Historische Entwicklung
Autor: HR Direktor Dr. Walter Flak. Bundesamt für Weinbau, Eisenstadt
Mit der großen Reblauskatastrophe in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts hat sich im Zuge von weltweiten Strukturveränderungen auch das Bild der österreichischen Weinlandschaft nachhaltig verändert. Der umfassende Befall durch die Reblaus, die von Amerika über Frankreich nach Österreich gelangt ist, bewirkte eine nahezu völlige Vernichtung der bis dahin durchgehend verwendeten heimischen Edelreben. Erst die Einführung von (weitgehend) reblausresistenten Unterlagsreben führte zu einer Erholung und Stabilisierung der Weinproduktion. In der Übergangsphase dazu – die völlige Umstellung dauerte bis in die 1950er Jahre – wurden auch in Österreich verbreitet Amerikanerreben (Vitis riparia und ruprestris; Ufer- und Felsenrebe) ausgesetzt. Diese sogenannten Direktträger erwiesen sich als relativ unempfindlich gegen die Reblaus und andere Schädlinge und wurden vor allem im heutigen Südburgenland auch zu Wein verarbeitet ("Uhudler").
Kein Direktträgerblut im Qualitätswein
Nach dem Wiederaufbau der Weinwirtschaft mit Unterlagsreben und Edelreisern erfolgte wieder ein völliger Rückbau der Direkttägerreben. Eine kleine Rebfläche der Amerikanerreben (mit Sorten wie Isabella, Clinton oder Norah) ist im Südburgenland aber bis heute erhalten geblieben und bietet, ohne mengenmäßig ins Gewicht zu fallen, der regionalen Gastronomie und Landwirtschaft eine Marktlücke, die insbesondere von Tagesgästen gerne aufgenommen wird.
Auf Basis dieser Amerikanerreben findet sich heute eine Reihe von Züchtungen, die noch einige der Merkmale von V. lambrusca aufweisen. Darunter weniger den sogenannten "Foxton", der durch Methylanthranilsäure hervorgerufen wird, als einen spezifischen Farbträger. Dieser liegt in Form eines diglucosidisch gebundenen Anthocyans vor und gibt dem (roten) Direktträgerwein seine eigenständige orangerote Färbung. Auch aktuelle Neuzüchtungen, wie etwa die Sorte Regent, enthalten diesen Farbstoff. Malvidindiglucosid und alle weiteren weinanalytischen Besonderheiten des Direktträgerweines sind nach allen bisherigen Befunden und Untersuchungen gesundheitlich unbedenklich. Da aber in keiner der autochthonen österreichischen Rebsorten Direktträgerblut enthalten ist, kann und darf auch kein Qualitätswein diese Farbstoffe, zumindest in nennenswerter Konzentration, enthalten.
Schutz vor Beanstandungen
Um den österreichischen Markt und insbesondere den Export von Qualitätswein vor Beanstandungen und (politisch motivierten) Kampagnen zu schützen, werden ab dem Jahresbeginn 2009 alle Prüfnummereinreichungen auf einen Gehalt dieses Farbstoffes untersucht. Dabei wird von allen amtlichen Untersuchungsstellen eine Toleranzgrenze von 15 mg Mavidindiglucosid je Liter Wein eingehalten. Auch bei der Ausfuhr von rotem Qualitätswein gilt ab dem Jahreswechsel diese Obergrenze.
Im Falle von Zukäufen und nicht näher bekannten Wein-Herkünften oder Verschnitten bieten die beiden Bundesämter ab sofort der Weinwirtschaft eine rasche und zuverlässige Privatprobenuntersuchung zur gesicherten Abklärung allfälliger Farbstoffeinschleppungen.
Weitergehende Informationen:
BAWB, Tel.: 02682/65905, DI Kreuz und Ing. Krizan sowie LFZ Klosterneuburg, Tel.: 02243/379 10-223, Dr. Eder
Züchterische Hintergründe
Autor: HR Univ.-Dozent Dr. Ferdinand Regner, Lehr- und Forschungszentrum für Wein- und Obstbau, Abteilung Rebzüchtung. Götzhof, Langenzersdorf, E-Mail: ferdinand.regner@weinobst.at
Seit die Rebenzüchtung die amerikanischen Vitis-Arten zur Erreichung von Resistenz-Zuchtzielen in Verwendung genommen hat, gibt es die Problematik der Definition der daraus hervorgegangenen Reben. Auf Grund der erheblichen sensorischen Unterschiede zu den etablierten Europäersorten wurde es auch eine Problematik der Abgrenzung zwischen Hybriden und Vitis-vinifera-Sorten.
