Aus der Branche   

Von Porto nach Lissabon

Ein Artikel von Walter Kaltzin | 08.01.2019 - 13:34

    Bereits beim Abflug herrschte beste Stimmung, schließlich nahmen an der ausverkauften Reise viele bekannte Gesichter teil – die kleine Fangemeinde der Winzer-Reisen wird immer größer. Über Zürich ging es nach Porto, der zweitgrößten Stadt Portugals, in den kühleren Norden.

VINHO VERDE (MINHO-GEBIET)

    Das sogenannte Minho-Gebiet grenzt im Norden an das spanische Weinbaugebiet Galizien. Rund 2.000mm Niederschlag sind hier keine Seltenheit, Berge im Osten wie im Süden als Abgrenzung sorgen quasi für den atlantischen Einfluss pur. Typisch für das Gebiet sind die sandigen Granitböden, die Mineralik ins Glas bringen sollen.
    Als Aushängeschild fungiert der Wein Vinho Verde (= Grüner Wein), den es vor allem in zwei Spielarten gibt: den bekannten Typ als leichten, spritzigen Weißwein, oft mit mehr oder weniger zarter Restsüße und lebhafter Kohlensäure (meist zugesetzt) oder den klassischen Weißwein-Typ. Autochthone Sorten sind der Standard, rote Vinhos Verdes die seltene Ausnahme.
    Mit knapp über 70ha eigener Rebfläche und Zukauf im großen Stil handelte es sich beim ersten besuchten Betrieb um ein relativ junges Weingut: Die Quinta da Lixa ist von einem Garagenbetrieb vor 30 Jahren zu einem Betrieb mit einer Kapazität von bis zu 5 Mio. Flaschen angewachsen. Hier werden die Trauben von mehreren Standorten verarbeitet, zudem verfügt der Betrieb über ein kleines Hotel.
    Bei der Weingartenbegehung zeigten sich sehr grüne Weingärten mit üppigem Wachstum. Die Trauben waren zu diesem Zeitpunkt (Mitte August) noch hart! Als Erklärung wurde der außergewöhnliche Witterungsverlauf 2018 herangezogen. Während in dieser Region die großen Niederschlagsmengen in der Regel in der kalten Jahreszeit fallen, war der Jahrgang 2018 auch im Frühjahr und Frühsommer kühl und feucht. Eine enorme und ungewöhnliche Herausforderung für die Winzer. Das führte zu der extremen Reifeverzögerung um drei Wochen – also das Gegenteil der zeitgleichen Entwicklung in Österreich. Die gute Wasserversorgung sorgt hier immer für hohe Erträge: 12 bis 14t/ha wurden uns genannt.
    Beim zweiten Weingut, Casa de Vila Verde, beeindruckte die historische Substanz, die auf das 15. Jahrhundert zurückgeht. Von den 100ha Besitz sind 70ha dem Weinbau vorbehalten. Die beiden verkosteten Vinhos Verdes überzeugten auch durch ihre preisliche Attraktivität (rund 3 €). Basis dafür sind neben den hohen Erträgen aber auch billige Weingartenarbeiter. So sollen die Leser pro Tag nur 26 Euro (plus ein Essen) verdienen. An die 90 % der Produktion gehen ins Ausland, vor allem Brasilien und Australien sind große Abnehmer der federleichten Weine, die zumeist von der Kombination von Kohlensäure und feiner Süße leben.

