Die Zertifizierung „Nachhaltig Austria“ gibt es für Österreichs Winzer seit dem Jahr 2015, ist in Insider-Kreisen zwar bekannt, muss aber erst an die breite Öffentlichkeit kommuniziert werden. In diesem Sinne fand am 18. Juli 2017 in Wien eine Pressekonferenz statt, bei der die Eckpunkte des neuen Gütesiegels für österreichischen Wein präsentiert wurden. Zur Notwendigkeit dieser Zertifizierung nahmen in diesem Rahmen Stellung: Johannes Schmuckenschlager, Präsident des Österreichischen Weinbauverbandes, Josef Glatt, Direktor des Österreichischen Weinbauverbandes, Wilhelm Klinger, Geschäftsführer der Österreich Wein Marketing, Franz Rosner, Bundesamt für Wein- und Obstbau Klosterneuburg sowie Leopold Müller, Winzer im Kremstal.
„Nachhaltigkeit ist in vielen Bereichen ein wesentliches Thema – auch beim Wein. Konsumenten fragen immer mehr nach, unter welchen Bedingungen Produkte hergestellt wurden“, betonte Johannes Schmuckenschlager. So haben der Österreichische Weinbauverband und Fachexperten aus unterschiedlichen Sparten in mehrjähriger Arbeit das 2015 an den Start gegangene Online-Zertifizierungssystem entwickelt, welches die Nachhaltigkeit der betrieblichen Weinproduktion nach ökonomischen, ökologischen und sozialen Kriterien überprüft und bewertet.
Die Entwicklung des Programmes habe vor fünf Jahren begonnen und die Universität für Bodenkultur Wien sei mit der Analyse bestehender weltweiter Initiativen beauftragt worden, erklärte Josef Glatt und fuhr fort: „Gerade im englischsprachigen Raum haben auch stark industrialisierte Weinregionen das Thema Nachhaltigkeit für sich beansprucht. Mit dem neuen Gütesiegel wollen wir die Qualität und hohen Standards des österreichischen Weines aufzeigen.“
Entwicklungsfähiges System
Franz Rosner, Wilhelm Klinger, Johannes Schmuckenschlager, Josef Glatt und Leopold Müller (v.l.) präsentierten das Gütesiegel "Nachhaltig Austria" © Der Winzer
Dass eine derartige Zertifizierung im Export – vor allem in anglo-amerikanischen und skandinavischen Ländern – immer wichtiger werde, bestätigte auch ÖWM-Chef Willi Klinger. „Das Programm hat hohen Anspruch und ein strenges Bewertungssystem, denn wir wollen keine inflationäre Verwendung des Begriffs Nachhaltigkeit“, hob er hervor und wünschte sich, dass die Zahl der zertifizierten Betriebe in den nächsten Jahren kräftig steigt: „Sodass wir hier mit Stärke und Überzeugungskraft am Markt auftreten können.“
Derzeit sind 60 (exportorientierte) Weinbaubetriebe nach den Anforderungen von „Nachhaltig Austria“ zertifiziert, nur zwei oder drei davon sind Biobetriebe. Von der Möglichkeit des anonymen Testlaufs im Online-Tool haben bereits bis zu 700 Winzer Gebrauch gemacht. Weinbaubetriebe, die den Kriterien von „Nachhaltig Austria“ entsprechen, können sich bei externen autorisierten Kontrollfirmen (Lacon und AgroVet) zertifizieren lassen. Die Kosten für die Zertifizierung belaufen sich pro Jahr auf 300 bis 900 Euro. Das Weingut Müller aus dem Kremstal war einer der ersten zertifizierten Betriebe. „In manchen Punkten erhielten wir wertvolle Denkanstöße und konnten uns durch die Zertifizierung weiterentwickeln“, berichtete Leopold Müller zufrieden. Der Betriebsleiter geht davon aus, dass sich das neue Gütesiegel „Nachhaltig Austria“ im Betriebsergebnis langfristig positiv niederschlagen wird.
Warum sollte sich ein Betrieb zertifizieren lassen?
Die österreichischen Weinbaubetriebe haben in den vergangenen Förderperioden zahlreiche nachhaltige Maßnahmen umgesetzt, die zwischenzeitlich „Standardmethoden“ im Weingarten darstellen. Diese internationale Vorreiterrolle sollte einerseits marktwirtschaftlich genutzt werden, andererseits sollten auch weitere ökologische sowie soziale und ökonomische Aspekte einbezogen werden.
Im Rahmen eines Evaluierungsworkshops mit jenen Betrieben, die bereits zertifiziert sind, kamen viele positive Rückmeldungen, die einerseits in der wissenschaftlichen Qualität und andererseits in der einfachen Handhabung des Online-Tools liegen. Aber auch die erforderlichen Daten liegen großteils im Betrieb vor, sodass eine Eintragung rasch erfolgen konnte. Mit einer Zertifizierung könnte eine Diversifizierung am Markt damit kostengünstig und rasch umgesetzt werden.
Welche Betriebe sind prädestiniert?
Aus ökologischer Sicht haben Betriebe mit regenerativem Energieeinsatz, Recyclingtechnik, Erosionsschutz, Vorrangflächen, Verringerung der Durchfahrten in der Fahrgasse, Kompost-ausbringungen, biologischer Bewirtschaftungsweise u. v. a. beste Voraussetzungen. Nicht eine oder wenige Maßnahmen, sondern alle Maßnahmen, von der Weingartenanlage bis zur Weinabfüllung, werden in die Bewertung einbezogen.