Die ursprüngliche Bezeichnung Hybriden ist eine sehr allgemeine und berücksichtigt eigentlich nur die Entstehung einer neuen Sorte aus einer Kreuzung zum Unterschied von den selektierten Mutanten innerhalb einer Sortendefinition. Besondere Wichtigkeit der Unterscheidung dieser beiden Gruppen von Rebarten wurde auch durch die Verlautbarung des Direktträger-Verbotsgesetzes im Jahre 1936 erreicht. Obwohl für Direktträger klar zu erkennen ist, dass damit jene Reben gemeint sind, welche ohne Pfropfung auf Unterlagsreben kultivierbar sind, wurde das Gesetz für alle Reben mit deutlichem Amerikanereinfluss ausgelegt. Das Gesetz ist bis heute nicht revidiert worden und ist gemeinsam mit den analogen Gesetzen der anderen Weinbauländer in EU-Recht eingeflossen. Trotzdem ging die weinbauliche Praxis mit Hybridenanbau in manchen Regionen Europas über den Graubereich hinaus und Reste davon bestehen bis heute.
Außerdem hat die Europäische Gemeinschaft klare Vorstellungen, in welchem Ausmaß sie solche Rebsorten gepflanzt haben will. Für die Herstellung von Qualitätswein bestimmter Weinbaugebiete ist eine Rebsorte mit Vitis-vinifera-Genetik erforderlich. In diesem Fall sind das die Qualitätsweinrebsorten nach dem österreichischen Weingesetz. Immerhin wurde seit 2000 die Klassifizierung wieder an den Mitgliedsstaat delegiert, der nach der Verordnung des Rates 479/2008 ganz offiziell auch Neuzüchtungen ohne reine Vitis-vinifera-Herkunft klassifizieren (zum Anbau zulassen) kann. Allerdings werden auch Sorten genannt, die nicht mehr zur Pflanzung, Veredlung usw. zugelassen sind. Die Sorten Noah, Othello, Isabella, Jacquez, Clinton und Herbemont sind damit gemeint und diese sollen mittelfristig in allen EU-Ländern eliminiert werden.
Was ist echt?
Die Definition, was eine echte Vitis-vinifera-Rebsorte ist, kann von mehreren Standpunkten aus betrachtet werden. Unter botanisch-ampelographischen Kriterien sind es jene morphologischen Unterschiede, die eine klare Artenzuordnung bisher erlaubten. So werden die Kriterien der offenen Triebspitze, der diskontinuierlichen Rankenabfolge und der unterbrochenen Markröhre zur Vitis vinifera gezählt. Diese Erfordernisse stellen natürlich nur das absolute Minimum der Notwendigkeiten dar. Weitergehend sind sicher die Erfordernisse auch in Hinblick auf die Zusammensetzung des Endproduktes Wein. Dabei wird von Vitis vinifera verlangt, dass weder Foxgeschmack noch andere artfremde Geschmäcke vorhanden sein dürfen. Außerdem ist im Falle von Rotwein eine Freiheit von Malvidin-3,5-diglucosid (Malvin) verlangt. Eine Sorte für Qualitätswein muss diese Kriterien erfüllen!
Mit den heutigen analytischen Möglichkeiten bleiben die Spuren des Einflusses amerikanischer Rebgene aber auch in starker Ausdünnung auffindbar. Der Sprung von Vitis vinifera zu den amerikanischen Arten ist somit durch die heute zahllos verfügbaren Züchtungsprodukte ein übergangsloser geworden. Daher stellt sich die Frage nach einer Grenzziehung durch definierte Eigenschaften mehr als je zuvor. Es erscheint daher sinnvoll, bestehende Kriterien wie die Farbstoffanalyse auf Gehalt von "Malvidin-3,5-diglucosid" (Malvin) aufrechtzuerhalten. Auch wenn damit einzelne Sorten wie z. B. Regent zu den Hybriden gezählt werden, obwohl sie ansonsten schon näher an der Vitis-vinifera-Genetik angelangt sind. In Vitis vinifera ist der Farbstoff Malvin nicht nachweisbar, während er in Hybriden aus amerikanischen Arten den Großteil des Gesamtfarbstoffes ausmachen kann. Jedoch gibt es auch Hybriden der älteren Generation, die keinen Hybridenfarbstoff tragen. Andererseits kann die Malvin-Farbstoffbildung auch von weißen Hybriden auf rote Vitis-vinifera vererbt werden.