DOURO-GEBIET

    Benannt nach dem zweitwichtigsten Fluss Portugals, dem Douro, erstreckt sich das Gebiet östlich von Porto entlang des Flusses und dessen Nebenflüssen 100 Kilometer weiter ins Landesinnere bis zur spanischen Grenze. Ein Gebirge sorgt für Abschirmung von den Atlantikwinden und damit für trockene und heiße Klimaverhältnisse. „Neun Monate Winter, der Rest Hölle“ heißt es im Douro. Rund 40.000 Hektar Rebfläche verteilen sich im Gebiet. Je näher der spanischen Grenze, desto heißer und trockener wird es. Schiefer-Böden geben hier zumeist den Ton an.
    Das international sehr bekannte Weingut Quinta do Crasto stellte sicher ein Highlight der Reise dar. Seine Geschichte reicht drei Jahrhunderte zurück, gleichzeitig setzt es aber als Mitglied der Winzergruppe „Douro-Boys“ laufend beeindruckende Duftmarken im Weingeschäft. Auf rund 70 Hektar Rebfläche stehen die typischen Sorten des Douro: Manche Weine der Terrassenlagen sind uralte gemischte Sätze. Das ergibt dann konzentrierte Weine, die international teuer gehandelt werden (über 100 Euro). Aber auch die Basisweine konnten durch Frische und überraschende Fruchtigkeit überzeugen (Crasto Douro, Crasto Superior), ebenso die Portweine und das feine Olivenöl. Besonders erwähnenswert ist die Lage des Weinguts am Bergrücken mit Blick auf den Fluss und die Weinbergterrassen – Hotel mit einzigartigem Pool inklusive.
    Weinbaulich setzt man hier auf Dichtpflanzungen (6.000Reben/ha) und im Keller werden die Trauben per Fuß in den traditionellen Lagares gestampft. Exportanteil: drei Viertel!
    Eine Zugfahrt entlang des Douro sowie eine Bootsfahrt mit einem traditionellen Rabelo-Boot (früher zum Transport der Portweinfässer benötigt) brachten uns die landschaftlichen Schönheiten des Dourotals näher.
    Im Herzen des Dourogebiets besuchten wir das Weingut einer französischen Familie: Quinta do Tedo (14 ha). Die Wurzeln liegen im 18. Jahrhundert. Rotwein, Portwein und Olivenöl gehören zum Portfolio, seit 2010 mit Status „Bio“, was als Herausforderung im Gebiet gilt. Gleichzeitig hat man sich auf Weintourismus spezialisiert. Das Bed & Breakfast ist preisgekrönt (fünf Ferienwohnungen). Hier wohnt man in einem Naturschutzgebiet, wo die Flüsse Douro und Tedo zusammenfließen. Zu verkosten gab es zwei Rotweine und einen Querschnitt aus der Portwein-Produktfamilie.
    Eine Portweinkellerei anderer Dimensionen stand am dritten Tag in Porto am Programm. Ferreira gilt als die bekannteste und zugleich eine der größten Portweinkellereien des Landes. Sie wurde 1751 gegründet und kann auf eine ruhmvolle Geschichte zurückblicken. Ferreira ist das einzige Haus, dessen Gründung auf portugiesische Weingutsbesitzer im oberen Douro-Tal zurückgeht. Die unbestrittene Nr. 1 in seiner Heimat ist Ferreira geblieben. Eine Kellerführung ließ die enormen Dimensionen dieses großen Betriebs erahnen.
    Auf den in Terrassen steil zum Douro abfallenden Hanglagen bekommen die Trauben in den heißen, trockenen Sommern reichlich Sonne. Damit entwickeln sie die Kraft, Fülle und Reife, die den einzigartigen Charakter der Portweine prägen. Vier bekannte Typen sind: White, Rosé, Ruby und Tawny. Sie haben alle gemein, dass sie gegen Ende der Gärung mit Branntwein versetzt werden – aus historischer Sicht, um den langen Transport über das Meer nach England zu überstehen.

BAIRRADA

    Zu den Weinbauregionen im Norden Portugals zählt das Bairrada-Gebiet, ein Küstenstreifen südlich von Porto. Hier herrscht ein Mix aus Atlantik- und Mittelmeerklima, aufgrund der Lage zwischen dem Meer und den Gebirgen im Osten. Das Gebiet steht für die tannin- und säurereiche Rotweinsorte Baga. Dem bekanntesten Produzenten dieser Sorte, Luis Pato, statteten wir einen Besuch ab. Er gilt als erster Winzer, der diese schwierige Rebsorte gebändigt haben soll. Neben den Rotweinen ist das Gebiet auch bekannt für seine Sekte. Das liegt an den kühlen Nächten, welche die Säure erhalten sollen, aber auch an der Sorte Baga, die viel Säure mitbringt.

