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Wenn Personal fehlt und es schnell gehen muss, ist der Vollernter unersetzbar

Vorteile und Besonderheiten der maschinellen Lese

Traubenvollernter auf dem Vormarsch

Ein Artikel von Irene Rittler, BA | 13.05.2025 - 13:04

Die Lese zählt für Winzer zur arbeitsintensivsten und zugleich wichtigsten Zeit im Jahr. Sie bringt naturgemäß auch die meisten Herausforderungen mit sich. Ein bekanntes Problem liegt in der Schwierigkeit, ausreichend Erntehelfer zu finden, die entsprechend qualifiziert und letztlich auch verfügbar sind, wenn geerntet werden muss. Auch der mit der Handlese verbundene Kostendruck ist ein wichtiges Thema für viele Betriebe. Darüber hinaus werden die klimatischen Bedingungen schwieriger: Hitze, Extremwetterereignisse und verschobene Erntezeitfenster zählen zu den neuen Rahmenbedingungen.

Erhöhte Schlagkraft

Traubenvollernter bringen aufgrund der hohen Erntegeschwindigkeit entscheidende Vorteile im Vergleich zur Handlese. Abhängig von Weingartenstruktur und der effektiven Fahrtgeschwindigkeit (üblicherweise bis zu 3–5km/h) kann ein Hektar innerhalb von rund zwei Stunden abgeerntet werden. Die manuelle Lese benötigt hierfür nicht nur deutlich mehr Zeit und Personal, sondern ist auch mit viel organisatorischem Aufwand (von Anmeldungen bis hin zu Unterkünften bei Externen) verbunden. Ist die Maschine verfügbar, kann entsprechend einfacher auch auf witterungsbedingten Zeitdruck bei drohendem Regen oder auf kurzfristige Anlieferungstermine für Traubenmaterial reagiert werden. Lesehelfer sind da weniger flexibel einsetzbar und oft nicht ausreichend und rasch verfügbar.

In heißen Erntejahren bringt auch die Möglichkeit zur Nachtlese entscheidende Vorteile – eine Option, die bei der Ernte mit der Hand nur schwer umzusetzen ist. Tagestemperaturen von dreißig Grad und mehr, wie es bei der Lese 2024 der Fall war, sind nicht nur für Menschen belastend. Die Hitze begünstigt auch qualitätsmindernde chemische und biologische Vorgänge im Traubenmaterial, das dementsprechend im Keller erst gekühlt werden muss. Mit Vollerntern kann diese Problematik umgangen werden, indem erst in den späten Nacht- oder frühen Morgenstunden mit der Ernte begonnen wird, sobald die Temperaturen entsprechend abgesunken sind.

Technische Möglichkeiten

Traubenvollernter sind bereits seit einigen Jahrzehnten im Einsatz und wurden stetig technologisch weiterentwickelt und verbessert. Zu den Marktführern zählen Pellenc, Ero, Braud (New Holland), Gregoire und Bargam. Verfügbar sind selbstfahrende Geräte sowie deutlich günstigere Maschinen, die von Traktoren gezogen werden, aber einen höheren Wenderadius am Zeilenende benötigen. Neuere Selbstfahrer können mittlerweile mit Geländesteigungen von bis zu 30 bis 40% arbeiten. Auch für Steillagen ist ein Gerät von Hoffmann aus dem Moseltal verfügbar.

