Etwa 100 Winzer und Funktionäre der Weinwirtschaft kamen am 24. Juni in den Wiener Wissenschafts- und Technologiepark Techgate, um Details zum Nachhaltigkeitsprojekt zu erfahren und den abschließenden Ausführungen von Landwirtschaftsministers Andrä Rupprechter zu folgen.
Onlinetool ermöglicht Standardbestimmung
Seit vielen Jahren stellt die Nachhaltigkeit auch in der Landwirtschaft ein wichtiges Thema dar – zunehmend auch im Weinbau. Der Österreichische Weinbauverband stellt nun der heimischen Weinbaubranche ein Onlinetool zur Verfügung (erreichbar über www.weinbauverband.at bzw. www.der-winzer.at), das vorerst zur Eigenbewertung herangezogen werden kann. Im Winter 2014/2015 wird damit auch eine Zertifizierung möglich sein.
„Das Nachhaltigkeitsprojekt“ ist kein Marketing-Gag“, verdeutlicht Weinbaupräsident Johannes Schmuckenschlager die Bedeutung der Initiative. Es sei wichtig, das Thema bei den Konsumenten im Kopf jetzt positiv zu besetzen, bevor es von außen an die Branche herangetragen werde.
„Andere Länder sind beim Thema Nachhaltigkeit bereits seit Jahren aktiv“, erklärte Dir. Josef Glatt vom Weinbauverband in seinen Einführungsworten die Hintergründe und die Motivation zur Durchführung des Projekts. Österreich sei durch seine Aktivitäten, etwa in Sachen Boden- und Pflanzenschutz, prädestiniert, sich dem Thema aktiv zu nähern.
Der Begriff Nachhaltigkeit werde weltweit unterschiedlich interpretiert. Glatt bezog sich auf eine Definition der sogenannten Brundtland-Kommission aus dem Jahre 1987, die das Thema sehr gut umreißt: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die danach strebt, die Bedürfnisse der derzeitigen Generation zu befriedigen, ohne die Möglichkeiten der künftigen Generationen zu beeinträchtigen, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.“ Diese Definition zeigt, dass es um weit mehr als den CO2-Fußabdruck geht. Nachhaltigkeit fußt dabei auf mehreren Säulen. Neben der Ökologie geht es um die Ökonomie und soziale Aspekte (Abb. 1: Säulen der Nachhaltigkeit).
Säulen der Nachhaltigkeit
Ökologie
- Natur und Umwelt für künftige Generationen erhalten;
- Artenvielfalt, Kulturräume erhalten;
- Klimaschutz
- Wirtschaft muss ökonomisch effektiv sein;
- möglichst wenige Ressourcen vergeuden, für möglichst hohen Nutzen;
- aber auch Schutz vor Ausbeutung von Ressourcen
- alle Mitglieder einer Gesellschaft müssen an der Gesellschaft teilhaben können;
- auch sozialer Ausgleich innerhalb einer Gesellschaft;
- keine Ausbeutung von menschlicher Arbeitskraft (fair trade)
Der Wunsch des Konsumenten
Das Thema Nachhaltigkeit, auch wenn es sperrig klingen mag, ist in den Köpfen der Konsumenten stark verankert. Für Univ.-Prof. Siegi Pöchtrager von der Universität für Bodenkultur gelte es jetzt in das Thema einzusteigen. Umfragen bestätigen, dass ökologische wie soziale Anliegen in Österreich sehr wichtig sind. Dies müsse die Branche aktiv nutzen. Pöchtrager appellierte an die Winzer, die Chancen einer Zertifizierung zu nutzen. Ein Nachhaltigkeits-Logo diene nicht zur Selbstbeweihräucherung, sondern sei im Sinne des Konsumenten.
Je weiter weg der Winzer vom Konsumenten ist (etwa beim Kauf im Lebensmittelhandel), desto wichtiger wäre das Label. Untersuchungen zeigten bislang, dass dem Konsumenten ein einfaches verständliches Label mit unabhängiger Kontrolle wichtig ist. Es müsse zudem auf fundierten, nachprüfbaren Kriterien aufbauen. Wenn es dann noch große Bekanntheit erlangt, führe es zur Unterstützung bei der Kaufentscheidung, so Pöchtrager.
Um all den Anforderungen seitens der Konsumentenschaft gerecht zu werden, wurden im Zuge der Umsetzung des Projektes zahlreiche Experten aus den verschiedensten Bereichen herangezogen, die für die Weinbaubranche relevant sind. Die Experten legten Nachhaltigkeitskriterien fest, mit der Vorgabe, dass diese Werte nachvollziehbar und auf möglichst wissenschaftlich begründbare Aussagen zurückgeführt werden konnten. Zudem musste das Modell auf österreichische Weinbaugegebenheiten abgestimmt sein, sprich in allen Weinbaugebieten sollte eine Teilnahme für Winzer möglich sein. Um für zukünftige Änderungen gewappnet zu sein, musste auch ein anpassungsfähiges Modell entwickelt werden.
