Weinbau – Fachartikel

Die Geschichte der Namensgebung österreichischer Rebsorten

Ein Artikel von Ing. Johannes Friedberger | 11.10.2021 - 11:28
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Plan des Sortenweingartens der Weinbauschule Klosterneuburg, angelegt 1860. Nach dem Prinzip „Herkunft vor Rebsorte“ wollte man speziell die vorherrschenden österreichischen Rebsorten genau testen und beobachten (Quelle: Karte im Besitz des Stiftes Klosterneuburg)

Die Namen der autochthonen österreichischen Rebsorten blicken auf eine jahrhundertealte Geschichte zurück. Dank zahlreicher digitalisierter historischer Werke konnte die Namensentwicklung einiger heimischer Rebsorten erforscht und zusammengefasst werden. Auszüge dieser Nachforschungen werden in den kommenden WINZER-Ausgaben die Namensentwicklung von Zierfandler, Veltliner, Rainfal und Riesling wiedergeben. Die beschriebenen Erkenntnisse gründen dabei auf ampelographischen (= die Rebsorten beschreibenden) Merkmalen und handeln rein von der Namensgebung und -entwicklung der Rebsorten. Die genetische Abstammung der Rebsorten steht vielfach mit ihrer Namensgebung in keinem Zusammenhang. 

Die grundlegende Annahme der Nachforschungen war, dass die ursprünglichsten Namen einer Rebsorte jene sind, die das Aussehen der Rebe bzw. eines Organs der Rebe, den Geschmack, die Reife oder andere Eigenschaften der Trauben beschreiben. 

Die Aufzeichnungen über die österreichischen Rebsorten reichen Jahrhunderte zurück, sind oftmals verwickelt und teils widersprüchlich. Besonders schwierig nachzuvollziehen sind Namensgebungen im 16. Jahrhundert, die hauptsächlich auf die Botaniker und Ärzte Hieronymus Bock und Johann Bauhin zurückgehen. Diese Herren haben der Nachwelt ein Rätsel um die Sorten Veltliner, Traminer und andere auferlegt, das bis heute noch nicht vollständig gelöst wurde. 

Das Prinzip der namentlichen Herkunft

Aufgrund der besonderen Eigenschaften einer Sorte entwickelt sich diese in einem Anbaugebiet weiter. Je weiter entwickelt bzw. bekannter das Weinbaugebiet war, desto eher wurde eine Sorte von einem anderen Gebiet übernommen und unter dessen Ortsherkunftsnamen angebaut. Beispiel: Weinbaugebiet Bordeaux – seine Sorten werden auch als Bordeaux-Sorten bezeichnet und woanders angebaut.

Eine Sorte muss aber nicht zwangsläufig an ihrem Ursprungsort am häufigsten vorkommen. Je stärker sich eine Sorte in einem Gebiet verbreitet, desto eher prägt sie dessen gebietstypischen Weinstil und verdrängt damit auch (leider) die anderen ursprünglichen Sorten. So kam es in der Geschichte zu einer gewissen Sortenverarmung, allerdings bei gesteigerter Vermarktbarkeit durch einen deutlicher ausgeprägten Weinstil. Es passierte jedoch öfter, dass eine verdrängte und damit für das Gebiet verlorene Sorte der stärker vorherrschenden Rebsorte den Namen vererbte. 

„Nicht nur des Inhalts wegen, sondern vor allem der Beziehung wegen genießen wir Wein!“ Nach diesem Leitsatz wurde die Geschichte der Namensgebung der Rebsorten erarbeitet. Diese Arbeit erhebt nicht den Anspruch, vollständig, fehlerfrei und endgültig zu sein, sie soll jedoch Grundlage für weitere Nachforschungen bieten. Die Arbeiten wurden nach bestem Wissen und Gewissen durchgeführt. Diese Schrift entstand ehrenamtlich und sei den österreichischen Winzerinnen und Winzern gewidmet.


Johannes Friedberger
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Mit genetischen Methoden zeigt sich die wahre Abstammung, diese stimmt oft nicht mit der historischen Namensableitung zusammen © Dr. Ferdinand Regner

Grundsätzlich sprechen wir hier von herkunftstypischem Wein – dem romanischen Herkunftsprinzip. Im ältesten österreichischen Weinbaubuch von Johann Rasch aus dem Jahr 1580 sind etwa 65 bis 70 Herkunftsweine aus der österreichischen Monarchie genannt. Rebsorten spielen so gut wie keine Rolle, nur drei bis fünf Rebsorten sind in dieser Aufzählung zu finden. Herkunft stand vor Rebsorte. Dieses Herkunftsprinzip wurde auch noch im 19. Jh. durch Weinbaufachmänner propagiert, nach dem Prinzip: lieber wenige, gut getestete heimische Rebsorten, die einen klar definierten, authentischen Herkunftswein ergeben, der sich gut vermarkten lässt. Dies gipfelte im Anlegen eines Sortenweingartens bei der Schulgründung der Weinbauschule Klosterneuburgs (durch Bestreben der K.K. Landwirtschaftsgesellschaft Wien, 1860), wo man speziell die vorherrschenden österreichischen Rebsorten genau testen und beobachten wollte. 

