Fachtag Weinwirtschaft

Klimawandel in Theorie und Praxis

Ein Artikel von DI Walter Kaltzin | 14.02.2019 - 14:20

Auch 2019 bot die Universität für Bodenkultur mit dem Standort Tulln den Rahmen für die Wintertagung des Ökosozialen Forums. Das Thema „Klimawandel“ erwies sich als gutes Zugpferd: Winzer, Studierende und Schüler sorgten für einen vollen Saal.

Experten beleuchteten den Klimawandel von verschiedenen Seiten. Im diesem ersten Teil der Berichterstattung liegt der Fokus auf dem Stand der Wissenschaft. Strategien zur Anpassung und
Best-Practice-Beispiele aus der Weinwirtschaft stehen im Mittelpunkt des zweiten Teiles, der in
der März-Ausgabe veröffentlicht wird.

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Großer Andrang am Fachtag „Weinwirtschaft“ bei der
Wintertagung des Ökosozialen Forums Ende Jänner 2019
(Universität für Bodenkultur, Tulln)

Wie sich das Klima in Österreich verändert

Die Ursachen des Klimawandels stehen für die Forschung fest: Der Mensch und seine CO2-Emissionen. Trotz zahlreicher (Pseudo-)Initiativen gehe es mit dem CO2-Gehalt durchgehend aufwärts, erklärte Dr. Hannes Schwaiger, Stellvertretender Leiter des Zentrums für Klima, Energie und Gesellschaft, Joanneum Research Graz. Nicht einzelne Wetterextreme seien die Indizien des Klimawandels, sondern die Tatsache, dass in den vergangenen 17 Jahren die wärmsten 16 Jahre lagen, so Schwaiger.

Je nach Szenario zeigen die langfristigen Modelle unterschiedliche Veränderungen. Man rechnet mit einer durchschnittlichen Erwärmung im Bereich von 3 bis 5°C bis ins Jahr 2100. Für Europa gilt: Der Temperaturanstieg wird im Sommer ausgeprägter als im Winter. In Sachen Niederschläge muss man mit einem Nord-Südgefälle rechnen: Im Norden Europas werden sie zunehmen, im Süden abnehmen. Die Wahrscheinlichkeit für Dürren im Juli und August wird deutlich zunehmen.

Schwaigers Schlussfolgerungen: Der globale Klimawandel ist menschenverursacht, neben den Emissionen spielt auch unser Konsumverhalten eine große Rolle. Die Winzerschaft müsse sich auf steigende Temperaturen, längere Vegetationsperioden, Verschiebung der Niederschläge und eine Zunahme der Wetterextreme (Sturm, Überflutungen, Hagel, Dürre) einstellen. Das Auftreten und die Dynamik von Schaderregern werde es den Winzern nicht leichter machen.

Auswirkungen des Klimawandels auf die Vegetation 

Weinbauberaterin DIin (FH) Sabrina Dreisiebner-Lanz MSc
, Wissenschaftliche Mitarbeiterin vom Zentrum für Klima, Energie und Gesellschaft, Joanneum Research, blickte tiefer in die Praxis. Sie ging auf einzelne Faktoren und ihre Folgen für die weinbauliche Praxis ein. So steige etwa mit der Verfrühung der Vegetation die Spätfrostgefahr deutlich an, Kaltlufteinbrüche aus dem Norden bzw. Nordosten treffen immer öfter auf junges Grün. In Hanglagen sei besonders die Begrünung gefordert, um Bodenerosion zu verhindern. Je steiler, desto höher müsse der Bedeckungsgrad sein. Alte Regeln hätten mittlerweile an Gültigkeit verloren, als Beispiel führte sie an: „100 Tage nach der Blüte folgt die Ernte.“

Das Fazit von Dreisiebner-Lanz: Der Stress der Reben steigt, gleichzeitig sind auch die Betriebe mehr gefordert ihre Bewirtschaftung anzupassen (kürzere Zeitfenster zur Ausbringung von Pflanzen-schutzmitteln oder für die Ernte). Die Umstände erfordern ein flexibles Handeln wie auch ein
aktives Risikomanagement.

Auswirkungen des Klimawandels auf die Rebe

Auf die physiologischen Grundlagen der Rebe ging Prof. Astrid Forneck, Leiterin der Abteilung Wein- und Obstbau, Universität für Bodenkultur, ein. Sie gab zu bedenken, dass neben der Rebe auch andere Tiere und Pflanzen vom Klimawandel betroffen sein. Viele davon würden aber im Verborgenen bleiben. Generell gebe es Effekte multipler Faktoren.

