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Podiumsdiskussion über die Chancen und Risiken im Lebensmittelhandel und in der Gastronomie

Chancen und Risiken im Weinhandel und in der Gastronomie

Ein Artikel von red. | 03.03.2014 - 00:35
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Podiumsdiskussion über die Chancen und Risiken im Lebensmittelhandel und in der Gastronomie

Oberflächlich betrachtet zeigt sich der österreichische Weinmarkt ausgeglichen: Einer durchschnittlichen Weinernte von 2,5 Mio. hl steht ein Konsum von rund 2,5 Mio. hl gegenüber. Jedoch hat es in den letzten Jahrzehnten unter den Einkaufsquellen große Marktanteilsverschiebungen gegeben.

Die Marktmacht des LEH

Während noch vor einigen Jahrzehnten der Ab-Hof-Verkauf einen Anteil von mehr als 50 % hatte, so reduzierte sich der Anteil heute auf rund 25 %. Im Gegenzug hat besonders der Lebensmittelhandel zugelegt. Die Bedeutung des Weinfachhandels (Vinotheken) ist annährend gleich geblieben. Immer mehr Winzer sehen sich gezwungen, mit dem übermächtigen Lebensmittelhandel Geschäfte zu führen.

Christian Zechmeister von der Wein Burgenland skizzierte zur Eröffnung der Diskussionsrunde einige Umsatzzahlen der Vertriebsschienen und verdeutlichte die konstante Zunahme der Marktmacht seitens des Handels.

Herbert Toifl, von der zur REWE-Gruppe gehörenden großen Wegenstein-Kellerei, sieht sich wie jeder Winzer einem ständigen Optimierungsprozess gegenüber. Die Kellerei versuche das Einstiegssegment abzudecken und sei auf eine konsequente Partnerschaft mit den liefernden Winzern angewiesen. Wachstum sieht Toifl vor allem im Mittel- und Hochpreissegment. „Alle Weine müssen sich von selber verkaufen“, lautet die Botschaft an die Winzerschaft.

„Bevor wir mit jemand anfangen, müssen wir jemand rausnehmen“; mit diesen Worten brachte Martin Feichtner, Einkäufer bei Wein & Co, den aktuellen Verdrängungswettbewerb auf den Punkt. Feichtner sieht den Endkonsumenten zunehmend preissensibler. Während früher noch große Winzer im Sortiment gesucht waren, so bringen heute die kleinen Betriebe den Vorteil mit, dass die Austauschbarkeit mit anderen Einkaufsquellen geringer ist. Bioweine zählt der Einkäufer zu den aktuellen Trends, ebenso dass Eigenmarken und deutsche Weine (Rieslinge) an Bedeutung bei Wein & Co gewinnen.

Seitens des Weinfachhandels nahm Sepp Sailer von der burgenländischen Vinothek Sailer in Frauenkirchen Stellung zu den aktuellen Entwicklungen. Die Stärke seines Betriebes liege in der persönlichen Beratung. Ziel sei es, lokale Weine ins Programm zu nehmen, die sich von selber verkaufen. Dass dies nicht immer möglich sei, sei klar. Daher wünsche sich Sailer, mit Freiflaschen versorgt zu werden, um auch unbekanntere Weine in der Vinothek präsentieren zu können. Weißwein sei eindeutig im Trend.

Genau wie Sailer sieht auch Markus Wieschoff von Metro Schwierigkeiten, so wie früher Rotweine an den Mann zu kriegen. Er warnte in diesem Zusammenhang aber davor, eine Billigpreisstrategie einzuschlagen. Durch konsequente Qualitätspolitik habe es Metro geschafft, Wachstum im Weinbereich zu generieren. „Persönliche Kontakte zu den Winzern sind mir immens wichtig“, erklärte Wieschoff die positive Firmenentwicklung, zudem sei das Sortiment wesentlich überarbeitet worden. Neben dem Trend zu Weißwein sieht der Experte zunehmend Chancen für kleine, interessante Betriebe.