ALENTEJO

    Ausgehend von Lissabon ging es am fünften Tag ins Alentejo (= südlich des Flusses Tejo), der wahrscheinlich ursprünglichsten, größten und bevölkerungsärmsten Region des Landes. Das Gebiet erstreckt sich im Süden bis an die Algarve. Nach einer Fahrt durch sanfte Hügel, ausgedehnte Weingartenlandschaften, Olivenhaine und Getreidefelder gelangt man zum abgelegenen Weingut Herdado de Esporao. Von außen unscheinbar, doch tief unter der Erde verbirgt sich ein in den Hang gebauter moderner Keller mit großen Lagerräumen (Lager für 1 Mio. Flaschen).
    Das Gut ist zwar alt, doch Wein kam erst wieder in den 1980er Jahren ins Programm (nach der Nelkenrevolution). Nach großen Investitionen werden im Alentejo heute 450ha bewirtschaftet, darüber hinaus gibt es aber auch Weinbau in Dourotal. Das Gut gilt als Vorzeigebetrieb der Region. Zum einen werden moderne Weine gekeltert, zum anderen auch „Weine wie früher“. Bei der Kellerführung waren Amphoren, Betontanks sowie die traditionellen Lagares zu sehen. Man setzt auf alte Sorten, aber auch auf Cabernet Sauvignon, Syrah und Chardonnay. Sie alle werden bei der Erzeugung der besten Weine in Lagares mit den Füßen gestampft. Um der sommerlichen Trockenheit zu trotzen, steht ein eigener Stausee zur Verfügung. Ohne dieser Bewässerung wäre es sicher schwierig, solche Qualitäten zu produzieren. Das Gut betreibt ein Restaurant, im Portfolio sind auch hochwertiges Olivenöl und Obst.

QUINTA DE SANT’ANNA

    Das letzte Weingut der Reise, unweit von Lissabon, sollte nicht enttäuschen. Ursprünglich als Geschenk des Königs an seine „musikalische Flamme“ entstanden, wechselten im Lauf der Zeit mehrfach die Besitzer. Nun ist die kleine Quinta de Sant’Anna im Besitz der Familie Fürstenberg, wobei das Weingut von einem Engländer, dem Ehemann der Fürstenberg-Tochter, geleitet wird. Romantische Winkel und Ecken, versteckte Gärten und eine Kapelle sorgen für ein malerisches Ambiente, daher die Bedeutung als Hochzeits-Location und Feriendomizil. Auch die Weine konnten überzeugen. Zu sehen gab es im angrenzenden Riesling-Weingarten enorme Sonnenbrandschäden – Spiegelbild des ungewöhnlichen Jahrgangs: zuerst kalt und nass, Anfang August dann eine Hitzewelle.

Das Weinland Portugal

Weinbau hat in Portugal lange Tradition, bereits Phönizier, Griechen und Römer brachten Reben und die Weinkultur in das Land. Doch auch hier gab es im 19. Jahrhundert durch Mehltau und die Reblaus ein jähes Ende. Erst ab 1930 begann der Wiederaufbau durch zahlreiche Winzergenossenschaften. Das Ende der Diktatur im Jahr 1974 und die Öffnung gegenüber der EU sorgten für eine Renaissance der portugiesischen Weinbaukultur und für einen Umstieg von der Massenproduktion billiger Weine zur Herstellung von Qualitätsprodukten. Heute gibt es in Portugal fünf Weinbauzonen mit über 40 Qualitätswein-Anbaugebieten, davon 26 mit DOCStatus.

Rebfläche: 240.000 ha, Produktion: 6 bis 7 Mio.hl
Jährlicher Weinkonsum/Kopf: 46l (früher weit über 100l) 

Die wichtigsten roten Trauben: Alfrocheiro, Tinta Roriz (Aragonez), Baga, Castelão Frances (Periquita Mortága), Touriga Francesca, Touriga Nacional und Verdelho (Gouveio). Unter den weißen Trauben dominieren: Alvarinho, Arinto, Avesso, Azal Branco, Bical, Encruzado, Maria Gomez (Fernão Pires), Loureiro und Trajadura. (Wikipedia)

KULTUR & CO.

