In welcher Form kommen Nährwertangaben beim Wein? Reichen Verweise auf eine Homepage oder sind Angaben wie bei Lebensmitteln notwendig?
Wie in der April-Ausgabe vergangenen Jahres an dieser Stelle berichtet, hat die Europäische Kommission (EK) die Produzenten von alkoholischen Getränken verpflichtet, den Konsumenten im Rahmen einer Selbstverpflichtung zukünftig über den Nährwert des Getränks und über die verwendeten Zutaten zu unterrichten. Bis dato waren nämlich alkoholische Getränke im Rahmen der EU-Lebensmittelkennzeichnungsrichtlinie – im Gegensatz zu anderen Lebensmit- teln – von diesen Angaben befreit. Die für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zuständige Generaldirektion Sanco mit ihrem EU-Kommissar Andriukaitis war nach einer entsprechenden Evaluierung der Meinung, dass es keinen objektiven Grund gibt, warum gerade bei alkoholischen Getränken die Angabe über ihre Zutaten und ihren Nährwert fehlt. Sie hat daher die Alkoholwirtschaft verpflichtet, innerhalb eines Jahres einen abgestimmten Vorschlag zur Unterrichtung der Konsumenten über die Zutaten und den Nährwert des jeweiligen alkoholischen Getränkes zu unterbreiten.
Unterschiedliche Interessen
Im abgelaufenen Jahr gab es daher viele Konferenzen und Abstimmungsgespräche zwischen den verschiedenen europäischen Organisationen der Weinwirtschaft, der Brauereiwirtschaft und eben der Spirituosenwirtschaft. Dabei liegt es auf der Hand, dass die Industrie-dominierte Brauereiwirtschaft und teilweise auch die Spirituosenwirtschaft unterschiedliche Herangehensweisen als die eher klein strukturierte Weinwirtschaft zu diesem Thema haben. Für die Großbetriebe der Brauerei- und Spirituosenwirtschaft sind derartige Produktangaben wohl wenig problematisch, für die im Vergleich eher familiäre Weinwirtschaft mit kleinen Produktchargen aber sehr wohl. Dazu kommt die nicht wirklich geklärte Frage der Weinproduktion und ihr spezifisches Weinrecht, was eigentlich als Zutat und was als Produktionshilfsstoff zu bewerten ist.
Kompromiss gefunden
Überraschenderweise war es aber nun doch möglich, eine gemeinsame Position der verschiedenen alkoholischen Sektoren für eine Selbstverpflichtung zustande zu bringen. Der Vorschlag besteht aus einer gemeinsamen Position und aus einzelnen, den jeweiligen Sektor betreffenden Anhängen. Die gemeinsame Grundaussage ist, dem Konsumenten keine Information vorenthalten zu wollen. Die Information betreffend Zutaten und Nährwert kann aber wahlweise entweder auf dem Etikett oder auch „off label“, also außerhalb des Etiketts, z.B. auf einer Homepage, gegeben werden. Auf der Homepage www.wineinmoderation.eu sollen alle für den Konsumenten relevanten Informationen betreffend Nährwert und Zutaten transportiert werden.
Stellungnahme der EK offen
Dieser Vorschlag wurde nunmehr der Europäischen Kommission präsentiert, die dazu eine Stellungnahme dahingehend abgeben muss, inwieweit dieser Selbstregulierungsvorschlag für sie ausreichend ist. Sollte die Europäische Kommission den Vorschlag akzeptieren, soll die „Wine in moderation“-Plattform bis 2021 mit Informationen entsprechend aufgerüstet und bis dahin auch mit allen Weinetiketten verlinkt werden. Wenn die Strategie wie vorgestellt glückt, wird die Weinwirtschaft damit zwar keine Freude haben, aber zumindest kann das drohende Szenario abgewendet werden, dass auf dem Weinetikett wie auf jedem Lebensmitteletikett neben dem Alkoholgehalt, den allergenen Stoffen auch die sonstigen Zutaten bzw. auch die Kalorienangabe des Weines angegeben werden müssen.
CR Prof. DI Josef Glatt, MBA