Infektion der Weinbranche

Heilige Corona, bitt' für uns

Ein Artikel von W. Kaltzin | 15.03.2020 - 20:23

Die steigende Zahl an Infektionen, verbunden mit Quarantäneauflagen, beeinflusst viele Wirtschaftsbereiche, die Landwirtschaft ist nicht ausgenommen. Den Weinbau trifft es auf vielen Ebenen.

Heilige Corona
Zufall? Das Ökumenische Heiligenlexikon weist die Heilige Corona als Schutzpatronin vor Seuchengefahr aus. Die junge Märtyrerin der Spätantike wurde – so die Legenden – grausam hingerichtet, weil sie ihren christlichen Glauben verteidigte. Seitdem gilt sie in vielen Ländern als Vorbild für Glaubenstreue.
In vielen dieser Länder hat das neue Virus die Bevölkerung bereits stark im Würgegriff, bisher ist in Europa unser Nachbarland Italien am schlimmsten betroffen. Zug um Zug, mit steigender Infektionsrate bzw. Verbreitung, wurden und werden die Einschränkungen immer rigoroser.
Nun beginnt auch in Österreich das öffentliche Leben still zu stehen, weil soziale Kontakte im Sinne des Allgemeinwohls zu beschränken sind. Im Abstand von wenigen Stunden kommen immer wieder neue Maßnahmen hinzu, die zu weiteren Einschränkungen führen und die Situation auch für die heimische Weinbranche nicht besser machen.

Messen, Tourismus & Co.
Zu den ersten Konsequenzen mit Auswirkungen auf die Weinbranche zählten die Absagen der Weinmessen, zuerst im asiatischen Raum, dann traf es auch die großen Veranstaltungen – die ProWein und die Vinitaly. Auch kleinere Alternativveranstaltungen mussten mittlerweile einen Rückzieher machen. Würden nur die Messen dem Virus zum Opfer fallen, wären die Auswirkungen marginal geblieben. Doch dann traf das Corona-Virus die gesamte Tourismusbranche, zuerst den Westen Österreichs und besonders Tirol, das durch die räumliche Nähe zu Italien die meisten Infektionen zu verzeichnen hat.
Kein Schi- und Hotelbetrieb, keine Touristen, kein Weinkonsum. Noch vor wenigen Tagen durften wir uns über den neuen Exportrekord freuen und der 2019er Jahrgang sollte den Trend weiterführen. Doch Österreichs wichtigster Exportmarkt Deutschland – als ein Beispiel – ist von den extremen Einschränkungen nicht ausgenommen. Nicht nur wird der Konsum geringer, es leidet auch die grenzüberschreitende Logistik, weil manch Fahrer unter Quarantäne steht oder überhaupt nicht mehr das Heimatland verlassen darf. Massive Exporteinbrüche sind kurz- und mittelfristig zu befürchten.

Im März beginnt üblicherweise der Verkostungsreigen rund um den neuen Jahrgang. Die ersten Weine sind gefüllt und warten auf den gespannten Konsumenten. Dieser sitzt aber daheim. Die Restaurants werden aktuell gänzlich geschlossen, nachdem es kurzfristig nur nach eingeschränkten Öffnungszeiten (bis 15 Uhr) ausgesehen hatte.
Nachdem einzelne Tiroler Orte unter Quarantäne gestanden hatten, wurden bald darauf erste de facto Ausgangssperren für Tirol verhängt. Dies könnte bald auch andere Gebiete oder ganze Bundesländer betreffen.

Existenzielle Sorgen
Für viele Weinbaubetriebe bedeuten die neuen Einschränkungen eine existenzielle Bedrohung. Abgesehen von den enormen Umsatzeinbußen zeigt sich ein weiteres Problemfeld. Aus der eingeschränkten Reisetätigkeit ist mittlerweile eine Abschottung auf regionaler wie auch nationaler Ebene erfolgt. Das trifft viele langjährige Weinguts-Mitarbeiter im grenznahem Bereich, vor allem Ungarn, Tschechen und Slowaken. Erste Weingüter mussten deswegen bereits vorübergehend schließen, weil der Betrieb nicht aufrecht zu halten ist.

Chance Heimkonsum?
In der Vergangenheit haben sich Krisen nicht immer eins zu eins auf die Weinbaubranche übertragen. Schlechte Zeiten müssen nicht den Weinkonsum stark herabsetzen, sieht man vom Premiumbereich ab. Heimische Weingüter müssten nun flexibel reagieren und für die regionale Versorgung sorgen. Das tun auch schon viele Betriebe, vor allem jene, die im Social-Media-Bereich gut aufgestellt sind. „Kommt ihr nicht zu uns, kommen die Weine zu euch“, so bewirbt ein Kremstaler Winzer seine neuen Jahrgangsweine und verzichtet dabei gänzlich auf Versandkosten. Andere wiederum setzen auf spezielle Verkostungspakete und „Corona“-Rabatte. Die Onlinekommunikation ist bislang von keinen Maßnahmen betroffen. Derzeit stellen die Versandfirmen weiterhin zu. Sollte allerdings auch dort der Betrieb eingestellt werden, bleibt nur mehr die Selbstauslieferung. Zeit dafür gibt nun ohnehin, doch vielleicht werden nicht immer ausreichend Transportmöglichkeiten bestehen. Und ob die Lieferung weiterhin erlaubt sein wird?
Wein ist auf jeden Fall genug vorhanden. Die Jahrgänge 2018 und 2019 haben in Österreich die Bestände steigen lassen; das Land gilt als Selbstversorger in diesem Bereich. Versorgung aus der Region – umso besser.

Spätfrostgefahr
Im Schatten der Corona-Krise darf nicht auf die Entwicklungen im Weingarten vergessen werden. Der Winter war mild und ausgeprägt trocken, die Reben sind etwa im Seewinkel schon ordentlich im Saft. Damit steht der Austrieb bald bevor und die Gefahr von Spätfrost steigt enorm. In der Nacht von 14. auf den 15. März sanken die Temperaturen in vielen Weinbaugebieten deutlich unter Null. Die bereits blühenden Marillenbäume könnte es den Ertrag gekostet haben. Für die Weinreben werden die nächsten Wochen zur Zitterpartie. Ertragsausfälle wie in 2016 und 2017 wären das Ende vieler Betriebe.

Fazit
Die Corona-Epidemie hat den Pandemie-Status erreicht und erzeugt damit globale Auswirkungen, denen sich der Wein nicht entziehen kann. Die Auswirkungen der Krise für die heimische Weinbranche werden beträchtlich sein. Einerseits fehlt der Konsum der Touristen, andererseits fällt mittlerweile auch die Gastronomie ab Mitte März aus. Wirtschaftliche Einbußen in bestimmten Bevölkerungsgruppen führen dann später zu vermindertem Konsum.
Als kleiner Hoffnungsschimmer könnte sich eventuell der Heimkonsum erweisen. Zwar sind die Zeiten des Mittelalters vorbei, wo man Wein dem Wasser den Vorzug gab, weil er unbedenklicher zu genießen war. Die Frage bleibt, inwieweit es noch zu Zusammenkünften im kleinen Kreis kommen darf. Die jüngsten Entwicklungen bedeuten rigorose Einschränkungen. Je länger und massiver diese sind, desto härter wird es viele – nicht nur in der Weinbranche – treffen. Die gute Nachricht: Österreich verfügt über eine intakte Landwirtschaft, sodass auch diese Krise überstanden werden wird. Der Wert einer regionalen Versorgung wird steigen.