Was in der Mai-Ausgabe 2015 an dieser Stelle geschrieben wurde, ist nun eingetroffen: Die Europäische Kommission hat kürzlich einen Bericht angenommen, demzufolge auch alkoholische Getränke zukünftig der verpflichtenden Kennzeichnung mit einer Zutatenliste und einer Nährwertdeklaration (Kalorienangabe) unterliegen sollen. Bis dato sind nämlich alkoholische Getränke aufgrund der diesbezüglichen EU-Lebensmittelkennzeichnungsrichtlinie von diesen Angaben befreit. Gerade beim Wein auch aus gutem Grund, denn da sind Alkohol und ein eventueller Restzuckergehalt, was den Kaloriengehalt betrifft, die wesentlichen Inhaltsstoffe und die sind ohnehin angegeben.
Der für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zuständige EU-Kommissar Andriukaitis meinte bei der Vorstellung des Berichtes, dass es keinen objektiven Grund gibt, warum gerade bei alkoholischen Getränken die Angabe über ihre Zutaten und ihren Nährwert fehlt. Mit dem vorgelegten Bericht wird der Sektor, und damit auch die Weinbranche, verpflichtet, innerhalb des kommenden Jahres einen abgestimmten Vorschlag zur Unterrichtung der Konsumenten über die Zutaten und den Nährwert des jeweiligen alkoholischen Getränkes zu unterbreiten.
Genussfaktor in den Vordergrund stellen
Über die Ausgestaltung dieser Selbstregulierung hat die Weinbranche auf Brüsseler Ebene eine Aussprache mit der zuständigen Generaldirektion Sanco geführt. Zu Beginn der Aussprache wurde auf die massiven Anstrengungen des Sektors in Richtung Information des Konsumenten hingewiesen, nämlich auf das Schulungs- und Informationsprojekt „wine in moderation“. Mit diesem Schulungsprojekt, mit der auch eine Homepage betrieben wird (www. wineinmoderation.eu), werden Konsumenten sowie speziell auch Jugendliche über den richtigen Umgang mit Alkohol informiert. Es werden Anleitungen für einen moderaten Weinkonsum gemacht, der Genussfaktor wird hervorgehoben (die Betonung liegt auf genießen und nicht auf Missbrauch), aber auch Informationen eben über Kaloriengehalt und Zusammensetzung des Weines werden gegeben.
Neue bürokratische Hürde mit Ausnahmen?
Relative Übereinstimmung gab es bei dieser Aussprache, dass gerade beim Wein die Angabe einer Zutatenliste wenig zielführend ist, da Wein eben kein aus mehreren Zutaten zusammengesetztes Produkt ist. Die Angabe des Nährwertes würde von der wirklich wichtigen Angabe für den Konsumenten, nämlich dem Alkoholgehalt, ablenken, weswegen er maximal freiwillig angegeben werden soll. Gerade die Weinbranche ist in vielen Weinbauregionen Europas sehr klein strukturiert, mit sehr vielen sehr kleinen Abfüllchargen, die alle separat hinsichtlich Nährwert gekennzeichnet werden müssten. Das wäre ein zusätzlicher bürokratischer und finanzieller Aufwand. Anzudenken wäre daher, ob Kleinbetriebe nicht von einer derartigen Kennzeichnung ausgenommen werden könnten.
Kennzeichnung im Rahmen der Bewerbung?
Positiv angemerkt wurde seitens der Weinbranche, dass die Europäische Kommission vorweg keine gesetzliche Verpflichtung empfohlen hat, Zutaten und Nährwert auf dem Etikett zu kennzeichnen, sondern den Sektor verpflichtet, innerhalb eines Jahres einen Umsetzungsvorschlag auszuarbeiten. Betont wird auch von manchen Wirtschaftsvertretern, dass der Bericht nicht vorschreibt, dass die in Rede stehenden Angaben unbedingt auf dem Etikett durchzuführen sind. Zu überlegen wäre demnach, ob die Angaben nicht auch als Off-Label-Angaben auf Homepages, Informationsbroschüren oder sonstigen Hilfsmitteln an die Verbraucher herangeführt werden könnten.
Jedenfalls ist dieses Beispiel wieder symptomatisch für die europäische Politik, speziell in der Landwirtschaft. Da wird versucht, mit Strukturförderungen eine klein- und mittelbetriebliche Landwirtschaft in Europa zu erhalten. Auf der anderen Seite wird es dieser aber durch derartige bürokratische bezeichnungsrechtliche Vorschriften unmöglich gemacht, sich am Markt gegenüber den Großkonzernen zu behaupten.
CR DI Josef Glatt, MBA