Die Wissenschaftlerin zeigte auf, welche Möglichkeiten die Rebe hat, sich anzupassen. Interessant ist dabei, dass die Rebe abhängig vom Reifestadium unterschiedlich agiert (Vor-Veraison versus Post-Veraison). Forschung zu Trockenstress gebe es bislang noch nicht in den sogenannten Cool-Climate-Gebieten – ein Manko.

Was braucht der Boden, um ein gutes Zuhause zu geben?

In pointierter Form widmete sich Dr. Wilfried Hartl,
Co-Leiter der Bio Forschung Austria
, Wien, dem Weingartenboden. Der Boden sei als Partner des Winzers zu sehen und die Rebe als Lebewesen. Erst wenn einem die Bedeutung klar wird, könne man richtig agieren. Um gute und schlechte Beispiele aus der Praxis vor den Vorhang zu holen, zeigte er Bilder von unterschiedlichen Bodenprofilen mit freigelegten Wurzeln. Die Rebe müsse gesamtheitlich betrachtet werden und da gehöre unbedingt das Wurzelsystem dazu. „Zumeist gibt es genug Nährstoffe im Boden, doch kann sie die Rebe aufnehmen?“, fragte Hartl provokativ.

Was müssen wir wissen, um richtig zu handeln? Hartl führte aus: In welchen Bodenhorizonten befinden sich die Rebwurzeln? Und wo das Wasser? Wie viel Wasser kann der Boden speichern? Damit verwies er auf die Einteilung der Bodenporen in Grob-, Mittel- und Feinporen. Während die Grobporen (>50 Mikrometer) für die Verankerung der Pflanze und die Sauerstoffversorgung von Wurzeln und Bodenorganismen Bedeutung haben, stellen die Mittelporen die Wasserversorgung der Pflanzen und anderer Lebewesen sicher. Feinporen (<0,2 Mikrometer) dagegen beinhalten nur Totwasser, das durch die Kapillarkräfte zu fest für die Pflanzen gebunden sei.

  • Anhand markanter Bilder vermittelte Hartl wichtige Botschaften für den Praktiker:
  • Dauerbegrünungen auf Basis von Gräsern stellen eine starke Konkurrenz für die Rebe dar. Wenn sie kurz gehalten werden, regt das ihr Wachstum an und die Wurzeln gehen sehr oft in die Tiefe. Besser sei es, die Begrünung (ohne Gräser!) zu unterfahren, sodass sie erst wieder bei kräftigen Niederschlägen zu wachsen anfängt.
  • Der Klimawandel verlängert die Vegetationsperioden, sodass ein Begrünungsanbau auch noch nach der Lese sinnvoll und möglich ist.
  • Die beste und billigste Bewässerung ist der Regen im Winter: Es gelte, die natürlichen Quellen bestmöglich zu nutzen. Sprich, dafür zu sorgen, dass möglichst viel Wasser vom Boden aufgenommen und langfristig gespeichert wird sowie auch den Reben zur Verfügung steht.
  • In den vergangenen 20 Jahren sind mehr Schäden durch zu viel Wasser als durch zu wenig an den Reben entstanden (Wurzeln sterben ab und es fehlt die Wasseraufnahme).
  • Alte, wenig gedüngte Reben wachsen weit tiefer, im Optimal-fall mehrere Meter tief. Sie sind damit trockenresistenter.

Hartls Fazit: Ein flexibel gestaltetes Begrünungsmanagement bietet Hilfe.

Einfluss des Klimawandels auf internationalen Weinhandel

Der Klimawandel berge für die Weinwirtschaft zahl-reiche Risiken entlang der gesamten Wertschöpfungskette, erklärte Master of Wine Andreas Wickhoff, Geschäftsführer des Langenloiser Weinguts Bründlmayer. Als Einflussfaktoren führte Wickhoff weinbauliche, sozioökonomische, politische und demografische Faktoren auf, um sie mit Beispielen zu belegen: So könnten bei zunehmenden Wetterschwankungen die Verfügbarkeiten von Weinen bzw. auch die Weinstile verändert werden. Extreme Ausprägungen könnten zudem die Preise für Energie und Rohstoffe in die Höhe treiben und damit den Wein verteuern. Nicht zuletzt werde auch das Nachfrageverhalten von Konsumenten, Stichwort „klimafreundliche Produkte“, Spuren am Markt hinterlassen.

Auf der Weinkonsum-Seite zeigen die vergangenen Jahre Stabilität. Fünf Länder machen rund die Hälfte des Konsums weltweit aus. Drei davon seien für Österreich besonders interessant: Deutschland, USA und China.