Schon die römischen Gelehrten erkannten das System des Prinzips „Herkunft vor Rebsorte“: Dieselbe Rebsorte ergibt in unterschiedlichen Gebieten ganz unterschiedliche Weine. Speziell führt dies der Gelehrte Plinius (um 100 n. Chr.) bei der Rebsorte Uva Rhetica an, die außerhalb ihres Anbaugebietes keinen guten Wein ergibt, sondern nur Quantität erzeugt. Trockenheit und Frost geben den Rebsorten laut Plinius Grenzen vor, die nicht zu überwinden sind. Schon die Römer empfahlen einen reinsortigen Anbau (zeilen- bzw. Felderweise) und einen reinsortigen Weinausbau, um die Sorten besser einschätzen und bewerten zu können. 

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Dieser Kulturatlas Niederösterreichs aus 1873 zeigt die damalige Verbreitung der Rebsorten. Vor allem der Grüne Veltliner war damals schon sehr weit verbreitet (Quelle: Karte im Besitz der HBLA u. BA Klosterneuburg, Hrsg. k.k. Landwirtschaftsgesellschaft)

Ausbreitung der Rebsorten

Die Ausbreitung einer Rebsorte im ähnlichen Breitengrad ist wesentlich wahrscheinlicher als jene im selben Längengrad. Für die Rebsorten nördlich der Alpen bedeutete dies, dass sie sich durch Völkerwanderungen und Christianisierung vor allem entlang der Donau austauschten – in beide Richtungen. 

In günstigeren klimatischen Phasen wanderten die Sorten vermehrt vom Süden in den Norden (vom pannonischen Raum Richtung Deutschland). Nur in sehr günstigen Phasen kamen sie auch über die Alpen, z.B. kam im 15. oder 16. Jh. der echte Muskateller (Gelber und Roter Muskateller) nach Deutschland und wahrscheinlich vom Balkan über die Steiermark/Ungarn auch nach Niederösterreich. So wird im 19. und beginnenden 20. Jh. vom vermehrten Anbau von echtem Muskateller in der Untersteiermark und um Marburg berichtet. Nach steirischem Brauch wurde dieser damals meistens als Sturm oder Jungwein getrunken. In Niederösterreich/Ungarn wurde der echte Muskateller zwar oft als Tafeltraube, aber kaum als Keltertraube angebaut, da nach Helbling 1777 „der Wein des Geschmacks wegen kaum pur trinkbar ist und mit viel weißem Wein vermischt werden muss, um den Geruch unschädlich zu machen“.

Umgekehrt wanderten meinen Nachforschungen zufolge nördliche, früher reifende, frostfestere Sorten in klimatisch ungünstigen Perioden auch wieder vermehrt in den Süden (französische und deutsche Sorten, z.B. die Burgunder-Familie und der Rote Traminer in Richtung Österreich) bzw. festigten sich Sorten mit Traminer-Erbgut (z.B. Grüner Veltliner) in Österreich. 

Namen der Rebsorten

Mit der Zeit kam es für die mitteleuropäischen Rebsorten zu unzähligen unterschiedlichen Namensnennungen mit Synonymen (= verschiedene Namen für dieselbe Rebsorte) und Homonymen (= gleicher Name für verschiedene Rebsorten). Mit der Gründung der ampelographischen Kommission 1873 wollte man viele Ungereimtheiten beseitigen und legte sich auf einen einheitlichen Beschreibungsschlüssel fest. Nach fast 10-jähriger intensiver Tätigkeit einigte man sich auf die allgemein gültigen Rebsortennamen. Dabei wurde beschlossen, dass jener Name anerkannt wird, welchen die Sorte in ihrer Heimat oder am Ort ihrer größten Verbreitung führt. Alle anderen Namen sollten dagegen Synonyme sein. In Hermann Goethes erstem ampelographischem Wörterbuch von 1876 wurden 700 europäische Rebsorten beschrieben, mit tausenden zugehörigen Synonymen. In der 2. Auflage dieses Werkes (1887) erhöhte sich die beschriebene Anzahl nochmals deutlich. 

Unter den französischen Ampelographen Victor Vermorel und Pierre Viala beschrieben Anfang des 20. Jh.s mehrere französische Autoren die bis dahin bekannten europäischen Rebsorten, mit 24.000 Rebsortennamen und den ihnen zugeordneten Synonymen. An diesem Werk arbeitete eine bis zu 70 Personen große Gruppe fast zehn Jahre lang. 

