14476627776177.jpg

Fünf Länder, ein Projektziel: Inwieweit wirkt sich die Vielfalt von Bodenorganismen auf wichtige Prozesse im Weingarten aus? Die beteiligten Forschungseinrichtungen:

Biodiversität im Fokus

Ein Artikel von Dr. Michaela Griesser | 16.11.2015 - 09:32

Der Begriff „Nachhaltigkeit“ wird in den unterschiedlichsten Bereichen verwendet. Im Kontext der landwirtschaftlichen Produktion beschreibt er ein System der ressourcenschonenden Nutzung von Flächen und Produktionsmitteln, die eine Bewahrung, Stabilität und Regeneration des gesamten Systems gewährleistet. Diese ökologischen Faktoren werden durch ökonomische und soziale Faktoren ergänzt. Der Österreichische Weinbauverband setzt mit der Etablierung eines Zertifizierungstools, basierend auf diesen drei Säulen einen wichtigen Schritt in Richtung nachhaltigen Weinbau.

Ökosystemdienstleistungen auf dem Prüfstand

Im Frühjahr 2015 konnte das Projekt „Managementkonzept für mitteleuropäische Weingarten-Ökosysteme zur Förderung von Ökosystemdienstleistungen im Weinbau (PromESSinG)“ initiiert werden. Die Abteilung Wein- und Obstbau unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Astrid Forneck untersucht in einem 3-jährigen EU-Projekt (BiodivERsA/FACCE-JPI) in einem Konsortium mit Partnern aus vier weiteren Ländern, inwieweit die Vielfalt von Bodenorganismen sich auf wichtige Prozesse und Produktionsfaktoren, wie z.B. Bodenfruchtbarkeit, Schädlings- und Unkrautkontrolle oder Wasserhaushalt in Weingärten, auswirkt. Diese Serviceleistungen eines Ökosystems, die durch die Bewirtschaftung vom Menschen genutzt werden, bezeichnet man als Ökosystemdienstleistungen. Sie werden wiederum geprägt von den unterschiedlichen Prozessen, die in einem Ökosystem ablaufen, wie z.B. Abbau organischer Substanz, Verdunstung oder Temperaturregulation. „Es gibt große Wissenslücken bezüglich der Wechselwirkungen zwischen Artenvielfalt und diesen sogenannten Ökosystemdienstleistungen, d.h. Dienstleistungen der Natur zum Nutzen des Menschen“, erläutert die Konsortium-Chefin Prof. Dr. Ilona Leyer von der Hochschule Geisenheim. Die Wichtigkeit des Themas zeigt sich durch die Bewilligung von insgesamt zehn Projekten im „BiodivERsA/FACCE-JPI“-Programm, unter anderem einem weiteren Projekt mit Beteiligung österreichischer Winzer und Wissenschaftler der BOKU (Inst. für Zoologie; Inst. für Integrative Naturschutzforschung).

Komplexes Zusammenspiel

Ein fruchtbarer Boden ist ein essenzieller Produktionsfaktor, insbesondere für mehrjährige Weinreben mit einer Kultivierungsdauer von 20 oder mehr Jahren. In dem Projekt werden die Quantität und Qualität wichtiger funktioneller Gruppen aus den Bereichen Mikro-, Meso- und Makrofauna erhoben und ihre Effekte auf wichtige Funktionen des Bodens untersucht. Eine dieser Funktionen ist der Abbau organischer Substanz und in der Folge der Aufbau von Humus. Die Umsetzung organischer Substanz im Boden hängt entscheidend von der Aktivität von Bodenmikroorganismen ab. Dieser Prozess bestimmt im Zusammenwirken mit der Bodenstruktur und Bodentextur auch über die Verfügbarkeit essenzieller Bestandteile für das Pflanzenwachstum, wie Sauerstoff, Wasser und pflanzenverfügbare Nährstoffe. In Weingärten werden die natürlichen Prozesse durch die Bodenbewirtschaftung beeinflusst. Ein angepasstes Begrünungsmanagement ist ein wichtiger Faktor im modernen, nachhaltigen Weinbau und hat somit eine zentrale Funktion im Projekt. Anhand von drei Bearbeitungsvarianten (offene Bodendecke, alternierende Variante, permanent geschlossene Bodendecke) werden auf zwölf Versuchsflächen die mehrjährigen Effekte sowohl auf die Bodenfauna wie auch auf die Vitalität der Reben und die Fruchtqualität analysiert. Ebenso interessiert der Einfluss der an die Weingärten angrenzenden Landschaftselemente. Dabei soll geklärt werden, inwieweit und in welcher Form sich eine hohe Di­versität von Randstreifen auf das Ökosystem Weingarten auswirkt. Diese Untersuchungen werden in ­dieser Form erstmals in einem internationalen Konsortium durchgeführt und erlauben den Vergleich im zentraleuropäischen Raum.

Erkenntnisse für Nachhaltigkeitsstrategie

Die erwarteten Ergebnisse sind wichtige Informationen, die in den Prozess der Nachhaltigkeitsstrategie des Österreichischen Weinbauverbandes eingehen werden, um das bereits vorhandene System mit Daten zu unterstützen und zu adaptieren. Die Winzer erhalten somit mehr ­Informationen, um ihr Produktionssystem in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht beurteilen zu können.

Im ersten Jahr des Projektes wurden die Flächen ausgewählt, die Bearbeitungsvarianten etabliert und die ersten Untersuchungen durchgeführt. Für das Projekt konnten sehr engagierte Winzer gewonnen werden. Darüber hinaus wird das Projekt vom Öster­reichischen Weinbauverband, von der Österreichischen Hagelver­sicherung, der Landwirtschaftskammer Niederösterreich und der Niederösterreichischen Versicherung unterstützt. Laufende Aktivitäten und Informationen zum Projekt werden auf der PromESSinG-Homepage (www.promessing.eu) dargestellt

Die Autorin

Dr. Michaela Griesser, Projekt­leiterin;
BOKU Wien, Department für Nutzpflanzenwissenschaften,
Abt. Wein- u. Obstbau
E-Mail: michaela.griesser@boku.ac.at