In der heimischen Gastronomie hält der Konsument den österreichischen Wein die Stange. Konkurrenz erwächst dem Wein in der Gastronomie etwa durch Bier, stellte Martin Widemann, Präsident des Niederösterreichischen Sommeliervereins, fest. Bieranbieter binden in vielen Fällen mit verlockenden Angeboten den Gastronomen an sich. So bietet die Branche oft gleich die Kühlung des Getränkes an oder lockt den Gastronomen mit Gratisgläsern. Dies könne ruhig als Anregung verstanden werden, dass Winzer auch in diese Richtung denken sollten. Als Ansatzpunkt um Gastronomen zu gewinnen, gelte es sich zu überlegen, ob nicht die Weinwissensdefizite mancher Wirte genutzt werden sollten, um über Schulungen das Geschäft mit Wein anzukurbeln. Widemann stellte auch in Aussicht, dass eine Kooperation von Winzern aus unterschiedlichen Regionen durchaus attraktiv für den Gastronomen sein könnte. Rundum-Pakete, eventuell inklusive Weinkartengestaltung, könnten in manchen Fällen den Ausschlag fürs Geschäft geben. Chancen sieht Widemann auch im Kampf gegen Cola & Co.: Warum nicht Traubensaft anbieten?

Rotes aus dem Burgenland

Der zweite Teil der Diskussion beschäftigte sich mit dem burgenländischen Rotwein, der nach dem Boom vor vor zehn bis 15 Jahren nun auf dem Markt einen schweren Stand hat. Seitens Wein & Co empfahl Martin Feichtner vor allem an Weine für den täglichen Bedarf zu denken. Weg vom Übermaß an Holz und Alkohol, dafür hin zu mehr Frucht. Man sollte nicht nur auf die DAC-Sorten setzen, sondern den Nischen einen würdigen Platz einräumen.

Hoher Alkohol hält auch der Metro-Verkäufer Wieschoff wie Sommelier Widemann für verkaufshemmend. „Wenn die Weine erst in zehn Jahren Trinkreife erhalten, ist dies schlecht für den Verkauf in der Gastronomie“, präzisierte der Sommelier. Für Herbert Toifl nimmt auch das gestiegene Ernährungsbewusstsein Einfluss auf die Zurückhaltung bei Weinen mit höheren Alkoholgehalten. Widemann sieht den Markt für Rotwein gesättigt, zudem seien viele klassische Blaufränkische zu dünn, um als Speisenbegleiten fungieren zu können: "Es fehlt in vielen Fällen ein Angebot im Mittelklassebereich", präzisiert der Sommelier.

Vinotheksexperte Sailer verdeutlichte den Wandel der Weinkonsumenten. Während früher Rotwein einen Anteil von 80 % in seiner Vinothek hatte, so sei jetzt der Weißwein mit zwei von drei Flaschen umsatzverantwortlich. Sailer sieht in seinem Betrieb noch Chancen für Rotwein im Preissegment bis 12 € und dann erst wieder jenseits von 20 €.

„Winzer sollten sich nicht zu schade sein, das Massengeschäft zu bedienen. Schade dass es keine Tetrapackweine mehr aus Österreich gibt“, so der Experte von Metro, der sich wünscht, dass heimische Winzer weniger Berührungsängste vor dem Geschäft mit dem Doppler haben.

Ob die Roséschiene eine Lösung für den derzeitigen Rotweinüberhang darstelle, wurde von den Experten verneint. Österreich sei kein Roséland. „Rosé funktioniert nur dort, wo es keine frischen Weißweine gibt“, brachte es Feichtner auf den Punkt. Mit einem erfolgreichen Beispiel aus der Sommelierpraxis zeigte Wiedemann auf, wie sehr die Emotionen beim Wein eine Rolle spielen. Eine Einladung eines Weinguts zur Betriebsbesichtigung machte einen Sommelierlehrling zum ausgesprochenen Fan des Weinguts, was sich in kurzer Zeit in den Umschlagszahlen des Winzer niederschlug. Kundenbindung sei ein Schlüsselfaktor für Wiedemann, Investitionen in Mitarbeiterschulungen deswegen sehr sinnvoll. Abschließender Tipp von Wieschoff: „Erfolgreiche Winzer verkosten immer die Konkurrenz und kennen die Entwicklungen am Markt vor allen anderen“.

Einigkeit herrschte bei allen Diskutanten in der Frage der Kalkulation von Wein in der Gastronomie. Die Aufschläge seien oft ungeheuerlich und damit eindeutig umsatzhemmend.