Alle Redner betonten, wie einfach der Zugang zur Nutzung des Onlinetools möglich ist, um eine möglichst geringe Hemmschwelle zu erzeugen. Die Dateneingabe zur Betrachtung des eigenen Betriebs erfolgt nach einer einmaligen Registrierung: Der Zugang kann hierzu mit der eigenen Betriebsnummer erfolgen oder wenn erwünscht, anonym durch die Angabe einer beliebigen Nummer.
Wo steht mein Betrieb?
Die Eingaben in den – je nach Betrieb – vorhandenen Bereichen (Traubenproduktion, Weinproduktion, Weingartenanlage) werden automatisch nach einem bestimmten Schlüssel bewertet. Das heißt, dass Maßnahmen die nur einen geringen Beitrag zur Nachhaltigkeit haben, eine geringere Wertigkeit bekommen, während etwa die Umstellung beim Flaschenglas auf Leichtglas einen großen Schritt bedeutet.
Sind alle Punkte ausgefüllt, wird das Ergebnis in Form eines Diagramms ausgegeben (Abb. 2). Der schwarze Punkt markiert den aktuellen Wert in dieser Kategorie. Je weiter außen der Punkt liegt, desto nachhaltiger wird in diesem Bereich gewirtschaftet. Der rote Bereich zeigt deutliches Verbesserungspotenzial an, der grüne Bereich überdurchschnittliche Nachhaltigkeit. Das System wirft also keine konkreten Zahlen aus, sondern einen Relativbezug. Damit können Winzer sehen, wie weit sie von einem optimal wirtschaftenden Betrieb entfernt sind. Und vor allem, welche Verbesserungen mit diversen Maßnahmen erreicht werden können.
Alle sollen Mitmachen
Als Munition für das Marketing beschrieb Mag. Willi Klinger, Geschäftsführer der Österreichischen Weinmarketing GmbH, das neue Tool. Die Frage zum Umgang mit der Natur sei immer wichtiger; dies zeige schon allein die Zunahme der Bio-Bewegung mit all ihren Facetten (Orange Wine, Naked Wine etc.).
Bio sei positiv, aber alleine zu wenig. Das Nachhaltigkeitsprojekt passe zur Positionierung Österreichs als ursprüngliches Urlaubsland mit reiner Natur bestens. Um mit Nachhaltigkeit aber argumentieren zu können, müsse es langfristig einen hohen Beteiligungsgrad am Projekt geben. Neben der freiwilligen Selbstbewertung der einzelnen Weinbaubetriebe spiele die echte Zertifizierung eine wichtige Rolle. Erst durch Fremdbewertung können Winzer ihren eigenen Betrieb ins „grüne“ Rampenlicht stellen.
Einheitliche Betriebsprämie 2014
Zum Abschluss der Veranstaltung sprach Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter. Der Weinbau-Sektor sei sehr innovativ und möglicherweise der Wein das höchstveredelte Produkt der Landwirtschaft. Das Nachhaltigkeits-Projekt zeige, „dass die Weinbaubranche gewohnt ist, die Dinge selber in die Hand zu nehmen“, so Rupprechter. Kurz ging der Landwirtschaftsminister noch auf die Auswirkungen der neuen GAP-Periode auf den Weinbau ein. Die Umsetzung sei erfolgreich verlaufen und nun gelte es, die positiven Rahmenbedingungen zu nutzen. Ab nächstes Jahr stehen der Weinbaubranche auch eine einheitliche Betriebsprämie zu. Die Direktzahlung bringt der Branche neben der Umstellungsförderung (13,8 Mio. Euro jährlich) rund 14 Mio. Euro zusätzlich in der kommenden Periode.
Projekt-Eckdaten
Projektträger: Österreichischer Weinbauverband Dir. DI Josef Glatt
Projektmitarbeiter vom Lehr- und Forschungszentrums für Wein- u. Obstbau Klosterneuburg: DI Christoph Detz, DI Florian Faber, MMag. DI Alois Geyrhofer (Experte Energie), DI Martin Mehofer, Univ.-Doz. DI Dr. Ferdinand Regner (Experte Qualität), Mag. Ing. Franz G. Rosner (Projektleiter, Experte Ökonomie), DI Harald Scheiblhofer (Experte Qualität Wein, DI Barbara Schildberger, Ing. Herbert Schödl, Dir. i. R. DI Karl Vogl
Kooperationspartner:
Prof. Dr. Siegfried Pöchtrager, DI Stefan Großauer, Dr. Katharina Schödl-Hummel, Dr. Franz Zehetner (Experte Boden) (alle BOKU)
Dr. Gregor Sellner (SERI, Experte Klima und Material)
Dr. Norbert Sauberer (Vienna Institute for Nature Conservation & Analyses, Experte Biodiversität)
Dr. Wolfgang Dobritzhofer (Landwirtschaftskammer Niederösterreich, Experte Soziales)
Dr. Gerhard Soja (AIT Austrian Institute of Technology GmbH, Experte Wasser)