Heute sind bei der österreichischen Hauptsorte Grüner Veltliner laut Wikipedia 75 Synonyme eingetragen. Bei der wahrscheinlich älteren Rebsorte Roter Veltliner sind es sogar 171. 

Verarmung historischer Rebsorten

Trotz des Vorteiles der klaren Herkunftsweine und der damit verbundenen engeren Rebsortenauswahl besteht die Gefahr, dass es zu einer Verarmung an historischen Rebsorten kommt. Rückblickend sieht es um die von Burger und Bronner genannten „Kinder des Donauufers“ nicht besonders rosig aus. In Deutschland wie auch in Österreich waren mehrere Veltliner-Varianten, Farbmutanten und Nachkommen vorhanden, die heute fast alle komplett verschwunden sind. Die sehr alte Rebsorte Österreichisch Weiß ist fast ausgestorben, der Rotgipfler und der Rote Zierfandler sind in der Thermenregion und um Wien nur auf niedrigem Niveau erhalten geblieben. Auch der Silvaner ist nur mehr sehr vereinzelt anzutreffen. Die Ursorte Roter Veltliner ist glücklicherweise am Wagram als eine der Leitsorten gewählt worden. Die Grüne-Veltliner-Mutante Blauer Veltliner (auch Blauer Hans), eine sehr ähnliche weißtraubige Variante mit deutlich rot-blau-violetter Anthozyanfärbung der jungen Triebe und der jungen grünen Traube, ist dagegen bis auf ein paar dutzend Stöcke in Österreich fast ausgestorben. Die restriktive Sortenpolitik führte dazu, dass solche Sorten offiziell nur mehr als genetische Ressource angebaut werden dürfen und daher heute nur mehr in wenigen Sortensammlungen ihr Dasein fristen. Aus Sicht der ökologischen Vielfalt und der biologischen Diversität sollte ein größeres weinbauliches Rebsortiment erhalten bleiben, um auch in Zukunft für jedwede mögliche Veränderung gerüstet zu sein. 

Ein altes Winzer-Sprichwort besagt: „Der Winzer ehrt die Tradition und sucht zugleich die Innovation!“ Auf Rebsorten bezogen bedeutet dies, dass manche Winzer die historischen Sorten erhalten und andere zeitgleich Anbauversuche mit neuen innovativen Rebsorten, wie z.B. Piwis, durchführen. Natürlich ist auch eine Kombination beider Sortengruppen möglich, was aber herausfordernd für den Winzer werden kann. Jedoch bietet es für viele österreichische Winzer eine willkommene Nische.

Aufruf: Historische Quellen gesucht

Im Vergleich zu Deutschland ist die Datenlage sowie ihre Quellenliteratur für Nachforschungen dieser Art in Österreich deutlich schlechter aufbereitet. Es müssten mehr historische Quellen, vor allem aus dem 16., 17. und 18. Jh. (vor der Reblaus-Krise), von Rebsortennennungen vorhanden sein, etwa Rechnungen von Rebsetzlingen, Weinrechnungen, Zollabrechnungen etc. Diese würden bei der Aufarbeitung der Rebsortengeschichte mehr Klarheit schaffen. Die Suche nach solchen Quellen (in Stiften, Herrschaften, Klöstern, größeren Weingütern, Bibliotheken) ist sehr zeitaufwendig und müsste gut koordiniert und in einem nächsten Schritt zentral zusammengefasst werden. Für weitere Nachforschungen wäre sie jedoch äußerst wichtig. Vor allem aus der Region Thermenregion fehlen historische Aufzeichnungen, obwohl sie Rebsorten-historisch gesehen eine der wichtigsten österreichischen Regionen ist. Hinweise aus der Winzerschaft/Bevölkerung wären sehr hilfreich – bitte an johannes.friedberger@weinobst.at. Danke!

Anmerkung der Redaktion:
Das Werk „Historia Veltliner“ von Johannes Friedberger umfasst mehr als 40 Seiten. Der Autor stellt erfreulicherweise das Originalmanuskript dem Weinbauverband frei zur Verfügung.

Weitere Teile der Namensforschung - filetiert nach einzelnen Sorten:
Teil II: Silvaner (Grüner Zierfandler)
Teil III: Roter Zierfandler (Rainfal)
Teil IV: Veltliner-Sorten
Teil V: Riesling

Der Autor

Ing. Johannes Friedberger, Fachlehrer HBLA und BA für Wein- und Obstbau Klosterneuburg und Winzer in Bisamberg
E-Mail: Johannes.Friedberger@weinobst.at