ÖWM-Geschäftsführer Willi Klinger präsentiert das Buch „Wein in Österreich: Die Geschichte“ © ÖWM/Sebastian Philipp
Alle zwei Jahre findet auf Initiative der Österreich Wein Marketing GmbH (ÖWM) die größte österreichische Weinreise für internationale Presse, der „Weingipfel“, statt. Die diesjährige Ausgabe nahm thematisch eine Sonderstellung ein. „Seit vielen Jahren bereits wollte ich den Weingärten an Österreichs Grenzen einen ausführlichen Besuch widmen, Staatsgrenzen, die es bis 1918 nicht gab und die durch ihre Schaffung exzellente Terroirs entzweischnitten“, betonte ÖWM-Geschäftsführer Willi Klinger. Nun konnte man sich im Detail ansehen, was sich seit dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989 in den Weinbaugebieten an den Grenzen getan hat.
Weingärten als Grenzfälle
Von 23. bis 29. Mai bereisten 197 Journalisten aus 39 Ländern jene Weinbaugebiete, die an die Nachbarländer Tschechien, Slowakei, Ungarn und Slowenien grenzen. Vom „Dreiländerblick“ in Schrattenberg (Weinviertel) über die Brücke von Andau (Neusiedlersee) und die „Weinblick Aussichtsplattform“ (Eisenberg) bis zum Grenztisch (Südsteiermark) machten die Reisegruppen an unterschiedlichen Grenzweingärten und -stationen Halt. Dort erhielten sie von Historikern tiefergehende Informationen zum geschichtlichen Hintergrund sowie zum Einfluss der Grenzsituation auf den örtlichen Weinbau.
Zahlreiche Weinverkostungen vervollständigten die Reiseprogramme, wobei den österreichischen Weinen zum Teil Weine aus den Nachbarländern gegenübergestellt wurden. In Summe standen 826 Weine von 425 österreichischen Winzern sowie 31 Weine von 20 ausländischen Winzern zur Verkostung. Parallel zu den Reisen entlang der Grenze gab es auch eine Einführungsreise zum Weinland Österreich entlang der Donau für jene Journalisten, die zum ersten Mal das Land besuchten.
Österreichische Weingeschichte
Den Höhepunkt des diesjährigen Weingipfels bildete am 26. Mai eine eintägige Konferenz für alle Weingipfel-Teilnehmer im Palais Niederösterreich in Wien. In diesem Rahmen wurde auch das im September erscheinende, rund 700 Seiten umfassende Buch „Wein in Österreich: Die Geschichte“ vorgestellt, das auf Initiative von Willi Klinger und unter wissenschaftlicher Leitung von a.o. Univ. Prof. (i.R.) Dr. Karl Vocelka in rund zweieinhalbjähriger Arbeit entstanden ist. Über 40 Autoren steuerten Beiträge zur Entwicklung des Weinbaus in Österreich seit der Urgeschichte bei.
Ein elementares Kapitel, erarbeitet von Co-Herausgeber Prof. Vocelka, widmet sich dem Einfluss des Zerfalls der Habsburgermonarchie 1918 und der neuen Grenzziehungen in den Pariser Vorortverträgen 1919 auf den Weinbau.
Wissenschaftliche Studie zu Friedrich Zweigelt
Ein eigenes Kapitel ist der Biographie des Rebzüchters Friedrich Zweigelt (1888–1964) gewidmet, die erstmals unter Sichtung des in diversen Archiven verfügbaren Materials von Dr. Daniel Deckers umfassend aufgearbeitet wurde. Im Zuge seiner minutiösen Recherchen zum Werdegang Zweigelts stieß Deckers auf bisher noch nie gesichtetes Material in diversen Archiven.
Klar ist, dass Zweigelt bereits im Mai 1933 Mitglied der NSDAP und 1936 Mitglied der (verbotenen) österreichischen Nationalsozialistischen Betriebszellenorganisation (NSBO) geworden war. Im März 1938 versah er seinen Leitartikel in der Zeitschrift „Das Weinland“ mit der Überschrift „Österreich ist in die große Deutsche Heimat zurückgekehrt.“ Der ambitionierte Zweigelt träumte davon, „Klosterneuburg in einen edlen Wettstreit mit den deutschen Schwesteranstalten zu führen“. Im Klosterneuburger Lehrkörper sorgte er 1938 für eine „Säuberungsaktion“, indem über unliebsame Kollegen alles erdenklich Nachteilige sammelte und sie abberufen ließ. Laut Deckers hielt Zweigelt bis 1945 fanatische Ansprachen aus Anlass des Jahrestages des Umsturzes am 13. März. Am 30. Juni 1945 wurde Zweigelt festgenommen, am 24. Dezember 1945 wieder aus der Haft entlassen. Im Februar 1948 wurde Zweigelt im Zuge einer Neufassung der Bestimmungen über den Umgang mit NS-belasteten Personen als „minderbelastet“ eingestuft.
Eine etwaige Umbennung der Rebsorte Zweigelt kam bei der Konferenz nicht zur Sprache.