Schaderregern aus verschiedenen Perspektiven: seitens der Behörden, der betroffenen Winzer und der Wissenschaft. Fazit: Fachliche Informationen zur Sensibilisierung der Winzerschaft, ein genaues Monitoring sowie notfalls Rodungen sind unerlässlich. 

Spürbare Folgen im Keller

Im dritten thematischen Block betrachteten die Vortragenden die Folgen des Klimawandels in der Kellertechnik. Eingangs erläuterte Ulrich Pedri, Leiter der Kellerwirtschaft in Laimburg, wie man in Südtirol über eine genauere Weinbauzonierung auf die geänderten Rahmenbedingungen eingehen will. In den warmen trockeneren Tallagen kämen vermehrt Rotweine zum Anbau, während Weißweine sich in Richtung höhere Lagen zurückziehen. 
  Maßnahmen und Auswirkungen des Klimawandels auf das Säure- und Alkoholmanagement zeigte Dieter Blankenhorn, Leiter der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt in Weinsberg, auf. Es gebe verschiedene technische Verfahren, um den Alkohol im Wein zu reduzieren - darunter auch mittlerweile erschwingliche. Doch bevor es so weit kommt, gebe es eine Hierarchie von Maßnahmen, um den Säureverlust und hohe Alkoholwerte zu vermeiden. Stichworte hierzu: Weingartenmanagement, Lesezeitpunkt, Kelterverfahren, Hefeauswahl, Verschnitt etc. 
  Blankenhorn präsentierte weiters eine interessante deutsche Studie zum Einfluss von Lesezeitpunkt und Alkoholreduktion auf die Sensorik bei der Sorte Riesling. Eine pauschale ­Betrachtung der Effekte unterschied­licher Weinstile auf den Konsumenten könne nur eingeschränkt erfolgen, denn die Wahrnehmung sei von Konsument zu Konsument unterschiedlich. Doch lasse sich die Sensorik des Rieslings durch die Wahl des Lesezeitpunkts und durch eventuelle Alkoholreduktion von „sauer“ über „grün“ bis hin zu „tropisch“ und „überreif“ gezielt beeinflussen.   
  www.oekosozial.at