    Abseits seiner weinbaulichen Reize hat Portugal großartige Kultur zu bieten. Einige historische Städte standen auf unserer Reiseroute:
    Guimares: Die schönste Stadt im Norden Portugals. Sie war die erste Hauptstadt Portugals und gilt damit als Wiege der Nation. Die Altstadt zählt zum Welterbe der Unesco, 2010 die Kulturhauptstadt Europas.
    Porto: Die Stadt der Arbeit bzw. Stadt der Arbeiter: Kontrast von reich und arm; bedeutend: Fischerei, Handel, Industrie, Kork, Hafen; sechs markante Brücken über den Douro; sehenswerter Palast der Börse.
    Evora: Provinzhauptstadt der südlich-zentralen Region Alentejo – Unesco Weltkulturerbe. Hervorragend erhaltener Stadtkern, Diana-Tempel aus der Römerzeit und Kathedrale aus dem 12. Jahrhundert. Knochenkapelle als ungewöhnlichste Attraktion.
    Fatima: Die katholische Wallfahrtsstätte unweit von Lissabon. Eine Erscheinungskapelle steht dort, wo drei Hirtenkindern die Jungfrau Maria 1917 erschienen sein soll. Praktisch vis-a-vis die neue Basilika.
    Lissabon: Für die Einheimischen die „Stadt zum Leben“ – zur Weltstadt gereift. Rundgang durch die Altstadt und die Burg Sao Jorge als perfekte Aussichtsplattform auf Stadt und Fluss, dazu eine 17 km lange Hängebrücke Vasco Da Gama im breiten Mündungsgebiet des Tejo. Belem-Viertel mit Turm von Belem und Hieronymuskloster. Kulinarisch: Cremetörtchen Pasteis de Belem.
    Cascais: Ehemaliger Fischerort in der Nähe der Hauptstadt, heute begehrte Wohngegend und Ausflugsort.

KORK

    Korkeichen sind auf der ganzen iberischen Halbinsel vertreten, doch die größte wirtschaftliche Bedeutung haben sie in Portugal erlangt. Etwas mehr als 50 % der Weltproduktion stammen von hier, wobei der Großteil aus dem heißen Alentejo kommt. Die Rinde, die dem Baum Schutz vor den Waldbränden gibt, wird alle acht bis neun Jahre geschält. Bis es soweit ist, ist Geduld angesagt: Es dauert 35 bis 40 Jahre, bis die Bäume überhaupt die produktive Phase erreichen. Für Korken kommt Rindenmaterial erst aus der dritten Gewinnung in Frage, die Ernte erfolgt Mitte Mai bis Ende Juli. Die Rinde wird mehrere Monate im Freien gelagert, bevor sie gedämpft und später gekocht wird. Dann wird über die Verwendung entschieden. Je nach Kategorie soll das Korkrohmaterial von 1 bis 10 Euro pro kg kosten, so die Informationen beim Besuch einer kleineren Verarbeitungsfirma.
    Korkwälder haben aber auch eine kulinarische Dimension. Dort werden die berühmten Schwarzfußschweine gehalten, von denen ein begehrter Rohschinken stammt.

FAZIT

    Die Erwartungen lagen hoch, doch auch die vierte Leserreise enttäuschte niemanden. Im Gegenteil: Portugal zeigte sich von der besten Seite: landschaftlich, kulinarisch, kulturell und mit viel Sonne. Dank perfekter Organisation der Reisewelt-Agentur gelang es, in kurzer Zeit einen tieferen Einblick in das sympathische Land zu gewinnen und viele neue Geschmacksnuancen kennenzulernen.
    Wein und Kork sind integrale Bestandteile der portugiesischen Wirtschaft. Seit dem EU-Beitritt hat das ehemalige Land der Seefahrer eine rasante Entwicklung genommen. Besonders der Weinbau hat offensichtlich durch Förderungen stark profitiert. Um wenig Geld werden in Portugals Gasthäusern und Restaurants feine Weine serviert. Wein und Tourismus sind in Portugal eng verwoben.

Nach der Leserreise ist vor der Leserreise:
    Von 8. bis 14. August 2019 geht es nach Frankreich, La Grande Nation des Weines: Bordeaux mit Champagne und Chablis stehen auf dem Programm. Details folgen in den nächsten Monaten. #

Gruppenfoto-Lissabon.jpg

Auch die vierte Winzer-Leserreise war ausgebucht und ließ keine Wünsche offen – einige Teilnehmer haben an allen Reisen teilgenommen; hier das Gruppenbild in Lissabon © W. Kaltzin