LEITARTIKEL 10-2021

Europäische Agrarreform beschlossen

Ein Artikel von CR Prof. DI Josef Glatt, MBA | 06.10.2021 - 13:09

Die seit den Lissabonner-Beschlüssen neue Entscheidungshierarchie der EU, bei der das Europäische Parlament gleichgewichtig mit dem Europäischen Rat für die europäische Gesetzgebung verantwortlich ist, wurde mit den sogenannten Trilog-Gesprächen abgeschlossen. Im Rahmen des Trilogs müssen sich die europäischen Institutionen Europäischer Rat, Europäisches Parlament und Europäische Kommission auf einen gemeinsamen Gesetzestext einigen. Die GAP-Reform 2020 wird daher erst 2023 in Kraft treten. Mit dem Green Deal der neuen Kommission soll natürlich auch die neue Agrarmarktordnung noch grüner werden. Das führt dazu, dass bereits in der 1. Säule der Marktordnung gewisse Umweltleistungen vorausgesetzt werden, um die sogenannten Direktzahlungen (Flächenzahlungen) für landwirtschaftliche Flächen (auch Weinbau) zu erhalten. Auch das im Rahmen der 1. Säule finanzierte Stützungsprogramm für die europäische Weinwirtschaft, das in Österreich seit Jahren sehr gut umgesetzt wird, setzt verstärkte Umweltleistungen voraus. Von den Förderungsmöglichkeiten selbst können in Österreich ähnliche Förderungsmaßnahmen – wie bisher bekannt – umgesetzt werden. Das sind vor allem die Umstellung von Weingärten, Investitionen in die Verarbeitung sowie die Absatzförderung auf Drittlandsmärkten. Aufgrund des EU-Austrittes Großbritanniens (als Nettozahler) steht für diese Maßnahmen etwas weniger Geld zur Verfügung. Für Österreich 13,1 Mio. € pro Jahr. 

Wenig verändern wird sich auch in der 2. Säule der europäischen Agrarpolitik, in der ländlichen Entwicklung. Dadurch, dass die Mitgliedsstaaten diese Säule mitzufinanzieren haben, gibt es hier national unterschiedliche Programme, die von der EU schlussendlich genehmigt werden müssen. Diese Maßnahmen werden derzeit auch in Österreich entsprechend diskutiert. Für die Weinwirtschaft interessant ist in dieser Säule der Bereich der einzelbetrieblichen Investitionsförderung. Hier konnte die Weinwirtschaft bis dato bei Förderungsprojekten partizipieren, die nicht vom Stützungsprogramm der 1. Säule abgedeckt waren. Hier will man, in Hinblick auf den Fördersatz und eine Bereinigung der verschiedenen Förderinstrumente, die Investitionen in der Weinwirtschaft hauptsächlich im Rahmen des nationalen Stützungsprogramms der 1. Säule fördern. Sehr wichtig ist natürlich auch das Österreichische Umweltprogramm (ÖPUL), das im Rahmen der 2. Säule gefördert wird und in dem auch die Weinwirtschaft entsprechend vertreten ist. Einerseits sollen hier jene Maßnahmen, die bereits auch bisher im Umweltprogramm gefördert wurden (Erosionsschutz, Herbizidverzicht, Insektizidverzicht, …), im Weinbau weiter gefördert werden, andererseits müssen jene Umweltleistungen, die bereits im Rahmen der 1. Säule gefördert werden, aus der 2. Säule herausgerechnet werden. Das heißt, einerseits sollen die bisherigen Fördermaßnahmen auch zukünftig angeboten werden, andererseits wird derzeit über die Förderungsprämien diskutiert, die dann gegenüber der EU dargestellt werden können. Hier ist zu hoffen, dass diese Prämien an das bisherige Niveau anschließen können. Ähnliches gilt für die Förderung des biologischen Weinbaues. Für die biologische Landwirtschaft soll keine eigene Förderschiene angeboten werden, sondern im Rahmen eines Modulsystems sollen ähnliche Prämien wie bisher dargestellt werden können. Für den Weinbau sollte das bedeuten, dass durch die Inanspruchnahme von Erosionsschutz, Herbizid- und Insektizidverzicht sowie mithilfe eines eigenen zusätzlichen Moduls für den erhöhten Verwaltungs- und Kontrollaufwand eine ähnliche Prämiensumme wie bisher für den biologischen Weinbau dargestellt werden kann. 

Was die weingesetzlichen Neuerungen im Rahmen der Marktordnung betrifft, so sind hier mit einer Ausnahme keine gravierenden Änderungen vorgesehen:

Das Prinzip des Genehmigungssystems für Neuaus­pflanzungen soll beibehalten werden, neben Vitis vinifera sollen auch Kreuzungen (Piwis) als Qualitätsweinrebsorten zugelassen und gemeinschaftliche Bestimmungen für alkoholfreien und alkoholarmen Wein eingeführt werden. Gravierend ist aber die Änderung der europäischen Lebensmittelrichtlinie, nach der alkoholische Getränke nicht mehr von der Kennzeichnung des Nährwertes und der Zutaten ausgenommen werden. Deswegen ist in der Weinmarktordnung für den Wein ab 2023 (beziehungsweise mit einer zweijährigen Übergangsfrist) vorgesehen, dass der Nährwert des Weines zukünftig auf dem Etikett angegeben werden muss. Das Gleiche gilt für Zutaten im Zuge der Weinbereitung, wobei die Zutaten entweder auf dem Etikett oder Off-Label auf einer zugehörigen Homepage dem Konsumenten bekannt gegeben werden können. Hier wird es wieder um eine möglichst praxisgerechte Umsetzung gehen, um auch der traditionell kleinstrukturierten europäischen Weinwirtschaft eine möglichst praktikable Umsetzungsmöglichkeit dieser Vorgabe zu ermöglichen. 

CR Prof. DI Josef Glatt, MBA