Die Widerstandskraft gegen die Pilzkrankheiten korreliert nicht mit dem Malvinfarbstoff. Dieser hat aber auch keinen negativen Einfluss auf Geschmack oder Gesundheit. Allerdings entstand durch die Klassifizierung von Farbstoffträgern und der damit fehlenden Verwendungsmöglichkeit als qualitätsweintaugliche Sorte eine Risikoquelle, die bei Winzern zu Problemen führen kann. Es ist nicht möglich, aus bloß zugelassenen Rebsorten Qualitätswein zu keltern. Unabhängig davon, ob es sich um eine malvinhaltige Sorte handelt oder nicht, kann durch Farbstoffzuordnung ein unzulässiger Sortenverschnitt erkannt werden. Noch viel eher kann man Spuren von Malvin nachweisen. Folglich sollte man keineswegs Sorten mit Hybridfarbstoff in Anlagen mit Qualitätsweinpotenzial hineinpflanzen oder deren Weine verschneiden.
Tafelwein als Option?
Bereits ein geringer Prozentsatz (unter 2 %) an Farbstoffträgern wie Regent könnte z. B. im Zweigelt bereits nachgewiesen werden. In der Folge ist der Wein nicht mehr als Qualitätswein vermarktbar. Einerseits ist das für eine Reihe von Rotweinneuzüchtungen mit Pilzwiderstandsfähigkeit wie Regent ein klarer Nachteil, andererseits ist die Zulassung dieser Sorten für die Weinproduktion schon ein erheblicher Schritt in Richtung Liberalisierung der Sortenfrage gewesen. Ein weiterer Fortschritt könnte für diese Sorten die Nennung des Sortennamens am Etikett sein. Nach neuem EU-Recht steht einer Sortennennung bei Tafelweinen nichts mehr im Wege. Vielleicht ist das auch der Anlass, diese Weine nicht mehr zu verschneiden, sondern reinsortig und mit Namensdeklaration auszubauen.
Um sich gegen eine Verschleppung des Hybridfarbstoffes schützen zu können, benötigt man jedenfalls die Information, in welchen Weinen Malvin vorhanden ist (siehe Tabelle). Mit Sicherheit keine Probleme bezüglich Malvin-Farbstoff wird es dann geben, wenn die Sorten Medina, Roesler, Rathay oder Seifert ausgewählt werden. Ein wesentlicher Vorteil für die Sorten Roesler und Rathay ist die Möglichkeit, mit weniger Pflanzenschutz trotzdem Qualitätswein erzeugen zu können.
Technische Überprüfung
Autor: HR Dr. Reinhard Eder, Lehr- und Forschungszentrum für Wein- und Obstbau, Institut für Chemie und Biologie. Klosterneuburg, E-Mail: reinhard.eder@weinobst.at
Es ist eine Errungenschaft unserer Vorfahren, dass Qualitätsweinbau an die Verwendung von Qualitätsrebsorten gebunden ist. Seit beinahe hundert Jahren ist in Österreich und anderen qualitätsorientierten Weinbaugebieten die Zulassung als Qualitätsrebsorten ausschließlich auf Vertreter der Art Vitis vinifera ("Europäerreben") beschränkt.
Trotz dieses Verbotes ist die Verwendung von Nicht-Vitis-vinifera-Reben (Direktträger, Amerikanerreben, Hybride) bei einigen Winzern beliebt, da diese Reben üblicherweise gegenüber Krankheiten (Oidium, Peronospora) und Schädlingen robuster sind als die Europäerreben. Trotzdem war das Thema "Hybridsorten" bis vor einigen Jahren aufgrund ihrer geringen Verbreitung nur von lokaler Bedeutung (Uhudler und Heckenreben). Inzwischen hat es aber stark an Bedeutung zugenommen, da von deutschen Züchtungsanstalten pilzresistente Rotweinsorten (z. B. Regent, Rondo) auf den Markt gebracht wurden, die insbesondere von "Bio-Winzern" ausgepflanzt wurden.
