Bordeaux

Château Coutet – zurück in die Zukunft?

Ein Artikel von HR DI Robert Steidl | 14.02.2019 - 14:06

Der schon sehr alte Betrieb, der als „Grand Cru“ eingestuft ist, hebt sich von den zahlreichen anderen Weingütern in Saint-Émilion durch die Besonderheit der Bio-Bewirtschaftung ab. Seit 400 Jahren in Familienbesitz, wird das Weingut nunmehr von der 14. Generation, der Familie Beaulieu, geführt. Stolz ist man auf den guten Ruf der Weine, wurden sie doch schon anfangs des 20. Jahrhunderts auch an
den Hof von Zar Nikolaus II. und an den ägyptischen Khediven (Großfürsten) geliefert. Heute wird
in 20 Länder exportiert.

Bio als Ausnahme in Bordeaux

Neben der hervorragenden Weinqualität ist das Besondere am Weingut, dass die – heute zertifizierte – biologische Bewirtschaftung laut Eigenangaben seit 400 Jahren immer schon so betrieben wurde.
Etwa kamen Herbiziden nie zum Einsatz – eine Einzigartigkeit im Bordelais. Die absolute Absenz von Pflanzenschutzmittel-Rückständen und die damit einhergehende vielfältige Biodiversität werden
heute von einigen wissenschaftlichen Instituten untersucht, Flora und Fauna stehen im Fokus der Wissenschaft.

Der Standort selbst ist hervorragend, befinden sich doch gleich benachbart einige Topweingüter
wie z.B. Angélus, Beau-Séjour Bécot oder Beauséjour Duffau-Lagarosse. Auf drei verschiedenen Bodenstrukturen – Sand, Kalk und Lehm – stehen vier Rotweinsorten: 60% Merlot, 30% Bouchet (lokaler Cabernet Franc), 7% Prayssac (lokaler Malbec) und 3% Cabernet Sauvignon. Nachpflanzungen erfolgen mit eigenem Rebmaterial. Auf den 16 Hektar Fläche befindet sich auch der einzige Hügel der Gegend: mit 25 Meter Höhe die erste Erhebung von der Küste her, was Niederschlag begünstigt. Die unterschiedlichen Regenmengen sind ein starker Ertragsregulator und die Ursache für die stark schwankenden Erntemengen. 2016 gab es 85.000 Liter, 2018 nur 15.000.

Pferd und Roboter

Neben der biologischen Bewirtschaftung werden einige Parzellen nicht mit dem Traktor, sondern seit 2015 per Pferdezug bearbeitet – so wie früher eben. Dies bringt einen lockereren Boden mit ent-sprechend mehr Leben. Der solarbetriebene „Vitirover“ für automatischen Gras- und Beikrautschnitt wurde auf diesem Weingut entwickelt. Ein Projekt mit modernem Ansatz für geringe Bodenbelastung (siehe Messebericht Vinitech im Winzer 01/2019).

Dem Gedanken der Ursprünglichkeit entsprechend gibt es nur Handlese, Spontangärung und Spontan-BSA, die Maische wird nach der Gärung mit einer archaisch anmutenden Stempelpresse gepresst. Die einzige Konzession an die Neuzeit: Ein Elektromotor erspart das mühsame Kurbeln.

200 Jahre alte Weinflasche

Zu diesem Ziel des Weinbaus und der Vinifikation „wie früher“ mit möglichst keinen Eingriffen passt zudem eine besondere Entdeckung am Weingut: Vor einiger Zeit wurde im Erdboden des Kellers eine Weinflasche gefunden, die mit einem Glasschliffstopfen verschlossen und noch komplett vollgefüllt war. Glas-Sachverständige schätzten die Flasche auf ca. 200 Jahre alt. Somit wäre das die älteste Flasche Bordeauxwein, die noch erhalten ist! Warum auf dem Schliffstopfen der Griff in Herzform ausgeführt ist, gibt natürlich Anlass zu verschiedensten und auch romantischen Spekulationen.

Zusammen mit einem findigen Glasbläser wird diese Flasche nun wieder aufwendig gefertigt, ist doch das Einschleifen des Stopfens arbeitsintensiv und teuer. Eine kleine Partie des besten Weines – aus der besten Lage „Peycocut“ mit Pferdebewirtschaftung – wird jedes Jahr ohne weitere maschinelle Hilfe händisch vinifiziert und nach 18 Monaten Barriquelagerung in diese historische Flasche abgefüllt und mit Glasschliff verschlossen: „Cuvée Emeri“ – eine besondere Rarität, die natürlich auch ihren Preis hat – sofern man sie ergattern kann.

Hat man weder den Wunsch noch das Glück, eine dieser Flaschen zu erwerben, so muss man aber nicht traurig sein. Zahlreiche Gold-, Silber-und Bronzemedaillen schmücken den Verkostungsraum und die zur Verkostung gereichten und im Verkauf befindlichen Weine vom Jahrgang 2014 und 2015 bestätigten den guten Ruf des Weinguts. Zudem ist das Preis-Leistungs-Verhältnis mit ca. 25€ für Saint-Émilion ausgezeichnet!

Fazit

Zurück in die Zukunft? Biologische und naturnahe Bewirtschaftung liegen heute ja im Trend. Auf Château Coutet wird das seit 400 Jahren immer schon betrieben und damit ist Tradition ein „alter Hut“. Wenn es auch etwas Mühe kostet, stellt die so lange praktizierte biolo-gische Bewirtschaftung heute ein Alleinstellungsmerkmal dar, das sonst niemand hat. Die Zukunft liegt bei diesem Weingut in der Vergangenheit – im besten Sinn!

Für einen – durchaus empfehlenswerten – Besuch kann man sich auf www.chateau-coutet.wine informieren. Dort findet sich sogar ein Video über die Produktion der „neuen alten“ Glasflasche.

In diesem Sinn: À votre santé! 

Der Autor

HR DI Robert Steidl, Instituts­leiter Weinbau,
Abt. Keller­wirtschaft, HBLA u. BA Klosterneuburg,
Tel. +43(0)2243/379 10-720


E-Mail: robert.steidl@weinobst.at