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Für viele bilden Wein und Speisen beinahe eine unzertrennliche Einheit, doch der Anteil von Weinkonsumenten in unserer Gesellschaft sinkt kontinuierlich

Wein ist kein Grundnahrungsmittel

Ein Artikel von red. | 07.04.2016 - 09:22
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Für viele bilden Wein und Speisen beinahe eine unzertrennliche Einheit, doch der Anteil von Weinkonsumenten in unserer Gesellschaft sinkt kontinuierlich

Wir sind sehr stolz auf unseren Wein und freuen uns, dass er vom Konsumenten so gut angenommen wird. Trotzdem muss uns klar sein: Wein ist kein Grundnahrungsmittel. Der Mensch kann ganz gut ohne Wein leben. Viele Menschen weltweit verzichten aus religiösen Gründen (z.B. Moslems) auf den Konsum von Alkohol (und damit von Wein). Der Anteil dieser Bevölkerungsgruppe nimmt auch in Österreich zu. Im Übrigen würde wohl niemand seine letzten Euros für eine Flasche vergorenen Traubensaft anstelle für Nahrung oder Kleidung ausgeben. Obwohl Wein sehr stark im gesell­schaftlichen Leben unseres Kulturkreises verankert ist, ist klar, dass Wein, wie jedes Produkt, das nicht notwendigerweise zum Leben gebraucht wird, ein Luxusgut darstellt. Egal, wie billig oder teuer es ist. ­Deswegen ist es auch immer not­wendig, durch entsprechendes Marketing und Kommunikation Nachfrage nach ­diesem „Luxusgut“ – für uns eher „Kulturgut“ – zu erzeugen.

Immer weniger Weintrinker

Nun ist es bei weitem nicht so, dass Wein in einem Land gleichmäßig von allen Konsumenten nachgefragt wird. In einer im „Deutschen Weinbau“ veröffentlichten Studie der Agentur „das Team“ über den Weinkonsum in Deutschland wird festgehalten, dass der Durchschnittskonsum in Deutschland zwar 22 Liter Wein pro Kopf beträgt, dass aber in Wirklichkeit knapp 15% der Weinkonsumenten 62% des in Deutschland konsumierten Weines trinken. Das heißt, der Weinkonsum dieser „Heavy User“-Gruppe ist de facto nicht zu steigern, auch nicht mit verstärkter Werbung. Daher bleiben nur die Gruppe der „Light Users“ und jene, die noch nicht mit dem Virus Wein infiziert wurden, um den Weinabsatz zusätzlich anzukurbeln. Dabei ist die Gruppe in der Gesellschaft, die potenziell Wein trinkt, laut dieser Studie im Moment auf dem Höhepunkt. Sie nimmt in den kommenden Jahrzehnten aufgrund von Überalterung der geburten­starken Babyboomer-Generation und der Zunahme des Anteiles an der Bevölkerung, die grundsätzlich keinen Alkohol trinkt, deutlich ab. Damit bleiben nur verstärkte Exportbemühungen in Konsum-Hoffnungsländer auf Drittlandmärkten (speziell Asien). Die Situation, die in obiger Studie für Deutschland beleuchtet wurde, wird in Österreich nicht anders sein.

Etikett weckt Lust

Neben dem Dachmarketing, das Lust auf Wein (vorwiegend österreichischen) beim Konsumenten erzeugen soll, liegt es bei jedem einzelnen Winzer, sich beim Konsumenten zu empfehlen. Das gelingt natürlich mit einer Empfehlung aufgrund anhaltend hoher Qualität seiner Weine. Neben einer preislichen Differenzierung ist es vielfach aber auch das optische ­Erscheinungsbild, weswegen nach einem Gut gegriffen wird, das nicht unbedingt gebraucht wird. Davon kann jeder Florist ein Lied singen, der aus ein paar abgeschnittenen Blumen mit Hilfe von Ziergräsern, Bändern und Zellophan ein Gesamtkunstwerk formt. Diese Möglichkeit haben ­Winzer nur begrenzt. Es ist auch unüblich, Weinflaschen in kunstvollen Überkartons anzubieten. Da die Flaschenformen und die dazugehörigen Verschlüsse überschaubar, besonders schwere Flaschen als Qualitätshinweis nicht zeitgemäß sind, bleibt in der Regel nur das Etikett, um sich aus der Vielfalt der Anbieter abzuheben. Und da das Rückenetikett in der Regel für die erforderlichen gesetzlichen Angaben verwendet wird, ist es zumeist das Vorder- oder Schauetikett, das die Chance bietet, einen unverwechselbaren und optisch nachhaltigen Eindruck zu hinterlassen. In der Regel versucht der Gesetzgeber daher, auch im Bezeichnungsrecht auf das gesetzliche Rückenetikett zu fokussieren. Trotzdem ist es aber nicht möglich, am Vorderetikett Bezeichnungen zu verwenden, die dem Bezeichnungsrecht widersprechen.

CR DI Josef Glatt, MBA