Eigenschaften von Nicht-Vitis-vinifera-Sorten
Der oben erwähnte Ausschluss von Nicht-Vitis-vinifera-Rebsorten als Qualitätsrebsorten ist meiner Ansicht aber weiterhin durchaus berechtigt, da deren Trauben und Weine verschiedene unerwünschte Eigenschaften aufweisen. So verfügen einige dieser Rebsorten über gallertige Trauben mit hohem Pektingehalt und produzieren demgemäß Weine mit hohen Methanolgehalten. Andere dieser Rebsorten weisen wiederum eine auffällig fruchtige Aromatik auf, die an Erdbeeren und Stachelbeeren erinnert. Diese Aromanote, die gerne als "Hybrid- oder Foxton" beschrieben wird, ist im Wesentlichen auf erhöhte Gehalte an Aminoacetophenon und 2-Methylantranilsäure zurückzuführen. Auffällig ist, dass bei allen blaubeerigen Direktträgersorten zusätzlich zu den üblichen Rotweinfarbstoffen (Anthocyanmonoglucoside) auch Anthocyandiglucoside ("Direktträgerfarbstoffe") vorhanden sind. Diese Direktträgerfarbstoffe sind zwar ernährungspyhsiologisch unbedenklich, da sie weder giftig (toxisch) noch unverträglich sind. Andererseits eignen sie sich aufgrund ihrer Eigenschaften (chromatographische Trenneigenschaften, Fluoreszenz, hohe Gehalte bis zu 1.000 mg/l) sehr gut zur Erkennung von Amerikanerrebsorten.
Bestimmungsmethoden
Sehr einfach und seit Jahrzehnten in Anwendung ist die papierchromatographische Nachweismethode, die aufgrund der Fluoreszenz des Direktträgerfarbstoffes Malvidin-3,5-diglucosid sowohl spezifisch wie auch sensitiv ist (Nachweisgrenze im Bereich von 0,5 mg/l). Eine Weiterentwicklung ist die Dünnschichtchromatographie, mit der ebenfalls relativ einfach und rasch der Nachweis des Direktträgerfarbstoffes gelingt. Beide Methoden liefern jedoch nur ein negatives oder ein positives Ergebnis und werden daher fast ausnahmslos zur qualitativen (Ja/Nein-Entscheidung) und nicht zur quantitativen Analyse eingesetzt. Demgemäß wurde auch in der österreichischen Weinmethodenverordnung bisher kein Grenzwert genannt, sondern galt der positive Nachweis von Direktträgerfarbstoffen als Grund für die Verkehrsunfähigkeit eines Weines bzw. seit einigen Jahren für die Herabstufung eines Qualitätsweines zu Tafelwein.
Auch die internationale Weinorganisation (OIV) bemüht sich seit längerem, den Anbau von Nicht-Vitis-vinifera-Rebsorten zu diskriminieren und hat daher eine HPLC-Methode zum Nachweis des Direktträgerfarbstoffes mit einer Toleranzgrenze von 15 mg Malvidin-3,5-diglucosid pro Liter Wein festgelegt. Dieser internationale Grenzwert wird nun auch von Österreich übernommen, wobei dies einer Ausdehnung der Toleranz entspricht, da früher die bloße Anwesenheit des "Direktträgerfarbstoffes" (größer 0,5 mg/l) zur Abwertung genügt hat.
Aufgrund methodischer Fortschritte konnte die Nachweisgrenze inzwischen auch mit der HPLC-Methode deutlich gesenkt werden, sodass bei OIV seit mehreren Jahren ein Vorschlag zur Absenkung der Toleranzgrenze auf 2 mg/l zur Diskussion steht. Diesbezüglich konnte aber bisher keine Einigung erzielt werden, da Deutschland in Hinblick auf die oben erwähnten Neuzüchtungen Regent, Rondo usw. eine Ausnahmeregelung beansprucht, die andere Länder aber nicht geben wollen.
Daraus kann man erkennen, dass die Verwendung von Rebsorten, die nachweislich Eigenschaften von Hybridsorten (z. B. Malvidin-3,5-diglucosid) aufweisen, für die Herstellung von (Qualitäts-)Wein nicht nur in Österreich, sondern weltweit problematisch ist. Dies ist insbesondere bei Verschnitten zu berücksichtigen, da aufgrund des hohen Malvidin-3,5-diglucosid-Gehaltes in Hybriden (z. B. Regent) auch noch ein Verschnitt von 1 zu 50 oberhalb der Toleranzgrenze sein könnte.