Vor rund einem Jahr (Ausgabe September 2017) habe ich hier unter diesem Titel die Problematik der sich auseinander entwickelnden Weinstile in ihren extremen Auswirkungen betrachtet. Heute möchte ich die Problematik der verschiedenen Weinstile nicht in der extremen Form, sondern anhand eines spezifischen Beispiels, nämlich des österreichischen Qualitätsweines, betrachten.
Der österreichische Qualitätswein ist ein Weinstil, mit dem versucht wird, eine Sorten- und Herkunftstypizität der Weine abzubilden, die in der Regel auf Frische, Eleganz und Zugänglichkeit basieren. Ich glaube, ich liege nicht ganz falsch, wenn dabei in den vergangenen 20 Jahren tendenziell auch eine Entwicklung festzustellen ist, dem Geschmacksempfinden des Mainstream-Weintrinkers entgegenkommende Weine zu erzeugen. Dabei werden alle möglichen Weinbehandlungsmittel in Betracht gezogen – Weinbehandlungsmittel, die den Geschmackseindruck des Weines durchaus beeinflussen, wie Gerbstoffschönungen, Gummi-arabicum-Präparate, Mannoproteine und eine ganze Palette von unterschiedlichen Tanninen, aber auch betont reduktiver Ausbau und leichte Restzucker-
abrundungen bis hin zum Sweetpoint. Dies soll hier nicht kritisiert werden und ist auch zulässig, wenn es nicht übertrieben wird und dem Wein seine Sortencharakteristik und Herkunft lässt.
Weinstile im dynamischen Prozess
Wo aber eine Bewegung zu beobachten ist, gibt es immer bald auch eine Gegenentwicklung. Eine Entwicklung, mit der versucht wird, durch wenig Weinbehandlung, nicht zu reduktivem Ausbau, durchaus auch mit etwas Gerbstoff für die Stabilität die Herkunft und das Terroir zur Geltung kommen zu lassen. Und das hat noch lange nichts mit Orange Weinen zu tun.
Das beschränkt sich auch nicht auf Biobetriebe, sondern auf Betriebe, die auf diese Weise versuchen, den Lagencharakter verstärkt auf die Flasche zu bekommen. Eine Entwicklung, die auch international zu beobachten ist. Wein und Weinstil sind nie etwas Statisches, sondern immer Entwicklungen unterworfen.
Banderole als Zugpferd im Dachmarketing
Die oben dargestellte Problematik ist auch sehr gut bei der Verkostung zur staatlichen Prüfnummer zu beobachten. Während die auf Zugänglichkeit getrimmte Weinlinie bei den Verkostungen weitgehend problemlos akzeptiert wird, gibt es am anderen Ende des Spektrums doch erhebliche Probleme und auch Dissonanzen.
Damit ich nicht missverstanden werde: Ein Fehler ist ein Fehler, und der entsprechende Wein ist auch abzulehnen. Aber ähnlich wie dem einen Weinstil wird man sich auch dem anderen Weinstil annähern und vielleicht nicht jeden Wein, der leicht in diese Richtung geht, als „unharmonisch“, „nicht sortentypisch“ oder „gerbstoffbelastet“ ablehnen müssen. Noch einmal: Da meine ich keine oxidativen, mit Maische vergorenen Orange Weine, die tatsächlich nicht in unseren Qualitätswein- Begriff passen. Denn solche Weine gibt es und sie werden auch vielfach international gelistet. Wenn dann immer mehr österreichische Weine in den internationalen Regalen ohne rot-weiß-rote Banderole aufscheinen, haben wir mit unserem Dachmarketing ein Problem. Ein Problem, das das Chianti-Gebiet in den 1970er und 1980er Jahren leidvoll erfahren musste, als innovative Betriebe aus der DOC ausscherten und hochwertige Weine unter „Vino da Tavola“ verkauften. Ein Imageschaden, von dem sich die DOC Chianti bis heute nicht erholt hat.
Dankenswerterweise hat sich das Bundesamt für Weinbau der Problematik bereits angenommen und ist dabei, den Prüfnummern-Kostern in groß angelegten Verkostungen die verschiedenen Weinstile näherzubringen.