Fahrern steht eine Vielzahl von Einstellungen und Hilfssystemen zur Verfügung, die eine möglichst schonende Bearbeitung von Anlage, Rebstöcken und Lesegut ermöglichen. Die Erntemaschinen fahren über der Zeile und lösen das Traubenmaterial durch den Einsatz von Schüttelstäben von den Rebstöcken. Weingärten mit Betonstehern sind aufgrund der Belastung durch die Vibrationen entsprechend nicht für die Maschinenlese geeignet. Die abfallenden Beeren werden durch Transportbänder aufgefangen. Moderne Geräte verfügen über Sortiersysteme, die das Traubenmaterial im Anschluss aufbereiten und die Stiele, Blätter und andere Fremdkörper mechanisch auslesen und im Feld ausscheiden. Auch Entrebelungseinheiten sind oft integriert, die Beeren von Stielen trennen können, sofern Trauben mit Stielgerüsten durch Bruch ins Lesegut gelangt sind. Das Erntegut wird in einem Behälter gesammelt, vor Ort in Lesewagen gekippt und zur weiteren Verarbeitung abtransportiert. Die Traubenübernahme im Keller will entsprechend vorbereitet sein. Sie ist der eigentlich limitierende Faktor in der möglichen Erntekapazität der Maschinen.

Die effektive Qualität des Ernteguts hängt maßgeblich von der Erfahrung des Vollernter-Fahrers ab. Werden die entsprechenden Feineinstellungen im Weingarten vorgenommen, können beispielsweise schadhafte Beeren am Stock belassen werden, sofern diese bereits eingetrocknet sind. Das erhaltene Lesegut kann oft qualitativ hochwertiger sein als bei Handlese mit (unqualifizierten) Helfern.

Faktor Erntekosten

Die im Vergleich zur Handlese deutlich niedrigeren Erntekosten zählen zu den großen Argumenten für die Maschinenlese.

Da die Anschaffungskosten für einen eigenen Traubenvollernter hoch sind, will das Gerät in jedem Fall gut ausgelastet werden. Der Kauf rechnet sich dementsprechend für Großbetriebe oder wenn zusätzlich für andere Betriebe im Lohnverfahren mitgeerntet wird. Die Investitionskosten für Selbstfahrer sind im Vergleich zu gezogenen Geräten wesentlich höher. Dementsprechend sind laut brancheninternen Schätzungen auch drei- bis viermal mehr gezogene Geräte im Ernteeinsatz anzutreffen. Statistisch erfasst werden jedoch nur die selbstfahrenden Maschinen.

Die gemeinsame Anschaffung und Nutzung von Geräten über Maschinenringe oder lokale Gemeinschaften ist besonders in Niederösterreich und im Burgenland eine oft genutzte Option, um Kosten zu teilen und die Geräte bestmöglich auszulasten.

Für Betriebe, die nicht selbst investieren möchten, sind Lohndienstleister eine gute Möglichkeit zur maschinellen Lese in den eigenen Weingärten. Je nach Region und Anbieter liegen die Kosten dafür zwischen 15 und 25 Cent pro Laufmeter bzw. grob zwischen 500 und 700 Euro pro Hektar. Voraussetzung ist jedenfalls die ausreichende Verfügbarkeit von Geräten und qualifizierten Fahrern in der eigenen Gegend, was nicht immer und überall der Fall ist. Nicht immer kann daher auch zum Wunschtermin gelesen werden. Die Vollernter legen üblicherweise nur kurze Wege zurück und sind am effizientesten in größeren und zusammenhängenden Flächen einsetzbar.

Limits der Maschinenlese

Besonders kleinteilig strukturierte Weingärten, Flächen, die an Böschungen grenzen, wenig Wenderaum am Zeilenende bieten oder terrassiert sind, sind nur schwer maschinell lesbar. Auch eine Auslese am Stock kann technisch mit einem Vollernter schlichtweg nicht umgesetzt werden. Teilweise ist die maschinelle Ernte auch nicht erlaubt oder gewünscht, wie etwa im Fall von DAC-Maschinenleseverboten oder individuellen Zulieferverträgen.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass vielerorts mittlerweile hauptsächlich maschinell gelesen wird und damit seit Jahren auch hervorragende Weinqualitäten erzielt werden können. So soll bereits 2019 fast die Hälfte der österreichischen Landessiegerweine maschinell gelesen worden sein. Seither wurden die Geräte stetig weiter verbessert.